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Unruhe im Élysée

Nach den empfindlichen Stimmenverlusten für Nicolas Sarkozys Konservative bei den französischen Kommunalwahlen brodelt die Gerüchteküche: Welche Veränderungen plant Präsident Sarkozy in der Machtzentrale Élysée? Im einflussreichen Beraterstab müssen einige Insider um ihre Macht bangen. Burkhard Birke berichtet.

    Der Kardinal darf bleiben, aber andere könnten gehen. Noch ohne den genauen Ausgang der ersten Runde der Kommunalwahl zu kennen, hatte Präsident Sarkozy im Interview mit der Tageszeitung "Le Figaro" klargestellt: Weder Premierminister Fillon noch sein Schatten im Élyséepalast, Generalssekretär Guéant, werden ausgetauscht.

    Und dennoch brodelt es in der Gerüchteküche: Wenn schon keine Kabinettsumbildung, um Kontinuität für die französische EU-Präsidentschaft zu gewährleisten, dann doch wenigstens Veränderungen in der Machtzentrale Élysée? Angeführt wird das bis zu 100 Frauen und Männer starke Beraterteam im Präsidentenpalast von Generalsekretär Claude Guéant.

    Kardinal, so wird Sarkozys langjähriger Weggefährte andachtsvoll in Anlehnung an Richelieu genannt. Und wie sein berühmter Spitznamensgeber besitzt Guéant das Ohr des Mächtigen und Macht, weshalb man ihn auch Schatten-Premierminister nennt:

    "Es ist schon vorgekommen, dass ich dem ein oder anderen Minister gegenüber einige Anmerkungen gemacht habe, aber im Namen des Präsidenten, denn ich selbst habe gar keine eigene Legitimierung."

    Da seine engsten Berater besser als er platziert seien, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen lässt Präsident Sarkozy ihnen die lange Leine und sie reden. Nicht alle versteht sich, aber das Dutzend, das zum Epizentrum der Macht gehört. So viel Demonstration der Macht aus dem Elysée hat es noch nie in der Fünften Republik gegeben, und die Freiheit führt auch zu Verwerfungen.

    Denn nicht alle geben sich so geschickt und konziliant wie etwa Sozialberater Raymond Soubie, der letzten Herbst während des Streiks sicht- und hörbar bemüht war, die Wogen der Entrüstung zu glätten. Da plaudert Kabinettsdirektorin Emmanuelle Mignon Mal locker im Interview über die Sekten, die null Problem in Frankreich seien. Da verkündet der Generalssekretär Claude Guéant die Anhebung der Mindestrenten, was eigentlich Aufgabe des Premierministers gewesen wäre.

    Jean David Levitte, französischer UN-Botschafter am 11. September 2001, führt im Elysée ein regelrechtes Miniaußenministerium mit zwölf Spezialisten. Die Politik der Öffnung mit dem Ex-Sozialisten Kouchner als offiziellem Chefdiplomaten wirkt insofern immer mehr als PR-Gag, zumal da noch Sarkozys Redenschreiber und Verfechter der Mittelmeerunion, Henri Guaino, kräftig ins Aufgabengebiet des Außenministers hineindirigiert.

    "Ich hatte einfach eine andere Auffassung über Europa, aber ich bin genauso Europäer wie die anderen - nur eben kein Föderalist."

    Guaino ist Euroskeptiker und hält auch nicht mit seiner Meinung hinter den Berg. Das alles führt zu Kommunikations- und zu Imageproblemen. Und die lastet die Öffentlichkeit dem Präsidenten an, der stets den Anschein erweckt, alles an sich reißen zu wollen. Sarkozys Stern ist abgestürzt: Seine Omnipräsenz, letzthin weniger als Krisenmanager, denn als frisch Verliebter, wird zur Last. Der eher zurückhaltend agierende, bieder wirkende Premierminister Francois Fillon ist zum Publikumsliebling unter den Politikern aufgestiegen.

    Klar, dass Sarkozy ihn nicht feuern oder wegloben kann, auch wenn behauptet wird, er hätte gerne den Kardinal zum Premierminister und seinen Trauzeugen Nicolas Bazire vom Luxuskonzern Louis Vuiton zum Elysée- Generalsekretär gekürt-

    Er sei glücklich mit dem, was er jetzt täte, und habe keine anderen Ambitionen, beteuert Guéant stets aufs Neue. Wer also muss den Hut nehmen?

    Sowohl Kabinettsdirektorin Mignon als auch Sprecher Martinon gelten als abschussfähig. Martinon ist nicht nur als Günstling von Ex-Frau Cecilia in Ungnade gefallen. Zuerst von Sarkozy als Bürgermeisterkandidat für den Pariser Nobelvorort Neuilly ins Spiel gebracht, wurde er nach der ersten negativen Umfrage wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen.

    "Ich habe dem Präsidenten auch meinen Rücktritt als Sprecher angeboten. Der hat ablehnt."

    Damals, aber heute? Gleich wie umfassend das Stühlerücken im Elysée wird, die eigentliche Schwierigkeit sei, dass Sarkozy sein eigenes Verhalten ändern müsse, meint Alex Brezet, Chef des "Figaro Magazins":

    "Er muss erstens sein Image ändern, nicht mehr alles allein machen und zweitens sein ganzes Auftreten ändern."

    Leicht gesagt, schwer umzusetzen: Und würde den Franzosen denn nicht etwas fehlen, wenn sie ihren täglichen Sarkozy nicht mehr im Fernsehen hätten?