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Unter Senioren

In Berlin-Kreuzberg steht Deutschlands erstes Pflegeheim für junge Menschen. 188 Bewohnerinnen und Bewohner zwischen 20 und 55 Jahren leben in der Einrichtung. Trotz verschiedenster Krankheiten haben alle eines gemeinsam: Sie brauchen jeden Tag Hilfe.

Von Johannes Nichelmann | 06.10.2012
    22 Uhr 30 - Pflegerin Andrea Gärtner macht ihren Nachtrundgang durch das "House of Life", Deutschlands erstes Pflegeheim für junge Menschen zwischen 20 und 55 Jahren. In der Einrichtung in Berlin-Kreuzberg leben 118 Bewohnerinnen und Bewohner. Einige von ihnen sind Gewalttaten oder Unfällen zum Opfer gefallen. Andere sind HIV Positiv, leiden an Multipler Sklerose, Krebs, psychischen Krankheiten oder haben massive Drogenprobleme. Sie alle haben eines gemeinsam: sie brauchen jeden Tag Hilfe. Die einen mehr, die anderen weniger. Jetzt will Andrea Gärtner sehen, ob alles in Ordnung ist. Vielleicht in einem Zimmer den Fernseher ausmachen, oder woanders frisches Wasser vorbeibringen.

    "Hallo! Liest Du noch Zeitung? Okay. Regnet ganz doll draußen. Haste schon mitgekriegt?"
    "Ne."
    "Ne? Haste noch was zu trinken da?"
    "Ja."
    "Gut."

    Leise schließt die 50-jährige die rote Tür und sieht nach, ob im Nebenzimmer noch Licht brennt. Eine Etage höher: Eine Gruppe von Bewohnern sitzt an einem Tisch, der auf dem Flur steht. Sie essen erst jetzt zu Abend. Kein Problem im "House of Life". Jeder kann kommen und gehen, wann er will. Diejenigen, die dazu in der Lage sind, treffen draußen ihre Freunde oder machen Besorgungen. Für die ehemalige Altenpflegerin Andrea Gärtner und auch für ihre Kolleginnen ist die Arbeit mit jungen Menschen eine Umstellung.

    "Es ist belastend. Mehr belastend als in der Seniorenpflege, weil es junge Menschen sind. Teilweise wirklich mit starken Handicaps. Bei jungen Leuten ist schon... da muss man schon lernen, damit wirklich gut umzugehen. Auch für sich selber. Da ist schon auch eine Bindung zwischen Personal und Bewohner. Das ist manchmal sehr familiär, wenn man hier ist. Hier arbeitet. Ja und die jüngsten sind im Moment, glaube ich, Anfang 30. Ja."

    Nach einer Stunde ist der erste Rundgang beendet. Ab 1 Uhr ist es ruhig im "House of Life". Und so bleibt es die ganze Nacht. Am nächsten Morgen um 7 Uhr kommt die Ablösung.

    "Okay, das war jetzt der AB. Andrea, wenn Du das hörst, kannste noch mal anrufen, bei Melis? Äh... Jo. Ansonsten, schönen Arbeitsbeginn irgendwann mal."
    Melis Schröter, 46 Jahre alt, sitzt in ihrem Büro, mit dem Rücken zum Fenster. Auf dem Schreibtisch steht immer eine kleine Schale mit Gummibärchen oder Keksen. Sie ist die Assistentin der Geschäftsführung des "House of Life". Dass es junge Menschen gibt, die, ähnlich wie alte Menschen, Pflege brauchen, ist bekannt - sagt sie. Dass es bis zur Gründung dieses Hauses im Jahr 2006 aber kein Pflegeheim für junge Menschen gab, das weiß kaum jemand. Auch ist den Meisten nicht klar, dass junge Pflegebedürftige anderswo oft in Altersheimen landen. Da sind 30, 40, 50-jährige, die mit hoch betagten Frauen und Männern ihren Alltag verbringen sollen. Melis Schröter hat den Eindruck, dass die ganze Problematik um junge Pflegebedürftige in Deutschland durch Politik und Krankenkassen zu wenig Beachtung findet.

    "Alt, heißt nicht gleich krank, und ich häng dann immer hinten dran, krank heißt aber auch nicht gleich alt oder pflegebedürftig, heißt dann nicht gleich alt. Weil es ist äh... wir tauchen nirgends auf. Wir haben jetzt schon ein paar Sitzungen auch im Bundestag erlebt, mit den Fraktionen, wo es um neue Pflegeplanung und so weiter geht. Wir tauchen nicht auf."

    "Teilhabe für alle/ Berlin" heißt die Initiative von Sylvia Brinkmann. Gegründet hat sie die Gruppe im Jahr 2007, als der Berliner Senat ein Gesetz auf den Weg brachte, dass die Verschiebung von Menschen mit sogenannten geistigen oder mehrfachen Behinderungen in Altenheime begünstigt hat.

    "Das Thema betrifft mich persönlich, weil ich selber eine schwerst mehrfach behinderte Tochter habe, die zu einem Personenkreis gehört, der seit einigen Jahren, und aber auch nach wie vor aktuell, immer wieder davon bedroht ist, in Pflegeheime verschoben zu werden. Sie lebt jetzt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe, und so ist es in Deutschland ja auch strukturiert. Also, es gibt Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung und Pflegeheime für ansonsten pflegebedürftige Menschen und für alt gewordene Menschen mit Pflegebedarf."

    Zwei Systeme und ein großes Problem: Wohnplätze für Menschen mit Behinderung werden von den Sozialämtern zur Verfügung gestellt. Dies sind die sogenannten Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Sie kosten die Kommunen mehrere tausend Euro pro Bewohner, denn die Pflege ist oftmals sehr aufwendig. Denn zusätzlich zu den Pflegemaßnahmen erhalten die Menschen hier feste Tagesstrukturen, werden geistig gefördert - beispielsweise in Behindertenwerkstätten. Die Pflegekassen aber zahlen hier nur eine Pauschale von maximal 256 Euro im Monat dazu. Den restlichen Bedarf muss das Sozialamt, also die Kommune, decken.

    "Das Problem ist, dass die Sozialhilfeträger dann versuchen, Menschen aus der Eingliederungshilfe in Pflegeheime zu verlegen, um sozusagen Mittel einzusparen und damit die vollen Pflegeversicherungsleistungen abgeschöpft werden können."

    Denn die Kosten für die Versorgung der Menschen in Pflegeheimen müssen zum größten Teil nicht mehr von den Sozialämtern, sondern von den Pflegeversicherungen übernommen werden. Die ohnehin oft klammen Kommunen sparen also sehr viel Geld, wenn sie junge Menschen in Pflegeheime abschieben. Das aber heißt: statt gesondert geschultem Personal kümmern sich Kranken- oder Altenpfleger um die Bewohner. Pädagogische Arbeiten können nicht mehr im nötigen Umfang geleistet werden. Es wartet womöglich ein Leben auf dem Abstellgleis. Eine Studie der Universität Marburg hatte auf dieses Problem schon im Jahr 2000 hingewiesen. Allein in Hessen lebten demnach damals 1.400 Menschen unter 60 Jahren "fehlbesetzt" in Altenpflegeheimen. Auf ganz Deutschland hochgerechnet, so schätzte man damals, wären dies 10.000 junge Menschen. Jeder zehnte unter 30 Jahren. Tendenz steigend.

    "Ein zunehmendes Thema der Politik, weil man muss sagen, die gute Nachricht ist, Menschen, die pflegebedürftig in diesem Alter sind, haben eine viel höhere Lebenserwartung als früher. Die Zahl der so zu Pflegenden steigt auch. Somit ist das ein Thema, das an Bedeutung deutlich gewinnt."

    Das versichert Professor Karl Lauterbach, Mitglied des Bundestages und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD. Im Parlament ist die Thematik rund um fehlbesetzte junge Menschen in Altenheimen schon hier und da in diversen Ausschüssen behandelt worden. Mehr aber ist, über zehn Jahre nach Veröffentlichung besagter Marburger Studie, bisher nicht passiert.

    "Hier haben sich weder die Krankenkassen, noch die Entscheidungsträger in der Politik überschlagen mit dem Finden neuer Lösungen. Es wäre ja auch denkbar gewesen, damit haben wir eine Zeit lang gerechnet, dass sich für diese jungen Menschen Pflegeeinrichtungen im Markt aufbauen. Das ist aber schlicht und ergreifend nicht passiert. Man hat diese jungen Menschen also in die Einrichtungen verteilt und sie gelten dort zum Teil als sehr lukrative Patienten. Somit hat der Markt die Patienten wie Renditeobjekte behandelt, und es ist nicht zu Einrichtungen gekommen, die gute gewesen wären für diese Menschen."

    Der Gedanke dahinter: Wer jung einen Pflegeplatz besetzt, bleibt vermutlich auch länger.

    Der Markt, den Professor Lauterbach beschrieben hat, ließ zumindest die Gründung einiger weniger Einrichtungen zu. Beispielsweise die des "House of Life" in Berlin-Kreuzberg. Dieses Jahr wurde dort zum zweiten Mal der "Price of Life" verliehen – beim Sommerfest. Bunte Girlanden, Kuchenstände, Grill-Geruch. An den Biertischen davor sitzen rund fünfzig Männer und Frauen - einige von ihnen im Rollstuhl. Auf die Bühne treten eine junge Frau im langen, schwarzen Rock und ein kahlköpfiger Mann in Jeans und weißem Hemd.

    "Ja, ich bin Nicole Katschewitz und wurde gebeten, heute die Laudatio für den diesjährigen Preisträger des "Price of Life" zu halten. Der "Price of Life" ist eine Auszeichnung für Menschen, die sich im besonderen Maße für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Stadt und darüber hinaus engagiert haben. Thomas Oh ist die zweite Person, der dieser Preis übergeben wird."

    Der Preisträger legt die Hände an seine Oberschenkel, hält dann wieder seine Umhängetasche fest. Der Sozialarbeiter Thomas Oh, 49 Jahre alt, hatte vor über zehn Jahren die Idee, eine Einrichtung für jene Menschen zu gründen, die zu krank sind, um alleine zu leben und zu jung, um ins Seniorenheim zu gehen.

    "Anfang der 2000er Jahre hatten wir viele schwerstkranke Menschen, die pflegebedürftig waren, und es gab einfach keine adäquaten Einrichtungen. Wir hatten also junge Leute, 30 Jahre, 35 Jahre, die in Altenpflegeheimen unterkamen. Also, ich hab erst die Tage einen 45-jährigen Mann besucht, der in einem sicher guten Altenpflegeheim untergebracht ist. Aber ich kam da rein in den Raum, da saßen 18 alte Leute und mittendrin saß der und keiner sagte ein Wort. Das einzige, was ich von ihm vernommen hab’, war: "Ich möchte tot sein!"

    Solche Patienten müssten "befreit" werden, sagt er. Es könne nicht gut sein, wenn junge Menschen den Rhythmus und den Alltag von 70, 80 oder 90-jährigen aufgedrückt bekommen. Wer ins "House of Life" komme, blühe meistens richtig auf. Sein Blick wird ernst. Die Menschen, die hier sind, dürften nicht abgeschrieben werden. Einige von ihnen könnten vielleicht bald wieder ein selbstbestimmtes Leben führen, so hofft er.

    "Wo ich denke, ja junge Leute, die haben einen anderen Anspruch. Die muss man aktivieren, da ist manchmal auch noch was rauszuholen. Die wollen vielleicht auch eine andere Musik hören. Ich denke, es gibt so altersadäquate Geschichten, die fehlen in der Pflege absolut!"

    "Über sieben Brücken musst Du gehen. Sieben harte Antjes überstehen. Sieben harte Antjes überstehen... Aber Sommerfest fand ich richtig toll. Warst Du da da"
    "Ja, ich war da."

    Czeslaw, ein kräftiger Mann mit gescheitelten Haaren, sitzt neben Antje Lange. Jedes Wochenende treffen sie sich im "Café Bohne". Das öffnet immer samstags und sonntags im Erdgeschoss des "House of Life". An einer Theke gibt es verschiedene Sorten Kuchen, Knabbereien und Getränke. Organisiert wird das Café von den Zeitschenkern – einer Gruppe freiwilliger Helfer - an diesem Tag sind es fünf, darunter Antje Lange. Die Zeitschenker lesen vor, reden, helfen bei Besorgungen oder veranstalten Konzerte. Und sie hören zu.

    "Also, diese Person. Kennst Du Hildegard Knef? (Für mich soll’s rote Rosen regnen und..."
    "Sämtliche!"
    "Wunder begegnen. Hast Du Spliss, Kleines?"

    Czeslaw ist HIV-positiv und leidet an einigen Folgeerkrankungen. Früher hat er für die Stadt Berlin gearbeitet. Doch dann gerät er in die wilde Partywelt der 90er-Jahre und findet nicht mehr heraus. Vor vierzehn Jahren – er ist noch keine 30 – der Schock.

    "Hab ich einen Test gemacht. Dann hab ich erst mal Depressionen bekommen. Antidepressiva bekommen. Ein paar Flaschen Wodka und dann war alles wieder gut."

    Das exzessive Leben geht weiter. Bis zum Infarkt. Danach, mit 40, muss er seine Sprache und seine Motorik wiederfinden. Ein selbstständiges Leben ist nicht mehr denkbar. "Jetzt" meint Czeslaw "baue ich mir in meinem Kopf eben eine Traumwelt". Das funktioniert ganz prima.

    "Aus dem was ich habe, mache ich das Beste draus. Ich hab’ sehr gute Zeiten erlebt. Ich hab’ teilweise zehntausend Euro im Monat verdient. Natürlich ausgegeben. Ich kann Geld nicht sparen. Es kann sein, dass ich jeden Tag sterben kann. Was hab’ ich davon, wenn ich sterbe und dann hunderttausend Euro gespart habe?"

    Er zählt zu den leichteren Fällen im "House of Life". Und da liegt das große Problem für die Einrichtung: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen, kurz MDK, prüft, welche Pflegestufe welcher Patient bekommt. Menschen wie Czeslaw, die äußerlich einen fitten Eindruck machen, erhalten oftmals keine der drei möglichen Einstufungen – und damit auch kein Geld von der Pflegekasse. Dennoch benötigt er rund um die Uhr Betreuung. Petra Winter, die Leiterin des "House of Life", nennt dies "Pflegestufe Null" und steht vor einem Dilemma.

    "Demenz Erkrankte haben ja genau das gleiche Problem gehabt, lange in der Politik. Es ging immer darum, dass man sagt, Demenz Erkrankte sehen optisch gut aus, sie laufen auch noch rum, können aber teilweise nicht mit Messer und Gabel umgehen. Das heißt, bei denen hat der MDK auch keinen Pflegebedarf gesehen. So heißt das, dass ein Demenz Erkrankter in einer zu niedrigen Pflegestufe war. Das Problem haben wir genauso bei den psychiatrisch erkrankten Bewohnern."

    Gerade junge Menschen brauchen häufig sehr viel mehr Aufmerksamkeit als Senioren. Sie sind agiler und wollen mehr am Leben teilhaben. Das aber erfordert einen wesentlich höheren Personalaufwand. Schon jetzt können in der Kreuzberger Einrichtung von Petra Winter viele Freizeitaktivitäten nicht mehr stattfinden. Es fehlt das Geld. Ohne freiwillige Helfer, wie den Zeitschenkern, würde das Leben, gerade für jene Bewohner ohne Angehörige, mehr als trist verlaufen. Es brauche neue Instrumente um den Pflegebedarf zu ermitteln, sagt Martina Stahlberg vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

    "Es wird nicht berücksichtigt, zusätzliche Krankheitsbewältigungen oder die Teilhabe, die Aktivitäten außerhalb der Wohnung. Und daher sehen wir also schon den Bedarf hier Pflegebedürftigkeit neu zu definieren."
    Ein Thema, sagt sie weiter, dass das Gesundheitsministerium ein Jahr vor der Bundestagswahl mit Hochdruck bearbeite. Seit 2008 plant der MDK mit.

    "Mit diesem neuen Pflegebedürftigkeits-Begriff kann man mehr berücksichtigen und es wird dann ja auch fünf, möglicherweise fünf, Grade geben. Also nicht mehr nur diese Stufen, die wir jetzt kennen. Aber das ist noch nicht entschieden vom Gesetzgeber."

    Noch hapert es an der Finanzierung. Petra Winter vom "House of Life" hofft auf rasche Umsetzung.

    "Wir gucken jetzt schon immer ein bisschen danach, dass wir versuchen, die "Nuller" schon ein bisschen rauszuhalten, damit wir hier Personal reinkriegen. Also, dass wir nur noch anfangen, Pflegestufe eins aufzunehmen. Sagen wir mal, wir haben eine Station, sind 18 Leute drauf. Fünf davon haben eine Pflegestufe 0. Dann haben wir eklatant weniger Personal. Vielleicht nur eine einzige... vielleicht ist nur ein Personal da. Nur ein einziger Mitarbeiter."

    In den letzten sechs Jahren haben sich bundesweit, trotz der zahlreichen Probleme, die rund um die Betreuung von jungen Pflegebedürftigen entstehen, einige Häuser für diese Gruppe gegründet. Den Bedarf können Sie bei Weitem nicht decken. Über zweieinhalb Millionen Menschen in Deutschland benötigen Unterstützung im täglichen Leben. Eine Viertelmillion sind, glaubt man der Statistik, zwischen 15 und 60 Jahre alt. Über 30.000 von ihnen werden stationär betreut.

    "Also, man kann jetzt sagen, dass immer mehr Einrichtungen auf uns zukommen und sich für unser Haus interessieren und schon auch mit dem Gedanken spielen, jüngeres Klientel aufzunehmen. Also, der Bedarf ist da."

    "Wichtig ist es am Ende" sagt sie "jungen Menschen das Leben in Altersheimen zu ersparen". Sylvia Brinkmann, die Sprecherin der Initiative "Teilhabe für alle/ Berlin" und Mutter einer mehrfach schwerstbehinderten Tochter, will indes weiter dafür kämpfen, dass es eines Tages nur noch ambulante Hilfe in Deutschland gibt. Noch ist hier nicht die Infrastruktur vorhanden, um jene Philosophie komplett umzusetzen, die besagt, dass ambulante immer vor stationäre Behandlung geht.

    "Ja, werfen Sie mal einen Blick nach Skandinavien. Da wurden Heime vor circa zwanzig Jahren komplett geschlossen, abgebaut. Gibt es dort nicht mehr, für Menschen mit Behinderung. Das war dort eine politische Entscheidung, einfach auch, weil man erkannt hat, dass ein menschenwürdiges Leben im Heim einfach schwierig zu bewerkstelligen ist."

    Natürlich gibt es auch schon in Deutschland ambulante Einrichtungen - doch die sind teuer und somit nur für wenige Menschen verfügbar. Das muss sich ändern, sagt Sylvia Brinkmann. Seit drei Jahren gilt nun in Deutschland die UN-Konvention für Menschen mit Behinderung. Hier läge der Schlüssel zur Umsetzung dieser Idee. Und am Ende auch der Schlüssel, um jungen Menschen das Leben in Altenheimen zu ersparen.

    "Und in Artikel 19 ist das Recht beschrieben, dass Menschen mit Behinderung ihren Wohnort wählen können und wählen können, mit wem sie leben und das Recht haben, durch persönliche Assistenzleistung unterstützt zu werden. Dass heißt unterm Strich, dass kein Mensch, ob behindert oder nur pflegebedürftig, gezwungen werden kann, in eine Pflegeeinrichtung, also in ein Pflegeheim zu ziehen. Sondern, dass jeder Mensch mit Behinderung und jeder pflegebedürftige Mensch das Recht hat, zu Hause zu wohnen und dort ambulant unterstützt zu werden."
    Bert-Alexander Rempel kam nach einem schweren Fenstersturz ins "House of Life". Regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen sollen seine Motorik anregen,
    Nach einem schweren Fenstersturz sollen regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen die Motorik eines Patienten anregen. (picture alliance / dpa / Hans Wiedl)