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Unter den Linden tote Hummeln

Noch blühen die späten Linden und betören mit ihrem Duft nicht nur Menschen, sondern auch Hummeln und Bienen, die auch den Nektar aus Lindenblüten mögen. Aber manchmal findet man unter Linden viele tote Nektarsauger, vor allem Hummeln und Bienen. Haben sie sich etwa überfressen? Nein, sie sind verhungert, wie Bienenkundler herausgefunden haben.

Von Cajo Kutzbach |
    Dass Bienen und Hummeln tot unter einer prächtig duftenden Linde liegen, erscheint dem Laien unlogisch. Auch die Wissenschaft hat das neugierig gemacht. Peter Rosenkranz ist Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim in Stuttgart:

    Seit über zehn Jahren ist es ein Phänomen, was vor allem Kinder beschäftigt, wenn man auf dem Schulweg tote Hummeln oder Bienen unter den Linden sieht. Wir haben dazu Forschungsprojekte gestartet, vor allem Kollegen aus Münster, die dieses Phänomen untersucht haben. Man hat ja verschiedenen Theorien gehabt. Das eine, dass der Lindennektar giftig ist, das andere, dass die Hummeln irgendwelche Krankheiten haben. Im Endeffekt kam man ganz pauschal zu der Erkenntnis, dass die Hummeln in manchen Jahren in manchen Gebieten auf diesen Silberlinden, also diesen spät blühenden Linden regelrecht verhungern.

    Vor allem dann, wenn - wie in Städten um diese Jahreszeit oft - keine anderen Blütenpflanzen mehr blühen, die Bienen und Hummeln also auf die Linden angewiesen sind. Das Ganze ist auch deshalb sonderbar, weil die Honigsammler und die Blütenpflanzen normalerweise ein Geschäft auf Gegenseitigkeit machen: Ich bestäube dich, sorge also für Nachkommen und du gibst mir dafür Nektar, also Treibstoff zum Weiterfliegen. Offenbar hält sich die Linde manchmal nicht an diese Zusammenarbeit:

    In manchen Jahren gibt die Linde so wenig Nektar, dass pauschal gesagt, die Hummel mehr arbeitet, als Energie gewinnt und offensichtlich nicht in der Lage ist zu erkennen, dass das eigentlich sinnlos ist, was sie da veranstaltet und sich rechtzeitig zurück zieht, sondern so lang weiter arbeitet, bis sie runter fällt.

    Vor allem die Hummeln arbeiten so lange, bis der Treibstofftank leer ist und sie abstürzen. Offenbar lernen die Hummeln auch nicht aus diesem Misserfolg:

    Es gab ein paar nette Experimente, wo man zeigen kann, dass solche Hummeln, wenn sie runter fallen und sich noch bewegen, dass man die durch Zufütterung von Nektar dazu bringt, dass sie weiter fliegt. Dann fliegt sie wieder zurück in die Linde und das Spiel geht von vorne los.

    Man kann ihnen also auch mit Zuckerwasser nicht helfen. Dass die Hummeln besonders stark betroffen sind, könnte daran liegen, dass die Bienen, wenn sie erfolglos sind eher aufgeben und dann im Stock natürlich nicht empfehlen zur Linde zu fliegen, wie sie es täten, wären sie auf reiche Nektarquellen gestoßen. Es könnte auch eine Rolle spielen, dass Hummeln in kleineren Gruppen zusammen leben, so dass sich eine trügerische Linde nicht so schnell herum spricht.

    Es scheint auch so zu sein, dass spezifische Duftstoffe der Linde ganz besonders für die Hummeln attraktiv sind. Also da laufen auch noch, ob da vielleicht irgendwelche Duftstoffe dabei sind, die für die Hummeln eine besondere Bedeutung haben und die dann einfach nicht weg können, weil es so attraktiv ist, dass sie gar keine Chance haben sich zu entfernen.

    Warum die Linde sich so verhält, ist noch nicht erforscht, wie Botaniker der Universität Hohenheim bei einer Literaturrecherche fanden. Es könnte sogar sein, dass das ein Verhalten ist, dass nicht bloß Linden zeigen:

    Ich denke, das ist der Punkt. Die Linde ist sehr, sehr groß - häufig hat man darunter auch so halbbetonierte Flächen, wo man das auch sehr gut beobachten kann - und sie lockt Hummeln in einem sehr großen Umkreis an. Es sind eben nur die spät blühenden Linden. Es gibt auch andere Arten, die zu der Zeit dann blühen, wo man ähnliche Phänomene beobachten kann. Es gibt so ein paar andere Pflanzenarten, einige Rhododendronarten, die unverträglichen oder sogar giftigen Nektar produzieren. Wenn der dann in großen Mengen auftritt, kann es auch zu Problemen kommen. Aber das ist nichts, was regelmäßig auftritt.

    Dass es uns bei den spät blühenden Linden auffällt, läge dann einfach daran, dass die Bienen und Hummeln in dieser Jahreszeit und an diesem Standort keine anderen Blütenpflanzen finden.

    Die Botaniker vermuten, dass vielleicht Pflanzen, wie die Linde in Zeiten zu geringer Feuchtigkeit bei der Nektarproduktion knausern. Das würde erklären weshalb sich nicht alle Linden gleich verhalten, sondern der Standort und die dortige Bodenfeuchte eine Rolle spielen. Insgesamt beruhigt Peter Rosenkranz besorgte Bürger:

    Auch wenn das schlimm ist und nicht schön aussieht, wenn tote Hummeln darunter liegen, der Bestand ist dadurch auf keinen Fall gefährdet. Es ist nicht so, dass dadurch das Volk eingeht.

    Stimmt allerdings der Verdacht, dass das Feuchtigkeitsangebot und damit auch die Temperatur darüber entscheiden, wie viel Nektar Linden und vielleicht auch andere Pflanzen erzeugen, dann könnte dieses seit zehn Jahren beobachtete Phänomen in einem Zusammenhang mit der Klimaerwärmung stehen und Anlass zur Sorge bieten.