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UNO-Wanderarbeiterkonvention

Über 150 Millionen Menschen arbeiten nach Schätzungen der Vereinten Nationen weltweit außerhalb ihrer Heimatländer. Sie haben sich für kürzere oder längere Zeit, begrenzt oder auf Dauer in die Fremde aufgemacht. Sie hatten den Mut oder die Verzweiflung, sich einer unbekannten Umgebung, einer vielleicht auch anderen Kultur auszusetzen. Sie haben sich auf dieses Risiko in der Hoffnung eingelassen, dass ihnen nicht allzu übel mitgespielt werde. Doch diese Hoffnung – leider – trügt sehr oft.

Albrecht Kieser |
    Über 150 Millionen Menschen arbeiten nach Schätzungen der Vereinten Nationen weltweit außerhalb ihrer Heimatländer. Sie haben sich für kürzere oder längere Zeit, begrenzt oder auf Dauer in die Fremde aufgemacht. Sie hatten den Mut oder die Verzweiflung, sich einer unbekannten Umgebung, einer vielleicht auch anderen Kultur auszusetzen. Sie haben sich auf dieses Risiko in der Hoffnung eingelassen, dass ihnen nicht allzu übel mitgespielt werde. Doch diese Hoffnung – leider – trügt sehr oft.

    Die fortschreitende Globalisierung hat nicht nur die Waren- und Kapitalmärkte internationalisiert. Sie hat auch die Grenzen der nationalen Arbeitsmärkte eingerissen. Bloß die Bedingungen, unter denen Arbeitskräfte ein- und auswandern, sind wesentlich ungeordneter und ungeregelter als es im internationalen Güter- und Geldverkehr der Fall ist. Entsprechend gravierend sind die Folgen. Philippinische Arbeitsmigrantinnen werden in Hongkong wie Sklavinnen gehalten, marokkanische Landarbeiter schuften in Spanien unter unmenschlichen Bedingungen, ukrainische Bauarbeiter werden in Deutschland illegal und zu Hungerlöhnen beschäftigt.

    Am 1. Juli 2003 tritt eine UNO-Konvention in Kraft, die Migranten weltweit gegen solche Ausbeutungsmethoden schützen soll.

    Wenn wir sagen, dass Migration ein Teil von globalisierten Arbeitsmärkten ist, dann muss es auch notwendig sein, dass diese Wanderung von Menschen – und ich rede jetzt von ökonomisch bedingter Migration, ich rede nicht von Flucht aufgrund von Menschenrechtsverletzungen – dass diese Wanderung von Menschen auch sozial begleitet wird und dass es nicht darauf ankommen kann, in welchen Staat man gerade geht, ob man jetzt seine Rechte als Migrant wahrnehmen kann oder nicht. Sondern dass es da einer gemeinsamen Verantwortung der Vereinten Nationen bedarf. Von daher ist das ein großer Fortschritt, und es wäre sicherlich sinnvoll, dass auch solche Rechte, die einzelnen Wanderarbeitnehmer dort zugestanden werden in den verschiedensten Bereichen, dass auch solche Rechte dann in nationales Recht umgesetzt werden. Damit der Kampf gegen Diskriminierung auch eine Rechtsgrundlage hat, die auch allgemein verbindlich ist und weltweiten Standards auch standhält.

    Leo Monz arbeitet im Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes und ist dort Leiter des Bereichs Migration und Qualifizierung. Das Bildungswerk informiert in- und ausländische Beschäftigte darüber, wie Migration abläuft und wie sich die Lebensrealitäten dadurch ändern. Es will Deutschen dabei helfen, Vorurteile gegen Einwanderer abzubauen und Migranten dabei unterstützen, ihre Rechte durchzusetzen.

    Praktiker, aber auch Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Arbeit, der sich das Bildungswerk verschrieben hat, an Umfang zunehmen wird. Weil die weltweite Migration zunehmen wird. Notwendig seien deshalb internationale Lösungen für die wachsenden Probleme, meint auch Steffen Angenendt vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Als Migrationswissenschaftler hat er sich im Arbeitsstab der von der Bundesregierung eingesetzten Zuwanderungskommission unter dem Vorsitz von Rita Süßmuth intensiv mit dem Thema beschäftigt:

    Wir werden damit rechnen können und müssen, dass wir mehr Ausländer hier haben werden und wir werden sie hier haben, z.T., weil wir auf sie angewiesen sind.

    Zu diesem Ergebnis kam auch die Süßmuth-Kommission, die sich ausführlich mit Arbeitsmarktprognosen beschäftigt hatte. Danach wird der Bedarf an ausländischen Arbeitskräften weiter steigen – aus wirtschaftsstrukturellen Gründen. Aber vor allem aus demographischen Gründen. Und der Migrationswissenschaftler verweist noch auf ein weiteres Problemfeld:

    Wir werden auf der anderen Seite auch nicht die Grenzen schließen können. Das ist in demokratischen Staaten so. Die einzigen Staaten, die kein Problem mit illegaler Zuwanderung hatten, waren Diktaturen. Und wir müssen dann natürlich auch Vorkehrungen treffen, dass diese Leute eben menschenrechtlich vernünftig behandelt werden. Dass es dafür Standards, internationale Standards gibt, die auch bei uns gelten. Wenn wir also internationale Mobilität fördern wollen, müssen wir internationale Vorkehrungen haben, die die Rechte dieser Migranten schützt. Und auch deshalb sind solche internationalen Regelungen wie die Wanderarbeiterkonvention so wichtig.

    Die Initiative für die Erarbeitung und Verabschiedung der UNO-Wanderarbeiterkonvention hatten solche Staaten ergriffen, aus denen seit vielen Jahren Hunderttausende, ja Millionen Menschen emigriert sind. Z.B. arbeiten allein fünf Millionen Filipinos in Südostasien, im Nahen Osten und in Europa, eine Million Marokkaner sind nach Europa emigriert, mehrere Hunderttausend Ukrainer sind in Länder Ost- und Westeuropas ausgewandert. Anliegen dieser Entsenderstaaten war es, mit der Konvention ihre Staatsbürger gegen Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung im Ausland zu schützen. Steffen Angenendt:

    Die Entsendeländer hoffen mit der Konvention, wenn sie denn verbindlich werden würde, eben auch für die Länder, in die sie Leute schicken, dass dort ihre Staatsbürger besser geschützt sind. Denn bis jetzt sind Wanderarbeiter, auch legale Wanderarbeiter, eben nur relativ schlecht geschützt. Die sind oft nur tatsächlich durch den Markt geschützt. Solange ihre Arbeitskraft verlangt wird in dem Land, in dem sie arbeiten, haben sie eine bestimmte Stellung, eine bestimmte Sicherheit, auch eine bestimmte Aufenthaltssicherheit, auch wenn es vielleicht nur eine kurzfristige ist. Aber sie haben einen bestimmten Schutz. Wird ihre Arbeitskraft nicht mehr verlangt, müssen sie eigentlich das Land verlassen. Und der Schutz, der gewährt wird, ist eben auf sehr niedrigem Niveau.

    Das ist für viele Entsendeländer von Arbeitskräften seit langem auch ein innenpolitisches Problem Für die Philippinen zum Beispiel, wie Steffen Angenendt zu berichten weiß:

    Die Regierung wird häufig aufgefordert, von allen möglichen Interessenorganisationen, doch was für den Schutz ihrer Arbeitskräfte im Ausland zu tun. Z.B. gibt es sehr viele philippinische Frauen, die in anderen südostasiatischen Staaten, also in den Industriestaaten oder in den Industrieregionen arbeiten. Z.B. gibt es sehr viele Hausangestellte in Hongkong, die z.B. wirklich unter schlimmen Bedingungen arbeiten. {Da wird oft von Ausbeutung berichtet, auch von sexuellem Missbrauch, von allen möglichen schlimmen Sachen. Und die philippinische Regierung ist selber unter Druck, etwas für den besseren Schutz ihrer Volksangehörigen zu tun.} Und deshalb sind solche Länder eben sehr daran interessiert, diese Konvention, die einen besseren Schutz bedeuten würde, ich glaub, das kann man so sagen, eben umzusetzen, in die Welt zu setzen und eben auch mehr Staaten dazu zu bewegen, diese Konvention zu ratifizieren.

    Dieses Ansinnen war bislang nicht von Erfolg gekrönt. Kein Industriestaat hat die Konvention, die bereits 1990 von der UNO-Vollversammlung verabschiedet wurde, bislang ratifiziert. In dreizehn Jahren sind nur zwanzig Staaten der Konvention beigetreten, allesamt Entsendestaaten von Migranten. Staaten wie Marokko, die Philippinen, Bosnien-Herzegowina, Ägypten oder Bolivien zum Beispiel. Der zwanzigste Staat, Guatemala, hat gerade erst ratifiziert.

    Damit ist das in der Konvention verabredete Quorum erreicht und sie kann jetzt endlich in Kraft treten. Das bedeutet zunächst jedoch nur, dass die zwanzig Unterzeichnerstaaten die Bestimmungen der Konvention in nationales Recht umsetzen und damit die relativ wenigen Migranten schützen, die in diesen Ländern leben und arbeiten. Aber die Millionen von Migranten, die aus den Ratifizierungsstaaten aufgebrochen sind, müssen weiterhin auf die in der Konvention verankerten Rechte warten.

    Der Schutz, den die UNO-Konvention verlangt, wäre auch für Migranten in Deutschland nicht unerheblich. Die Konvention basiert auf der Unteilbarkeit der Menschenrechte. Sie geht weit über das deutsche Ausländerrecht hinaus:

    Das deutsche Ausländerrecht geht von einem völlig anderen Ansatzpunkt aus. Im deutschen Ausländerrecht geht man davon aus, dass Migranten, Ausländer in dem Fall, eher als Bürger zweiter Klasse betrachtet werden, die eben nicht die gleichen Rechte haben wie die einheimischen Staatsangehörigen oder die EU-Bürger. Insofern ist hier eine völlig andere Systematik drin. In der Konvention geht man davon aus, dass möglichst die gleichen Rechte auf Leben, auf Sicherheit, auf gleiche Entlohnung usw. für die Migranten auch gelten sollen wie für die Einheimischen auch. Und das deutsche Ausländerrecht betrachtet die Ausländer immer noch – ich sag das so einfach – als Bedrohung anstatt als Menschen, die hierhin kommen, um hier ihr Leben auch leben zu wollen.

    Volker Roßocha ist Referatsleiter der Abteilung für internationale und europäische Gewerkschaftspolitik beim DGB. Er weiß, dass Migration in der Regel drei grundlegende Probleme mit sich bringt: Erstens würden Migranten in den Aufnahmeländern häufig als bloßes Arbeitsmaterial behandelt. Zweitens würden sie oft eingesetzt, um die landesüblichen Löhne zu drücken und Regelungen über Arbeitsbedingungen zu unterlaufen. Und drittens würden Migranten nicht selten diskriminiert und benutzt, um Fremdenangst zu schüren und Spannungen unter Beschäftigten zu vertiefen. Auf allen drei Problemfeldern fixiert die UNO-Konvention Schutzregelungen. Zum Beispiel zum Recht von Migranten, mit ihren Familien zusammenleben zu können:

    Bei Familienangehörigen geht die Konvention weit über das hinaus, was jetzt im Rat der Europäischen Gemeinschaft verabredet worden ist im Bezug auf eine Richtlinie zur Familienzusammenführung. Hier wird gesagt, dass die Wanderarbeiternehmer generell die Möglichkeit haben müssen auf Familiennachzug. Und die EU sagt, wir haben einen eingeschränkten Familiennachzug, der sich nur auf die Familienangehörigen erster Linie bezieht.

    Auch die deutsche Diskussion um das Zuwanderungsgesetz müsste anders verlaufen, wäre die UNO-Konvention hierzulande gültig. Politiker könnten sich dann nicht mehr dafür stark machen, dass Kinder nur noch bis zum Alter von 16 oder gar 12 Jahren ihren Eltern nach Deutschland folgen dürfen. Denn die Konvention erlaubt es den Eltern, ihre Kinder bis zur Volljährigkeit zu sich zu holen. Für den Gewerkschafter Volker Roßocha sprechen ohnehin die Fakten gegen die häufig zu hörende Behauptung, viele in Deutschland nicht integrierbare Kinder würden aus dem Ausland kommen, wenn das Nachzugsalter nicht gesenkt werde:

    Wir haben vor etlichen Jahren über das Bundesinstitut für Berufsbildung eine Studie erstellen lassen, die verglichen hat, türkische Kinder hier und Kinder in der Türkei, die in der Türkei die Schule gemacht haben und die dann nach der Schule in die Bundesrepublik gekommen sind. Und da hat sich herausgestellt, dass die Kinder, die in der Türkei die Schule beendet haben, mit dem 25. Lebensjahr besser integriert sind als Kinder, die hier zur Schule gegangen sind. Insofern ist es auch integrationspolitisch Unsinn, wenn der Kindernachzug jetzt noch reduziert wird und auf zwölf reduziert wird. Weil das bedeutet, dass sie aus der Schulpflicht in den verschiedenen Ländern herausgerissen werden.

    Das deutsche Ausländerrecht ist auch in anderen Bereichen enger gefasst als die UNO-Konvention. Denn diese verbietet ausdrücklich, Ausländer abzuschieben, wenn sie arbeitslos werden und Sozialhilfe beziehen. Der Migrationswissenschaftler Steffen Angenendt:

    Es ist sicherlich auch richtig, dass die Zahl der Ausweisungsbeschlüsse aufgrund von Sozialhilfebezug zugenommen hat. Dahinter steckt natürlich schon die Überlegung, dass man zwar Leute, die unverschuldet in Arbeitslosigkeit fallen, nicht durch das soziale Netz fallen lässt, dass man sich aber – ich formuliere das mal flapsig - Leute vom Hals schaffen will, die sich im deutschen Sozialsystem dann ausruhen wollen. Das ist ja so die Standardargumentation, die von allen Regierungen vertreten worden ist. Ich vermute mal, dass das zunehmen wird, diese Ausweisungen aufgrund von Sozialhilfebezug. Und dass da natürlich die Konvention, wenn solche Regelungen eben umgesetzt würden, eben eine Grenze setzen würden, dass das nicht mehr so leicht möglich würde.

    Auch Ausländer, die schon lange Jahre in Deutschland leben, dürfen nach deutschem Recht abgeschoben werden, falls sie noch keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus erreicht haben. Leo Monz vom Bildungswerk des DGB:

    Es ist ein Damoklesschwert, es wird aber zunehmend auch von Behörden auch insbesondere gegen EU-Staatsangehörige angewandt. Wir haben eine ganze Reihe von Beispielen gerade aus Baden-Württemberg, wo versucht wird, das richtig ordentlich durchzusetzen. Und unsere Kampagne "Jetzt handeln", wo es also darum geht, beantragt die Aufenthaltsberechtigung und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, ist ja genau die Antwort. Ich denke mal, dass es viele Menschen gibt, die einen Anspruch auf Sozialhilfe haben in Deutschland, die aber diesen Anspruch nicht wahrnehmen. Nicht nur wie bei Deutschen aus Scham, sondern die Angst haben vor den ausländerrechtlichen Benachteiligungen. Und auch da ist wiederum die Umkehr: Die Konvention geht davon aus, dass Wanderungsbewegung der Normalfall ist. Und dass man den Normalfall sozial absichert und regelt.

    Überhaupt ist der ganze Ansatz der UNO-Wanderarbeiterkonvention geradezu revolutionär für das deutsche Ausländerrecht: die Menschenrechte sind unteilbar und gelten für alle gleich, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. So werden von der Konvention auch Migranten geschützt, die sich ohne staatliche Erlaubnis in einem Land aufhalten und dort arbeiten. Sie haben dasselbe Recht wie alle: auf Gesundheitsversorgung, Bildung und Ausbildung und darauf, vorenthaltenen Lohn gerichtlich einzuklagen.

    Die Süßmuthkommission hatte ebenfalls vorgeschlagen, den sogenannten Illegalen diese Rechte zu gewähren. Doch die Bundesregierung ist diesem Vorschlag nicht gefolgt. So werden auch weiterhin illegale Migranten immer wieder eingesetzt, um Lohnstrukturen und Arbeitsbedingungen zu unterlaufen. Christa Nickels, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Deutschen Bundestag:

    Die Tatsache, dass Menschen illegal hier beschäftigt werden, führt dazu, dass auch anständige Arbeitgeber in einer harten Konkurrenz, wo ja auch EU-weit ausgeschrieben wird, sich einfach schlechter stellen, am Markt nicht die gleichen Möglichkeiten haben. Wenn man diese Mindestschutzstandards nicht schafft, dann verewigt man im Grund dunkle Strukturen, die den Humus gerade bilden für Bandenkriminalität internationaler Art. Ich weiß nur, dass das Verweigern der Beschulung von Kindern, von Versorgung Kranker und eben auch das Recht, einen Lohn einzuklagen, uns selber auf die Füße fällt, wenn man schon nicht die Menschenrechte für die Betroffenen einklagen will.

    Aber mit ihrer Forderung an die Bundesregierung, die UNO-Wanderarbeiterkonvention zu unterzeichnen, konnte sich die grüne Bundestagsabgeordnete Christa Nickels nicht durchsetzen. Obwohl auch der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages im März dies in zwei Resolutionsentwürfen vorgeschlagen hatte:

    Aber wir sind in der Sache nicht weitergekommen. Das merkt man daran, dass wir eben bei zwei Anträgen, die wir hier auch maßgeblich von Seiten der Menschenrechtspolitiker der Koalitionsfraktionen erarbeitet haben – einmal zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten, wo wir inumerativ die Konventionen aufgezählt haben, die wir von unserer Regierung gerne ratifiziert hätten – wo die wieder rausgeworfen worden sind von Seiten der zuständigen Ministerien. Aber eben auch bei dem Antrag "Menschenrechtspolitik als Leitlinie deutscher Politik", wo hier auch noch mal die Verweise darauf wieder entfernt werden mussten, und insgesamt vom Innenminister alles, was den Gesamtbereich Illegale betrifft, gestrichen worden ist. Wir haben in zwei Fußnoten das noch gerettet, mit Verweis auf die Süßmuth-Kommission.

    Dort in den Fußnoten würden die Verweise sicherlich keine große Wirkungsmacht entfalten, meint Steffen Angenendt von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Seine Vermutung: Das Bundesinnenministerium blockiere die Diskussion um die Konvention. Dessen Hoffnung sei, dass die Rechtlosigkeit illegaler Migranten in Deutschland, die aus Sicht der Kritiker völkerrechtlich rückständig ist, andere davon abhalten werde, hierher zu kommen:

    Wenn sich herausstellt, dass eben regelmäßig solche Löhne, solche Gehälter eben nicht gezahlt werden und dass eben keine Möglichkeit besteht, die einzuklagen, spricht sich das sehr wohl rum. Und ich vermute mal, dass die Bundesregierung diesen Abschreckungseffekt sehr wohl auch in Kauf nimmt.

    Bernhard Schwarzkopf, Zuwanderungsexperte bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, hält es nicht für erforderlich, dass so genannte Illegale auch hierzulande eine Rechtssicherheit erhalten, wie sie die UNO-Konvention vorsieht. Er verurteilt zwar, wenn Arbeitgeber die Rechtlosigkeit dieser Migranten ausnutzen. Aber Schutzbestimmungen wolle sein Verband trotzdem nicht. Begründung:

    Das würde nur weitere "Illegale" nach Deutschland locken. Außerdem werde sich die Beschäftigung von Illegalen ohnehin erübrigen, wenn die Rahmenbedingungen für die Entlohnung und soziale Absicherung von Beschäftigten generell geändert seien. Bernhard Schwarzkopf:

    Wenn wir aber illegale Beschäftigung haben, dann müssen wir uns schon fragen, woran das liegt. Und das liegt an den Rahmenbedingungen für Beschäftigung hier in Deutschland, das liegt an der hohen Abgabenbelastung, an der hohen Steuerbelastung. Und dort ist natürlich der Staat auch gefordert, entsprechend günstigere Rahmenbedingungen für Beschäftigung zu setzen.

    "Günstigere Rahmenbedingungen für Beschäftigung". Nach Ansicht des Gewerkschafters Volker Roßocha sind Wirtschaft und Arbeitgeber auf diesem Weg schon weit fortgeschritten – etwa durch den vielfachen Einsatz von illegalen Migranten besonders in der Bauindustrie, dem Reinigungsgewerbe oder in der Gastronomie. Aber auch dadurch, dass ganz legal so genannte "Entsendearbeitnehmer" quer durch Europa geschickt werden und als Billigarbeiter Arbeitnehmerrechte und Lohngefüge untergraben. 200.000 solcher Beschäftigten sind allein in Deutschland eingesetzt. Ihren Schutz gewährleistet auch die UNO-Wanderarbeiterkonvention nicht. Trotz dieses Mangels begrüßen die Gewerkschaften, so Leo Monz, die Konvention:

    Es gäbe eine andere Debatte, wenn das Bild von Migration sich in Deutschland insofern ändern würde, wie es der Konvention entspricht, nämlich dass man ausgeht von den Rechten von einzelnen Menschen. Und dass man dementsprechend dann Migration organisiert, auch sozial gestaltet.

    Ähnliche Hoffnungen verbindet der Migrationswissenschaftler Steffen Angenendt mit der UNO-Konvention:

    Ich finde, solche Konventionen sind von ihrer Bedeutung her nicht zu unterschätzen. Ich würde nicht erwarten, dass sich eine der nächsten Regierungen jetzt nun zur Ratifikation entschließt, sozusagen aus eigenem Antrieb. Aber man darf ja nicht vergessen, dass wir in Staaten leben, in denen die öffentliche Meinung und die Mobilisierung durch Interessengruppen einen sehr starken Einfluss auf Politik hat. Wenn die Konvention in der Welt ist, wenn sie in Kraft getreten ist, zunächst für diese 20 Staaten, dann ist das ein Punkt, auf den politischen Aktivisten, Gruppierungen, Interessenverbände immer wieder zurückgreifen können und sagen können: Hier ist die Konvention. Verhaltet Euch dazu, tretet bei und akzeptiert die se Standards.