"Es ist klein und schwarz und es bewegt sich. Wenn jemand so etwas Schwarzes sieht und es bewegt sich nicht, dann ist es nur ein Stückchen Eis."
Ob ich denn wirklich mit auf Robbenjagd fahren will, hatte Bendt Abelsen nochmals gefragt. Der Grönländer, Mitte 40, weiß um die Empfindlichkeiten von Mitteleuropäern, was die Meeressäuger betrifft. Wieder ein schwarzes Dreieck, das sich beim Näherkommen als schmutziges Eisstück entpuppt. Wie erkennt man eine Robbe im Wasser? Alle paar Stunden muss eine Robbe auftauchen, um Luft zu schnappen. Zwei Gewehre liegen auf der Rückbank des Motorbootes.
Das Dorf Kulusuk, dessen bunte Häuser auf einer hügeligen Landzunge verteilt sind, liegt bald hinter uns. Das Dreitausendseelennest würde dieses traurige Ende-der-Welt-Gefühl verströmen, gäbe es nicht die Bucht mit den treibenden Eisbergen, das Sommerlicht und einen strahlend blauen Himmel mit vom Wind geschliffenen Wolken.
Mit an Bord sind auch der Jäger Villem und Bendts Sohn, beide im Jagdfieber. Robbenfang war früher die wichtigste Beschäftigung der Inuit. Die Auswirkungen der gut gemeinten Kampagnen gegen die brutale Babyrobbentötung in Kanada in den 70er- und 80er-Jahren bekommen die Inuit jedoch immer noch zu spüren. Mit Robbenfellen lässt sich kaum etwas verdienen. Es gibt außerdem ein Importverbot für Robbenprodukte der EU. In Ostgrönland ist die Robbenjagd aber auch immer noch ein Beruf. Bendt Abelsen:
"Mein Sohn ist jetzt 16. In diesem Alter beginnt ein Junge zu lernen, wie man Robben jagt. Ich habe zu ihm gesagt: Geh mit Villem, deinem Cousin. Der ist ein guter Jäger. Da kann er was lernen."
Früher war ein Grönländer erst ein Mann, wenn er ein guter Robbenjäger geworden war. Heute ist ein Job bei der Verwaltung die bessere Lebensversicherung. Bendt Abelsen arbeitet hauptberuflich im Postamt von Kulusuk. Nur am Wochenende fährt er raus zur Robbenjagd.
Das Boot nimmt fahrt auf. Villem, der Mann am Steuer, hat Robben gesichtet. Gekonnt prescht er an riesigen Eisbergen vorbei, die im Inneren leuchtend blau schimmern. Doch Eisschollen, dicht an dicht, zwingen ihn wieder langsamer zu fahren. Hier, wenige Kilometer südlich des Polarkreises, versperrt Treibeis aus dem Nordpolarmeer die meiste Zeit die Wasserstraßen zwischen den vorgelagerten Inseln und der Küste. Der Osten Grönlands ist deshalb noch dünner besiedelt als der Westen. Nur etwa 3500 Menschen leben hier. Außer in der Region um Kulusuk und dem größeren Ort Tassilaq gibt es nur eine weitere Küstensiedlung 800 Kilometer weit im Norden, die im Sommer eisfrei ist.
Alle halten Ausschau nach schwarzen Punkten im Wasser. Jedes Mal entpuppt es sich als Eis. Die Boote, die rund um die Insel Kulusuk unterwegs sind, stehen miteinander in Funkkontakt. Bendt Abelsen
"Wir Grönländer wissen, ein Schatten im Wasser in dieser Länge und in Bewegung, das ist eine Robbe. Wir können schmutziges Meereis und Robben leicht unterscheiden."
Der Pfiff soll die Robben anlocken. Villem manövriert das Motorboot langsam zwischen treibenden Eisschollen vorbei, um sich der Beute zu nähern. Dann klettert er plötzlich auf den Fahrersitz des Boots und legt an. Beim ersten Schuss versucht die Robbe über ein Eisstück zu flüchten. Villem legt wieder an - und trifft. Bendt Abelsen:
"Wir zielen immer auf den Kopf, nicht tiefer, damit die Robbe sofort tot ist und nicht viel Blut verliert. Niemals dürfen wir die Schulter treffen. Ist sie tot, müssen wir sie schnell aus dem Wasser fischen. "
Sonst versinkt die tote Robbe. Bendt Abelsen:
"Von Juni bis August versinken sie besonders schnell, weil sie mager sind. Aber dann, im September, Oktober sind sie fett und schwimmen länger oben."
Eine Lache hellrotes Blut schwimmt im türkisblauen Wasser. Mit einem Haken wird die Robbe aufs Boot gezogen und mit einer Schnur an einer Flosse am Heck neben dem Außenborder festgebunden. Ich bin froh, dass all die anderen Robben, die sich hier anscheinend tummeln, rechtzeitig abtauchen. Grönländer jagen aber nur ausgewachsene Tiere, und nur so viele wie sie brauchen, heißt es.
Der Sommer ist eigentlich nicht die beste Zeit der Robbenjagd, sagt Bendt. Im Winter fahren die Inuit mit Hundeschlitten an die Eiskante und schießen von dort auf Robben. Schon ab September gibt es Nachtfrost und im Dezember beginnt die Polarnacht. Eine unendlich weite Schnee und Eislandschaft bedeckt dann Fjorde und Berge. Bendt Abelsen:
"Wir transportieren immer auch ein Kajak auf dem Hundeschlitten. Nach rund 40 Kilometern erreichen wir die Eiskante und das offene Meer. Dort tummeln sich die Robben. Wir versuchen auf etwa auf 20 Meter an sie heranzukommen, schießen, paddeln dann schnell zu ihnen hin und holen sie aufs Eis."
Bei dieser Aktion sollte der Jäger aber nicht ins Wasser fallen. Wellengang und Eisbrocken können ein wackeliges Kajak leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Die Eskimorolle, um selbst nach einem Kippen des Kajaks wieder mit dem Kopf über Wasser zu gelangen, könnte überlebenswichtig sein. Aber:
"Das Meer ist im Winter eiskalt und wir würden in kurzer Zeit erfrieren. Aber solche Unfälle sind selten. In einem Nachbardorf konnte ein Jäger nicht an die Robbe herankommen und fiel ins Wasser, habe ich gehört. Einer kam und rettete ihn. "
Das Meereis friert jedoch immer später und ist oft nicht dick genug, um die Schlitten zu tragen. Die Inuit sind auch Spezialisten, was das Wetter betrifft. Viele hören zwar heute, ehe sie zur Jagd gehen, den Wetterbericht im Radio, aber auch alte Techniken der Vorhersage werden von Generation zu Generation weitergegeben. Bendt Abelsen:
"Als ich etwa zehn war, erklärte mir mein Vater, selbst wenn der Himmel überwiegend blau ist, sobald du eine schmale dunkle Wolke siehst, kehre sofort um. Dann gibt es Sturm. Und schaue auch aufs Wasser. Bei plötzlichem Wellengang musst du auch mit Sturm rechnen. Vor etwa 20 Jahren passierte es dann. Ich war mit meinem Vater und meinem Schwiegervater unterwegs. Die schwarze Wolke über den Bergen war unübersehbar, aber auch die vielen Robben im Wasser. Wir dachten, der Sturm kommt sicher erst später und wir erlegten viele Robben. Das Ergebnis war, dass wir es nicht mehr nach Hause schafften und drei Tage wegen eines Schneesturms in einer Höhle verbrachten."
Wettervorhersagen sind heute schwieriger geworden, denn das Wetter in der Arktis ist weniger stabil als früher. Nun ändert es sich von Jahr zu Jahr. In diesem Sommer regnet es viel zu wenig. Jeden Tag wölbt sich ein blauer Himmel über die schroffe Gebirgsland und die Küste. Gleichzeitig versperren Eisberge und Treibeis den Weg in einige Fjorde, die früher frei waren, und somit zu den Jagdgebieten.
Die Schlittenhunde liegen während des Sommers an Ketten. Auch die Welpen sind schon angebunden und das oft weit entfernt von der Mutter. Immer wieder unterbricht ihr Jaulen und markerschütterndes Bellen die Dorfstille. Schlittenhunde sind aber Arbeitstiere. Lange wackelige Holztreppen führen hoch zu den Häusern. Sie stehen nicht auf Stelzen, sondern auf Betonsockeln, die im Fels verankert sind und im Winter unter Schneebergen verschwinden. Vor der Tür zerschneidet Bendt die erlegte Robbe in kleine Stücke, die dann über ein Holzgestell gehängt werden.
"Der Sommer ist die beste Jahreszeit, das Fleisch zu trockenen. Nur wenn wir viele Robben fangen, frieren wir sie für den Winter ein. Aber lieber essen wir es getrocknet, mit Fett. Das schmeckt gut!"
Auch die Hunde werden mit Robbenfleisch gefüttert. Der fast weiße Speck war früher Brennstoff der flachen Lampen, auf denen auch gekocht wurde. Ohne Robben oder Wale hätten die Inuit in der Arktis nicht überleben können. Von Seehundfleisch werde einem richtig warm, behauptet Bendt. An einem echt grönländischen Mittagsbüffet beim Nachbarn kann ich es selbst probieren. Selbst roh schmeckt Robbenfleisch nicht unangenehm. Es ist fast schwarz, hat die Konsistenz von Fleisch und den Geruch von Fisch. Am Grönlandbüfett gibt es auch gekochtes Eisbärenfleisch. Bis zu 20 der größten Landsäugetiere dürfen pro Jahr von hauptberuflichen Jägern in Kulusuk geschossen werden. Eisbärenfleisch hat angeblich viele Vitamine. Auch Walfang ist nur etwas für Inuit mit Lizenz. Bendt schneidet rohen Walspeck in winzige Würfel, damit er ihn besser kauen kann, und streut Suppenwürze darüber.
"Unsere Lieblingsessen ist Narwalspeck, gefolgt von Eisbärenfleisch, der Nummer zwei. So etwas mögen wir."
So ein echtes Grönlandbüfett ist aber mittlerweile nur etwas für Festtage.
Viele Inuit können sich kein Boot leisten und sind auf Almosen angewiesen. Der Supermarkt ist der einzige Ort, an dem man das Geld dann ausgeben kann. Für Nudeln oder Reis, Dosen mit Softdrinks oder Bier, Schokolade, oder Früchten aus dem Süden. Der Verpackungsmüll wandert ins Meer. Die Inuit leben seit der Ankunft der Weißen und deren Lebensphilosophie mit jedem Bein in einer anderen Welt.
"Ich gehe gerne mit Touristen zur Jagd, ob im Boot oder mit dem Hundeschlitten. Die Woche über findet man mich im Postamt, aber am Wochenende muss ich raus aus dem Dorf, um die Landschaft zu genießen."
Ob ich denn wirklich mit auf Robbenjagd fahren will, hatte Bendt Abelsen nochmals gefragt. Der Grönländer, Mitte 40, weiß um die Empfindlichkeiten von Mitteleuropäern, was die Meeressäuger betrifft. Wieder ein schwarzes Dreieck, das sich beim Näherkommen als schmutziges Eisstück entpuppt. Wie erkennt man eine Robbe im Wasser? Alle paar Stunden muss eine Robbe auftauchen, um Luft zu schnappen. Zwei Gewehre liegen auf der Rückbank des Motorbootes.
Das Dorf Kulusuk, dessen bunte Häuser auf einer hügeligen Landzunge verteilt sind, liegt bald hinter uns. Das Dreitausendseelennest würde dieses traurige Ende-der-Welt-Gefühl verströmen, gäbe es nicht die Bucht mit den treibenden Eisbergen, das Sommerlicht und einen strahlend blauen Himmel mit vom Wind geschliffenen Wolken.
Mit an Bord sind auch der Jäger Villem und Bendts Sohn, beide im Jagdfieber. Robbenfang war früher die wichtigste Beschäftigung der Inuit. Die Auswirkungen der gut gemeinten Kampagnen gegen die brutale Babyrobbentötung in Kanada in den 70er- und 80er-Jahren bekommen die Inuit jedoch immer noch zu spüren. Mit Robbenfellen lässt sich kaum etwas verdienen. Es gibt außerdem ein Importverbot für Robbenprodukte der EU. In Ostgrönland ist die Robbenjagd aber auch immer noch ein Beruf. Bendt Abelsen:
"Mein Sohn ist jetzt 16. In diesem Alter beginnt ein Junge zu lernen, wie man Robben jagt. Ich habe zu ihm gesagt: Geh mit Villem, deinem Cousin. Der ist ein guter Jäger. Da kann er was lernen."
Früher war ein Grönländer erst ein Mann, wenn er ein guter Robbenjäger geworden war. Heute ist ein Job bei der Verwaltung die bessere Lebensversicherung. Bendt Abelsen arbeitet hauptberuflich im Postamt von Kulusuk. Nur am Wochenende fährt er raus zur Robbenjagd.
Das Boot nimmt fahrt auf. Villem, der Mann am Steuer, hat Robben gesichtet. Gekonnt prescht er an riesigen Eisbergen vorbei, die im Inneren leuchtend blau schimmern. Doch Eisschollen, dicht an dicht, zwingen ihn wieder langsamer zu fahren. Hier, wenige Kilometer südlich des Polarkreises, versperrt Treibeis aus dem Nordpolarmeer die meiste Zeit die Wasserstraßen zwischen den vorgelagerten Inseln und der Küste. Der Osten Grönlands ist deshalb noch dünner besiedelt als der Westen. Nur etwa 3500 Menschen leben hier. Außer in der Region um Kulusuk und dem größeren Ort Tassilaq gibt es nur eine weitere Küstensiedlung 800 Kilometer weit im Norden, die im Sommer eisfrei ist.
Alle halten Ausschau nach schwarzen Punkten im Wasser. Jedes Mal entpuppt es sich als Eis. Die Boote, die rund um die Insel Kulusuk unterwegs sind, stehen miteinander in Funkkontakt. Bendt Abelsen
"Wir Grönländer wissen, ein Schatten im Wasser in dieser Länge und in Bewegung, das ist eine Robbe. Wir können schmutziges Meereis und Robben leicht unterscheiden."
Der Pfiff soll die Robben anlocken. Villem manövriert das Motorboot langsam zwischen treibenden Eisschollen vorbei, um sich der Beute zu nähern. Dann klettert er plötzlich auf den Fahrersitz des Boots und legt an. Beim ersten Schuss versucht die Robbe über ein Eisstück zu flüchten. Villem legt wieder an - und trifft. Bendt Abelsen:
"Wir zielen immer auf den Kopf, nicht tiefer, damit die Robbe sofort tot ist und nicht viel Blut verliert. Niemals dürfen wir die Schulter treffen. Ist sie tot, müssen wir sie schnell aus dem Wasser fischen. "
Sonst versinkt die tote Robbe. Bendt Abelsen:
"Von Juni bis August versinken sie besonders schnell, weil sie mager sind. Aber dann, im September, Oktober sind sie fett und schwimmen länger oben."
Eine Lache hellrotes Blut schwimmt im türkisblauen Wasser. Mit einem Haken wird die Robbe aufs Boot gezogen und mit einer Schnur an einer Flosse am Heck neben dem Außenborder festgebunden. Ich bin froh, dass all die anderen Robben, die sich hier anscheinend tummeln, rechtzeitig abtauchen. Grönländer jagen aber nur ausgewachsene Tiere, und nur so viele wie sie brauchen, heißt es.
Der Sommer ist eigentlich nicht die beste Zeit der Robbenjagd, sagt Bendt. Im Winter fahren die Inuit mit Hundeschlitten an die Eiskante und schießen von dort auf Robben. Schon ab September gibt es Nachtfrost und im Dezember beginnt die Polarnacht. Eine unendlich weite Schnee und Eislandschaft bedeckt dann Fjorde und Berge. Bendt Abelsen:
"Wir transportieren immer auch ein Kajak auf dem Hundeschlitten. Nach rund 40 Kilometern erreichen wir die Eiskante und das offene Meer. Dort tummeln sich die Robben. Wir versuchen auf etwa auf 20 Meter an sie heranzukommen, schießen, paddeln dann schnell zu ihnen hin und holen sie aufs Eis."
Bei dieser Aktion sollte der Jäger aber nicht ins Wasser fallen. Wellengang und Eisbrocken können ein wackeliges Kajak leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Die Eskimorolle, um selbst nach einem Kippen des Kajaks wieder mit dem Kopf über Wasser zu gelangen, könnte überlebenswichtig sein. Aber:
"Das Meer ist im Winter eiskalt und wir würden in kurzer Zeit erfrieren. Aber solche Unfälle sind selten. In einem Nachbardorf konnte ein Jäger nicht an die Robbe herankommen und fiel ins Wasser, habe ich gehört. Einer kam und rettete ihn. "
Das Meereis friert jedoch immer später und ist oft nicht dick genug, um die Schlitten zu tragen. Die Inuit sind auch Spezialisten, was das Wetter betrifft. Viele hören zwar heute, ehe sie zur Jagd gehen, den Wetterbericht im Radio, aber auch alte Techniken der Vorhersage werden von Generation zu Generation weitergegeben. Bendt Abelsen:
"Als ich etwa zehn war, erklärte mir mein Vater, selbst wenn der Himmel überwiegend blau ist, sobald du eine schmale dunkle Wolke siehst, kehre sofort um. Dann gibt es Sturm. Und schaue auch aufs Wasser. Bei plötzlichem Wellengang musst du auch mit Sturm rechnen. Vor etwa 20 Jahren passierte es dann. Ich war mit meinem Vater und meinem Schwiegervater unterwegs. Die schwarze Wolke über den Bergen war unübersehbar, aber auch die vielen Robben im Wasser. Wir dachten, der Sturm kommt sicher erst später und wir erlegten viele Robben. Das Ergebnis war, dass wir es nicht mehr nach Hause schafften und drei Tage wegen eines Schneesturms in einer Höhle verbrachten."
Wettervorhersagen sind heute schwieriger geworden, denn das Wetter in der Arktis ist weniger stabil als früher. Nun ändert es sich von Jahr zu Jahr. In diesem Sommer regnet es viel zu wenig. Jeden Tag wölbt sich ein blauer Himmel über die schroffe Gebirgsland und die Küste. Gleichzeitig versperren Eisberge und Treibeis den Weg in einige Fjorde, die früher frei waren, und somit zu den Jagdgebieten.
Die Schlittenhunde liegen während des Sommers an Ketten. Auch die Welpen sind schon angebunden und das oft weit entfernt von der Mutter. Immer wieder unterbricht ihr Jaulen und markerschütterndes Bellen die Dorfstille. Schlittenhunde sind aber Arbeitstiere. Lange wackelige Holztreppen führen hoch zu den Häusern. Sie stehen nicht auf Stelzen, sondern auf Betonsockeln, die im Fels verankert sind und im Winter unter Schneebergen verschwinden. Vor der Tür zerschneidet Bendt die erlegte Robbe in kleine Stücke, die dann über ein Holzgestell gehängt werden.
"Der Sommer ist die beste Jahreszeit, das Fleisch zu trockenen. Nur wenn wir viele Robben fangen, frieren wir sie für den Winter ein. Aber lieber essen wir es getrocknet, mit Fett. Das schmeckt gut!"
Auch die Hunde werden mit Robbenfleisch gefüttert. Der fast weiße Speck war früher Brennstoff der flachen Lampen, auf denen auch gekocht wurde. Ohne Robben oder Wale hätten die Inuit in der Arktis nicht überleben können. Von Seehundfleisch werde einem richtig warm, behauptet Bendt. An einem echt grönländischen Mittagsbüffet beim Nachbarn kann ich es selbst probieren. Selbst roh schmeckt Robbenfleisch nicht unangenehm. Es ist fast schwarz, hat die Konsistenz von Fleisch und den Geruch von Fisch. Am Grönlandbüfett gibt es auch gekochtes Eisbärenfleisch. Bis zu 20 der größten Landsäugetiere dürfen pro Jahr von hauptberuflichen Jägern in Kulusuk geschossen werden. Eisbärenfleisch hat angeblich viele Vitamine. Auch Walfang ist nur etwas für Inuit mit Lizenz. Bendt schneidet rohen Walspeck in winzige Würfel, damit er ihn besser kauen kann, und streut Suppenwürze darüber.
"Unsere Lieblingsessen ist Narwalspeck, gefolgt von Eisbärenfleisch, der Nummer zwei. So etwas mögen wir."
So ein echtes Grönlandbüfett ist aber mittlerweile nur etwas für Festtage.
Viele Inuit können sich kein Boot leisten und sind auf Almosen angewiesen. Der Supermarkt ist der einzige Ort, an dem man das Geld dann ausgeben kann. Für Nudeln oder Reis, Dosen mit Softdrinks oder Bier, Schokolade, oder Früchten aus dem Süden. Der Verpackungsmüll wandert ins Meer. Die Inuit leben seit der Ankunft der Weißen und deren Lebensphilosophie mit jedem Bein in einer anderen Welt.
"Ich gehe gerne mit Touristen zur Jagd, ob im Boot oder mit dem Hundeschlitten. Die Woche über findet man mich im Postamt, aber am Wochenende muss ich raus aus dem Dorf, um die Landschaft zu genießen."