Archiv


"Unmenschlich nenne ich so was"

Eine Koblenzer Zeitarbeitsfirma wirft Amazon "unmenschliche" Behandlung von Leiharbeitern vor. Diese würden zu Umtauschware degradiert und zu Wanderarbeitern gemacht. Die Firma hatte sich geweigert, einen Vertrag mit dem US-Konzern zu unterschreiben.

Von Ludger Fittkau |
    Ute Siry ist eine erfahrene Managerin in der Zeitarbeitsbranche. Seit 22 Jahren vermittelt die Koblenzerin Menschen aus rund vierzig verschiedenen Berufen an Unternehmen der Region. Im Herbst letzten Jahres meldete sich Amazon bei ihrer Zeitarbeitsfirma IMUS und wollte Packer für das neue Versandzentrum in Koblenz vermittelt haben. Der US-Konzern schickte Ute Siry einen Vertragsentwurf, der ihr den Atem verschlug. Gleich mehrere Klauseln dieses Vertrages hält die Zeitarbeitsexpertin geradezu für sittenwidrig. Amazon habe beispielsweise verlangt, einen missliebigen Mitarbeiter ohne Zeitverzögerung quasi umzutauschen, so Ute Siry.

    "Es geht hier nicht um Ware, es geht hier um Menschen und die haben wir nicht einfach im Regal sitzen, dass wenn Amazon zu uns sagt, bringen sie Ersatz, dass wir aus dem Regal irgendeinen Zeitarbeiter rausnehmen, den wir dann als Ersatz zu Amazon schicken. Das war eigentlich schon die Krönung dessen, was ich bisher kennengelernt habe."

    Empört war Ute Siry auch darüber, dass Amazon den Tarifvertrag, den ihre Zeitarbeitsfirma mit dem DGB abgeschlossen hat, nicht respektiert. Besonders drastisch sichtbar geworden sei das bei Nachtarbeits- und Sonntagszuschlägen. Amazon wollte etwa 80 Prozent niedrigere Zuschläge zahlen, als der Tarifvertrag vorsieht, so Ute Siry:

    ". Amazon bietet uns einen Stundenverrechnungssatz aber Schichtzulagen nicht, wie wir sie an die Mitarbeiter weitergeben, sonder die belaufen sich, wie wir ausgerechnet haben, zwischen 10 und 20 Prozent insgesamt."

    Amazon bestreitet in einer schriftlichen Stellungnahme, bei den Zuschlägen die Branchentarifverträge zu unterlaufen. Man halte sich überdies an die gesetzlichen Vorschriften, erklärt der Internethändler. Dies bestreitet auch die Gewerkschaft ver.di nicht. Es sei allerdings ein grundsätzliches Problem der Leiharbeit, das alles auf die Beschäftigten abgewälzt werde, so ein Gewerkschaftssprecher. Ute Siry lässt das nicht gelten.

    "Ich wehre mich massiv dagegen, dass unsere Branche unter Generalverdacht gestellt wird, nur weil der eine oder andere Mitbewerber mit Amazon zusammenarbeitet."

    Sie tue das eben nicht, betont Siry. Auch deshalb nicht, weil Amazon in dem Vertragsentwurf tatsächlich verlangt habe, dass ihre Zeitarbeitsfirma das Risiko der Unterbeschäftigung bei plötzlichen Auftragsrückgängen voll an ihre Mitarbeiter weitergebe. Das ist eine unmögliche Forderung, findet Ute Siry:

    "Dass wenn zum Beispiel Amazon keinen Bedarf mehr an Mitarbeitern hat, weil jetzt irgendeine Schichtkürzung stattfindet, weil nicht genug zu tun ist, sie die Mitarbeiter nach Hause schicken wollen. Dass wir mithilfe dieser flexibel gestalteten Verträge aus dem Risiko herauskommen, die Mitarbeiter weiter bezahlen zu müssen. Und somit würden wir dieses Risiko an den Mitarbeiter weitergeben. Unmenschlich nenne ich so was."

    Unmenschlich vielleicht – aber eben nicht illegal. Rechtlich zulässig ist es wohl auch, was Ute Siry im Amazon-Vertragsentwurf ebenfalls für unakzeptabel hielt. Dass nämlich ihre Zeitarbeiter jederzeit von Koblenz aus in irgendein anderes Amazon-Werk verschickt werden sollten.

    Ihre Zeitarbeiter wolle sie aber nicht durch Amazon zu Wanderarbeitern machen lassen, betont Ute Siry. Auch deshalb hat sie den Vertrag mit dem US-Konzern nicht unterschrieben.