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Unsichtbare Professorin

Eigentlich war sie da, aber auch wieder nicht, im Grunde blieb sie drei Jahre lang unsichtbar: Eine Musikprofessorin der Uni Münster war über drei Jahre lang am Institut beschäftigt, tauchte in persona aber de facto nicht auf. Jetzt ist die Professorin endgültig weg, in Pension gegangen: mit 53.

Von Nicole Albers |
    "Aus Sicht der Unileitung begannen unsere Erfahrungen mit der Kollegin bei der Umsetzung von Bochum nach Münster, das hat ihr nicht gefallen, sie hat dagegen Rechtsmittel eingelegt, und das Gericht hat beschieden, dass sie hier anfangen müsse."

    … erzählt die Münsteraner Unirektorin Ursula Nelles. Solche Umbesetzungen passieren häufig, wenn Institute oder Zweige einer Hochschule aufgelöst werden. Dann verteilt das Wissenschaftsministerium Professoren auf andere Städte, auch gegen deren Willen, wie in diesem Falle.

    Der Komponist Richard Strauss ist das Steckenpferd der Beamtin. Über diesen Musiker und über noch vieles mehr sollte sie ab März 2006 am musikwissenschaftlichen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität lehren. Doch was sich dann abspielte, erzählt Institutsleiter Jürgen Heidrich, habe er noch nie erlebt:

    "Es gab praktisch gar keinen Umgang miteinander, sie ist, wenn sie überhaupt erschienen ist, zu Zeiten im Hause gewesen, da sie das Haus leer vermutete, also, sie ist allen aus dem Weg gegangen, insofern gab es keine Berührungspunkte."

    Denn auch bei den regelmäßigen Sitzungen ließ sie sich nicht blicken. Sehr zum Leidwesen ihrer Kollegen, denn das Institut ist sehr klein, entsprechend angewiesen auf jeden Mitarbeiter. Das Nichterscheinen der Kollegin habe für erhebliche Mehrarbeit gesorgt.

    "Natürlich hatte es Einfluss auf den Lehrbetrieb, da wo sonst drei Professoren diese Aufgaben wahrnehmen, waren es jetzt nur zwei, sei es im Hinblick auf die Lehre, im Blick auf Prüfungsleistungen, die zu erbringen waren, und solche Dinge."

    Das bekamen letztlich auch die Studierenden zu spüren, wie etwa Matthias Krämer und Moritz Panning.

    "Erfahrungen habe ich mit der Frau insofern gemacht, dass Seminare nicht stattgefunden haben, von Sprechstunden muss man nicht reden, leider war es dann so, dass die Seminare unstrukturiert waren, es gab keinen Seminarplan und das Ganze ging eigentlich nur für zwei, drei Wochen und dann wars das. Dann ist die werte Dame auch nicht mehr aufgetaucht."

    Gerade für Bachelor-Studierende kann so etwas schlimme Folgen haben, denn die sind auf jeden Leistungspunkt angewiesen, und die bekommen sie nur durch Seminarangebote mit Referaten, Hausarbeiten und Klausuren, erzählt Moritz Panning.

    "In großen Häusern können andere Professoren einspringen, wir haben das Problem, dass wir nur drei Professuren haben, dass wir relativ wenig Wahlalternativen haben, und alles was angeboten wir, muss belegt werden hier im Hause. Und wenn da jemand sagt, ich biete da nichts an, dann bringt das den ganzen Laden durcheinander."

    Um das etwas abzumildern, wurden zeitlich befristet Honorarkräfte eingestellt, auf Kosten der Universitätskasse. Außerdem wurde die Professorin immer wieder ermahnt, auch ihr Gehalt sollte gekürzt werden. Dazu kam es dann aber nicht, denn sie legte Beschwerde ein, und so entbrannte ein jahrelanger Rechtsstreit. Nun kam es zur Einigung.
    Die Wissenschaftlerin geht mit 53 Jahren in Frühpension. Für die Universität ein teurer Kompromiss, denn die bisher entstandenen Kosten werden auf knapp 100.000 Euro geschätzt. Dennoch ist Unirektorin Ursula Nelles zufrieden.

    "Wir sind auf diesen Vergleichsvorschlag eingegangen, weil er zugleich die Beendigung des Dienstverhältnisses beinhaltete, und damit haben wir zugleich die Chance, jetzt aus dem Budget für die Stelle tatsächlich einen neuen Professor einzustellen."

    Die Professorin erfuhr übrigens erst auf Nachfrage des Deutschlandfunks von der öffentlichen Kritik an ihrem Verhalten. Eine zunächst gegebene Interviewzusage zog sie nach Rücksprache mit ihren Anwälten wieder zurück.