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Unsichtbar für den Schall

Physik.- Seit einigen Jahren gibt es Versuche mit Metamaterialien, die Lichtwellen um ein Objekt herumleiten. Die Gegenstände sollen dadurch unsichtbar werden. Ein Karlsruher Forscher hat nun ein Material entwickelt, das ein Objekt auch gegenüber Schallwellen unsichtbar macht.

Von Karl Urban |
    Schall breitet sich wellenförmig aus. Trifft er irgendwo auf ein Hindernis, wird er zurückgeworfen und verrät etwa einem Sonargerät die Position im Raum. Das zu verhindern, ist die Vision von Nicolas Stenger. Der Physiker vom Karlsruher Institut für Technologie hat eine akustische Tarnkappe entwickelt. Sie funktioniert in ihrer jetzigen Form in zwei Dimensionen: Der Physiker beobachtet mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, wie der Schall über eine dünne Din-A4-große Kunststoffplatte wandert, so wie Wellen durch ein langes Schwimmbecken. Für den akustischen Wellengang sorgen zwei kleine Lautsprecher am Anfang der Platte. Und ihnen gegenüber liegt die Tarnkappe, die in etwa die Maße einer Schallplatte hat.

    "Die Struktur ist einfach ein Zylinder oder ein Zirkel. In der Mitte gibt es das Objekt zu verstecken und rundherum gibt es die Tarnkappe ..."

    Schaltet Nicolas Stenger nun die Lautsprecher ein, beginnt die Tarnkappe ihre Arbeit. In einem Frequenzbereich zwischen 400 Hertz nahe dem Kammerton A und 200 Hertz wandert der Schall in parallelen Wellen durch die Kunststoffplatte. Am Ende treffen sie auf die ringförmige Struktur und laufen scheinbar einfach durch sie hindurch.

    Die Idee dahinter entstammt elektromagnetischen Tarnkappen, die Stengers Kollegen in den letzten Jahren etwa für Lichtwellen entwickelten. Sie funktionieren, weil ihre Oberflächen eine feine Struktur besitzen, weit unterhalb der Wellenlänge des Lichtes im Nanometerbereich. So fein strukturierte Oberflächen sind beim Schall aber gar nicht nötig, denn seine Wellenlänge liegt im Zentimeterbereich. Die tarnende Struktur entsteht im Experiment deshalb durch winzige Kügelchen eines Kunststoffs, die im Abstand weniger Millimeter in einen zweiten Kunststoff eingelassen sind. Allein dadurch wird der Schall richtungsabhängig abgeleitet.

    "Auf das Objekt zu, das ist langsamer und senkrecht dazu, das geht einfach schneller. Und das ist auch sehr interessant, weil die Wellenfront ist nach der Tarnkappe einfach gleich. Das heißt, als ob keine Tarnkappe, kein Objekt da wäre. Das ist eine ebene Welle, das bleibt eine ebene Welle."

    Doch eigentlich haben die Wellen in den Ringen der Tarnkappe eine weitere Strecke zurückzulegen als in der Luft außen herum. Deshalb wählte Nicolas Stenger mit dem aus Fußböden bekannten PVC einen eher harten Kunststoff, der den Schall schneller leitet als Luft. Die abbremsende Wirkung für jene Wellen, die dem getarnten Objekt zu nahe kommen, übernimmt dagegen das Polydimethylsiloxan oder kurz: PDMS. Dieses Silikongummi wird etwa genutzt, um den Rand von Waschbecken zu verfugen und besitzt vor allem ein viel geringere Schallgeschwindigkeit als das harte PVC. Beide Kunststoffe sind außerdem preisgünstig, was die Forschung daran erleichtert. Die akustische Tarnkappe ließe sich aber auch mit ganz anderen Materialien realisieren.

    "Es gibt da so viele Arten von Materialien mit verschiedenen mechanischen Eigenschaften. Es gibt da wirklich eine Welt zu entdecken. Man kann zum Beispiel auch Keramik verwenden, Stahl. Es gibt viele, viele verschiedene Möglichkeiten. Man braucht nur ein sehr hartes Material und ein anderes, das viel weicher ist."

    Bis die Tarnkappe auch dreidimensionale Objekte akustisch abschirmen kann, werden wohl noch einige Jahre vergehen. Außerdem muss der abschirmende Ring gerade noch dreimal dicker sein als das zu versteckende Objekt selbst. Für eine besondere Form der Schallwellen wäre aber schon eine zweidimensionale Tarnkappe genau das richtige: Denn bestimmte Erdbebenwellen, sogenannte Rayleigh-Wellen, pflanzen sich wie in Nicolas Stengers Experiment nur in zwei Dimensionen entlang der Erdoberfläche fort und gehören zu den zerstörerischen Begleiterscheinungen großer Beben. Würde man gefährdete Häuser oder sogar ganze Städte mit einer zweidimensionalen Tarnkappe umgeben, wären die Bewohner vor den schlimmsten Bebenfolgen abgeschirmt.