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Unter die Haut

Biologie.- Vor drei Jahren gelang es Wissenschaftlern erstmals, Hautzellen mithilfe der Gentechnik zu verjüngen. Forscher aus den USA schafften es nun sogar, iPS-Zellen ohne jegliche Gentechnik zu erzeugen. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Pasch: Die einst heftig umstrittenen embryonalen Stammzellen scheinen von der Entwicklung überholt zu werden. Immer öfter werden Fortschritte mit IPS-Zellen erzielt. Das sind die induzierten pluripotenten Stammzellen. Sie stammen aus gewöhnlichen Körperzellen. Der britische Molekularbiologe Ian Wilmut erzeugte kürzlich Leberzellen aus diesen reprogrammierten Stammzellen. Bei der praktischen Umsetzung sind allerdings noch viele technische Hürden zu meistern, bevor die Ärzte aus einem Stück Haut beliebiges Reparaturmaterial für den Körper gewinnen können. Die Zeitschrift "Stem Cells" berichtet jetzt von einem weiteren Schritt nach vorn. Erstmals gelang es Forschern aus den USA, die IPS-Zellen ohne jede Gentechnik zu erzeugen. Volkart Wildermuth hat sich die Arbeit angesehen. Warum ist denn das so wichtig, Volkart Wildermuth?

    Wildermuth: Diese neue Methode ist viel sanfter. Es ist ja gar nicht so einfach, die Zellen von Erwachsenen auf das Stadium des Embryos zurückzuführen. Eine Hautzelle zum Beispiel ist ja hoch spezialisiert, bildet spezielle Eiweiße, Kollagen zum Beispiel, ganz dichte Verbindungen, um diese Barrierefunktion der Haut zu gewährleisten. Die embryonalen Stammzellen sind da ganz anders. Die sind darauf spezialisiert, eben nicht spezialisiert zu sein. Die sind sozusagen in einem Schwebezustand zwischen den Schicksalen. Und dieser Schwebezustand wird von vier genetischen Hauptschaltern aufrecht erhalten. Und die ersten IPS-Zellen, die hat man erzeugt, indem man die Gene für diese Hauptschalter in die Zellen hineingebracht hat. Das hat funktioniert. Die wurden tatsächlich verjüngt. Aber es gibt ein Risiko bei dieser Methode. Dieses Risiko ist eben, dass vielleicht Krebs ausgelöst werden könnte. Das will man natürlich vermeiden. Und Professor Iqban Ahmad von der Universität von Nebraska hat deshalb nach Alternativen gesucht. Und er hat sich überlegt: Diese Hauptschalter-Gene gibt es ja in jeder Körperzelle. Die sind nur nicht aktiv. Und er hat von außen, über Botenstoffe sozusagen, einen Weckruf an diese Gene gerichtet und es ist ihm gelungen, sie zu aktivieren und dann eben IPS-Zellen herzustellen, ohne einen Gentransfer vornehmen zu müssen.

    Pasch: Das haben ja schon viele Forscher so versucht. Aber wie ist es ihm jetzt gelungen?

    Wildermuth: Erst einmal hat er sich das richtige Ausgangsmaterial ausgesucht. Die Hautzellen zum Beispiel sind ja schon sehr spezialisiert. Aber es gibt auch im Körper des Erwachsenen Zellen, die sozusagen näher am Embryo dran sind. Das sind die adulten Stammzellen. Iqban Ahmad arbeitet in einer Augenklinik. Und er beschäftigt sich mit den Zellen, die den Nachschub an Hornhautgewebe sicherstellen. Die Hornhaut bedeckt das Auge, die muss ständig nachgebildet werden. Diese Zellen, die sind an dem Übergang vom Augapfel auf die Innenseite der Augenlieder, die kann man ein kleines Stück rausnehmen, ohne dass die Versuchstiere, mit denen er gearbeitet hat, das waren Ratten, erblinden würden oder sonst Nachteile haben. Und diese Zellen hat er genommen, im Labor vermehrt und er hat dann Faktoren, Wachstumsfaktoren, dazugegeben von denen man wusste: Die schalten einige diese embryonalen Hauptschaltergene an. Das hat aber nicht ausgereicht. Und dann hat er einen Schuss ins Blaue gewagt. Er hat echte embryonale Stammzellen genommen, die gezüchtet und das Nährmedium, die Nährflüssigkeit genommen und auf seine Hornhautzellen draufgepackt. Und ganz offenbar produzieren die embryonalen Stammzellen Botenstoffe, die anderen Zellen sagen können: Werdet doch jünger, werdet embryonaler. Und mit diesem Hilfsmittel, mit diesem Umweg über die embryonalen Stammzellen, ist es ihm dann gelungen, seine Hornhautzellen tatsächlich in diese IPS-Zellen, diese begehrten Zellen, umzuwandeln.

    Pasch: Ganz ohne embryonale Stammzellen ist er also nicht ausgekommen.

    Wildermuth: Nein, und er betont auch, dass die Forschung mit den embryonalen Stammzellen bis auf weiteres unverzichtbar ist. Aber er arbeitet daran, diese Botenstoffe, die sich ja irgendwo in diesem Nährmedium befinden müssen, zu isolieren, zu charakterisieren. Wenn er weiß, um was es sich handelt, dann lassen die sich sicher auch im Labor herstellen. Und dann sollte es möglich sein, diese Rückverwandlung ohne embryonale Stammzellen und ohne Genübertragung hinzubekommen.

    Pasch: Volkart Wildermuth, welche Bedeutung hat denn jetzt die Arbeit aus Nebraska?

    Wildermuth: Sie zeigt, dass das geht, dass man ohne diesen Gentransfer auskommt. Das ist einerseits gut, weil das Krebsrisiko wegfällt. Das ist auch gut, weil diese Methode so viel einfacher ist. Es ist ja doch diese Vorstellung, dass man aus dem Körper des Patienten Zellen nimmt, die umwandelt in Reparaturmaterial für seine Krankheit. Das setzt so viele Schritte voraus, dass es schon wichtig ist, wenn einer, der so komplex und so fehlerbehaftet [ist] wie Genübertragung, wenn der wegfällt, dann erleichtert das doch alles. Aber man muss auch sagen, es steht noch völlig in den Sternen für welche Krankheiten sich diese Ansätze einmal etablieren werden. Da muss noch viel geforscht werden. Die Arbeit in Nebraska ist einen Schritt weiter. Aber es wird sicher nicht der letzte sein.

    Pasch: Herzlichen Dank, Volkart Wildermuth.