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Unterdrückung von Minderheiten
Hafturlaub für Bahai im Iran

Die Bahai sind die größte religiöse Minderheit im Iran. Sie werden verfolgt. Seit acht Jahren sitzen die sieben führenden Bahai-Vertreter in iranischer Haft. Jetzt hat es einen ersten Hafturlaub gegeben, der eine Debatte über Religionsfreiheit im Gottesstaat Iran ausgelöst hat.

Von Frank Aheimer | 01.06.2016
    Faezeh Hashemi, Tochter des ehemaligen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, besuchte die Bahai Fariba Kamalabadi während ihres Hafturlaubes
    Im Juni 2011 demonstrierten Anhänger der Bahà'ì-Religion in Rio de Janeiro für die Freilassung von sieben führenden Bahà'ì-Vertretern im Iran. (EPA)
    Fariba Kamalabadi gehört zu den zwei Frauen unter den sieben führenden Bahai-Vertretern im Iran, die trotz internationaler Proteste in Haft sitzen. Anlässlich des achten Jahrestages der Inhaftierung forderte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, am 13. Mai die iranische Justiz über das Auswärtige Amt auf, die unrechtmäßigen Urteile sofort aufzuheben und die Bahai freizulassen.
    "Die Verfolgung der Bahai und anderer religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens muss endlich ein Ende haben. Iran missachtet damit das Recht auf Religionsfreiheit, zu dessen Schutz und Achtung sich Iran mit der Unterzeichnung des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verpflichtet hat!"
    Im Hafturlaub Besuch von iranischen Aktivistinnen
    Anfang Mai erhielt die 54-jährige Fariba Kamalabadi zum ersten Mal für wenige Tage einen Hafturlaub und durfte das Gefängnis verlassen. Ingo Hofmann, Menschenrechtsbeauftragter der Deutschen Bahai-Gemeinde:
    "Hafturlaub war längst überfällig! Frau Kamalabadi hatte in der Vergangenheit nicht die Möglichkeit, der Heirat ihrer Tochter beizuwohnen sowie der Geburt ihrer Enkeltochter, und nun ergab sich die Möglichkeit, dass sie fünf Tage die Haft verließ und danach wieder ins Evin-Gefängnis zurückkehren musste."
    Während ihrer wenigen Tage in Freiheit erhielt sie Besuch von der iranischen Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh und von Faezeh Hashemi, Tochter des ehemaligen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, einem der einflussreichsten Ayatollahs im Iran. Die beiden Frauen hatten sich 2013 im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran eine Zelle geteilt. Frau Hashemi wurde wegen ihrer Protestaktivitäten nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Ahmadi-Nejad 2009 für sechs Monate inhaftiert.
    "Frau Hashemi selbst bezeichnete ihren Besuch, als Akt der Freundschaft. Frau Kamalabadi sei nur aus religiöser Ablehnung inhaftiert worden und dies sei ein schweres Vergehen gegen die auch iranischen Bürgern zustehenden Menschenrechte."
    "Riesen-Tabubruch"
    Das Treffen der Frauen verbreitete sich wie ein Lauffeuer über die sozialen Netzwerke und fand selbst in den staatlichen Medien Widerhall: Mehr als 50 Ayatollahs und Groß-Ayatollahs verurteilten den Besuch als Verrat am Islam und der islamischen Revolution. Rafsanjani selbst kritisierte seine Tochter scharf. Der Leiter der iranischen Justiz erwägt sogar eine Anklage. Farhad Payar, Chefredakteur des deutsch-sprachigen Iran Journal hat die Reaktionen im Iran verfolgt.
    "Der Besuch von Faezeh Hashemi bei Frau Kamalabadi war ein Riesen-Tabubruch. Jeder Tabubruch in so einer konservativen Gesellschaft wie die des Irans, ist im Dienste der Aufklärung. Zum ersten Mal haben viele Menschen, die sonst mit Bahai nichts zu tun haben, überall davon gehört. Nicht nur im Iran, sondern auch im Ausland."
    Auf der persisch-sprachigen Internetseite "Zeytoon" gehen die Autoren mit den geistlichen Machthabern im Iran hart ins Gericht. Und zwar unter der Überschrift: "Erklärung einer Gruppe religiöser Progressiver zur Notwendigkeit von Toleranz gegenüber Andersdenkenden". Dort heißt es: "Überzeugung könne nicht Grundlage gesetzlicher Straftat oder religiöser Sünde sein". Auch der iranische Professor und Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Atomabkommen Sadegh Zibakalam meldete sich zu Wort: Er stellte die Frage, ob der Prophet Mohammad tatsächlich angeordnet habe, diejenigen, die nicht Muslime werden, einzusperren!?
    Druck von unten nimmt zu
    "Ich glaube, es ist ein Prozess, der in Gang gekommen ist. Deshalb traut sich auch Faezeh Hashemi, die Bahai zu besuchen. Dieser Prozess ist der Beginn einer Demokratisierung der Gesellschaft - nicht des Systems! Das heißt, der Druck von unten nimmt zu. Die Gesellschaft dürstet nach dieser Demokratisierung, nach Frieden, nach Gemeinsamkeiten!"
    Trotz dieses ersten kurzen Hafturlaubs sind Hoffnungen auf mehr Religionsfreiheit im autoritären Gottesstaat kaum angebracht. Gerade erst wurde der ultrakonservative Ayatollah Ahmad Jannati an die Spitze jenes Expertenrats gewählt, der den religiösen Führer im Iran bestimmt. Die Debatte um den Besuch einer prominenten schiitischen Muslimin bei einer prominenten Bahai wirft aber ein neues Licht auf die Islamische Republik und ihren Umgang mit religiösen Minderheiten.
    "Letztlich muss man die Begegnung dieser beiden Frauen während des Hafturlaubs der Bahai Kamalabadi als ein Symbol für den Mut von Frauen im Iran verstehen. Diese Frauen zeigen, dass letztlich eine Veränderung der iranischen Gesellschaft nur durch ein entschiedenes und mutiges Eintreten von Frauen denkbar ist, und hierfür haben Sie ein Symbol gesetzt."