W.H. Auden und Chester Kallman, die Librettisten, sollen den wenig Wagner-begeisterten Hans Werner Henze, bevor er sich an die Komposition der "Bassariden" machte, zum Besuch einer "Götterdämmerung" gezwungen haben. Immerhin auch hier geht es um Götter und einen Untergang, es ist aber der in Euripides' "Bakchen" erzählte Untergang Thebens durch die Rache des Dionysos. Von Wagner war dann bei der Uraufführung 1966 auf der Cinemascope-Bühne des Großen Salzburger Festspielhauses dennoch wenig zu hören. Viel aber davon, dass Henze, hätte er so weitergemacht, wohl eine Art Richard Strauss des ausgehenden Jahrhunderts geworden wäre, ein souveräner Alleskönner des musikdramatischen Großapparats. Dazu kam es nicht; es kam Henzes Wende ins Politische, es kamen die Experimente mit offeneren Formen des Musiktheaters. Trotzdem markieren seine "Bassariden", den schon wachsenden Zweifeln am Opern-Betrieb noch einmal abgetrotzt, einen Gipfelpunkt des längst schon "unmöglichen" Genres, die - einmal noch - archaisch große Geste.
Für Kölns Generalmusikdirektor und Henze-Vertrauten Markus Stenz war die Saisoneröffnung mit diesem Lieblingskomponisten eine Ehrensache und hörbar Herzensangelegenheit. Gespielt wurde aber nicht "Die Bassariden", sondern "The Bassarids", Auden/Kallmans englische Ur-Textfassung, unter Weglassung des 1992 vom Komponisten gestrichenen frivol-anachronistischen Intermezzos, auf dessen Späße man tatsächlich gut verzichten kann. So vollzieht sich der Untergang Thebens und seines Königs Pentheus in äußerster Geradlinigkeit. Stenz erreicht dabei einen plastischen, sprechenden Orchesterklang, druckvoll und durchsichtig und nur momentweise ein bisschen dick aufgetragen. Aber so ist das mit den Herzens-Sachen. Auch der Kölner Bassariden-Chor, aufs äußerste gefordert, zeigte sich bestens vorbereitet.
"Ayayalya", singen sie immer wieder, das ist ein Freudenruf angeblich aus der Eskimosprache. Schnell verfällt das Volk von Theben den Betörklängen des in seine Heimat zurückkehrenden Gottes Dionysos. Unter König Pentheus, seinem Cousin, hatte es wenig Freude. Pentheus ist ein Ratiokrat, ein gewaltbereiter Vernunftherrscher, Leugner und Verweigerer der Sinnlichkeits- und Lust-Sphäre des Dionysos, dem in der eckigen kalten Theben-Welt falschen Marmors bald auch die königliche Familie erliegt. Und schließlich, die Rache des Rauschgottes ist fürchterlich, Pentheus selbst. In Frauenkleidern ersteigt er den Sündenberg Kytheron, wird von den Mänaden zerrissen, seine Mutter Agaue trägt den Kopf des jungen Königs in den Palast, im Wahn, es sei das Haupt eines Löwen. So Euripides, und so auch Henze, zugespitzt auf den Gegensatz Vernunft versus Unvernunft, Pentheus versus Dionysos. Bloß dass die Dinge doch vielleicht ambivalenter liegen als die Inszenierung von Jasmin Solfaghari glauben macht. Ihr ist der Dionysos ein von Anfang an dauerlächelnder falscher Prophet und Sektenführer mit Rastazöpfen und Sonnenbrille. Ray M. Wade jr. hat keine Chance, auch der verführerische Jüngling zu sein, dem Henze so irritierend schön-falsche Musik mitgegeben hat.
So raffiniert und doppeldeutig das komponiert ist, so brav und überraschend anspielungsarm bleibt die Regie der Kölner "Bassarids". Wo Pentheus und Dionysos vereindeutigend als Gegensatzpaar gezeigt werden, als Träger von Prinzipien, bleibt die spannendere Frage nach ihrer Ähnlichkeit ungestellt. Ein wenig Psycho-Pantomime im Hintergrund, die den Jung-Pentheus mit einer Puppe zeigt, während seine Mutter sich den Gewaltmännern hingibt - ansonsten geht hier alles nach Klavierauszug. In Ekstase sich wälzende Chorherren und -damen sind immer auch ein wenig peinlich, aber ganz so oratorienhaft geordnet wie Solfaghari sich bacchantische Entgrenzung vorstellt, muss es auch nicht sein. Mit dem außerordentlichen Kölner Ensemble wäre mehr möglich gewesen. Urban Malmberg singt den Pentheus nuancenreich, wortgenau, dämonisch; Ray M. Wade jr. ist ein höhensicherer, hinreichend betörender Dionysos, Dalia Schaechter eine im Mutterschmerz mächtige Agaue, Johannes Preißinger ein scharf als Opportunist gezeichneter Teiresias im rosa Anzug.
In Köln wird mit viel Liebe für den Klassiker Henze geworben. Das ist gut und schön. Eine Schneise für die Entdeckung der Brisanz und Heutigkeit seiner "Bassariden" aber wird nicht geschlagen, und das ist schade.
Für Kölns Generalmusikdirektor und Henze-Vertrauten Markus Stenz war die Saisoneröffnung mit diesem Lieblingskomponisten eine Ehrensache und hörbar Herzensangelegenheit. Gespielt wurde aber nicht "Die Bassariden", sondern "The Bassarids", Auden/Kallmans englische Ur-Textfassung, unter Weglassung des 1992 vom Komponisten gestrichenen frivol-anachronistischen Intermezzos, auf dessen Späße man tatsächlich gut verzichten kann. So vollzieht sich der Untergang Thebens und seines Königs Pentheus in äußerster Geradlinigkeit. Stenz erreicht dabei einen plastischen, sprechenden Orchesterklang, druckvoll und durchsichtig und nur momentweise ein bisschen dick aufgetragen. Aber so ist das mit den Herzens-Sachen. Auch der Kölner Bassariden-Chor, aufs äußerste gefordert, zeigte sich bestens vorbereitet.
"Ayayalya", singen sie immer wieder, das ist ein Freudenruf angeblich aus der Eskimosprache. Schnell verfällt das Volk von Theben den Betörklängen des in seine Heimat zurückkehrenden Gottes Dionysos. Unter König Pentheus, seinem Cousin, hatte es wenig Freude. Pentheus ist ein Ratiokrat, ein gewaltbereiter Vernunftherrscher, Leugner und Verweigerer der Sinnlichkeits- und Lust-Sphäre des Dionysos, dem in der eckigen kalten Theben-Welt falschen Marmors bald auch die königliche Familie erliegt. Und schließlich, die Rache des Rauschgottes ist fürchterlich, Pentheus selbst. In Frauenkleidern ersteigt er den Sündenberg Kytheron, wird von den Mänaden zerrissen, seine Mutter Agaue trägt den Kopf des jungen Königs in den Palast, im Wahn, es sei das Haupt eines Löwen. So Euripides, und so auch Henze, zugespitzt auf den Gegensatz Vernunft versus Unvernunft, Pentheus versus Dionysos. Bloß dass die Dinge doch vielleicht ambivalenter liegen als die Inszenierung von Jasmin Solfaghari glauben macht. Ihr ist der Dionysos ein von Anfang an dauerlächelnder falscher Prophet und Sektenführer mit Rastazöpfen und Sonnenbrille. Ray M. Wade jr. hat keine Chance, auch der verführerische Jüngling zu sein, dem Henze so irritierend schön-falsche Musik mitgegeben hat.
So raffiniert und doppeldeutig das komponiert ist, so brav und überraschend anspielungsarm bleibt die Regie der Kölner "Bassarids". Wo Pentheus und Dionysos vereindeutigend als Gegensatzpaar gezeigt werden, als Träger von Prinzipien, bleibt die spannendere Frage nach ihrer Ähnlichkeit ungestellt. Ein wenig Psycho-Pantomime im Hintergrund, die den Jung-Pentheus mit einer Puppe zeigt, während seine Mutter sich den Gewaltmännern hingibt - ansonsten geht hier alles nach Klavierauszug. In Ekstase sich wälzende Chorherren und -damen sind immer auch ein wenig peinlich, aber ganz so oratorienhaft geordnet wie Solfaghari sich bacchantische Entgrenzung vorstellt, muss es auch nicht sein. Mit dem außerordentlichen Kölner Ensemble wäre mehr möglich gewesen. Urban Malmberg singt den Pentheus nuancenreich, wortgenau, dämonisch; Ray M. Wade jr. ist ein höhensicherer, hinreichend betörender Dionysos, Dalia Schaechter eine im Mutterschmerz mächtige Agaue, Johannes Preißinger ein scharf als Opportunist gezeichneter Teiresias im rosa Anzug.
In Köln wird mit viel Liebe für den Klassiker Henze geworben. Das ist gut und schön. Eine Schneise für die Entdeckung der Brisanz und Heutigkeit seiner "Bassariden" aber wird nicht geschlagen, und das ist schade.