Zwar sind Wohnungsnachbarn der Ich-Erzählerin deren literarische Spiegelbilder, denn sie führen wie sie eine Einzelexistenz, dennoch dieser Debütroman von Unda Hörner weit entfert von jeder modischen Ego-Pflege. Die Erzählerin nimmt zu sich und ihren Lebensangewohnheiten ein erstaunlich lakonisches, untemperiertes und unnarzistisches Verhältnis ein. Auf den ersten Blick scheint Unda Hörners Debüt auf der Welle neuer, deutscher und vor allem weiblicher Berlin-Literatur zu schwimmen, auf den zweiten Blick wird aber klar, dass ihre Prosa mit deren kühlen Gewässern nicht das Geringste zu tun hat. Bei der Lektüre ihres Buches erinnert man sich daran, daß die fast 40j ährige Unda Hörner ihre Autorenlaufbahn als Verfasserin von Biographien und biographischen Essays begonnen hat. Das erklärt ihr Interesse an Menschen, an fremden Lebensläufen und sozialen Welten. Für den Leser ist dieses Interesse eine Wohltat.
Was Unda Hörners Roman aus der Menge der Berlin-Prosa der letzten Jahre heraushebt, sind sein Ton und die Haltung, die sich darin ausdrückt; ein Ton aus ironischer Anteil-nahme und freundlicher Skepsis. Die Ich- Erzählerin ist, soviel wird, bei all ihrer Dis-kretion klar, zwar eine klassische Großstadterimitin, aber sie ist weder zynisch noch voyeuristisch. Immer wieder läßt sie sich von den Nachbarn in deren Dramen und Bur-lesken verwickeln. Dem Computerpionier Wolfgang kann sie nicht widerstehen der Pianistin ist sie trotz besseren Wissen zu Diensten, eine alleinerziehende Mutter von nebenan macht sie zur Babysitterin ihrer Tochter, um für Stunden zu verschwinden und nicht wiederzukehren. Lauter undeutliche, seht oft verfahrene, aber auf unvergleichbar berlinische Weise herzliche Verhältnisse. Ihre Vorraussetzung ist, was Unda Hörner und die Soziologie Nischenexistenz nennen.