Donnerstag, 28. März 2024

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Unterhaltung bei ARD und ZDF
Mehr "Babylon Berlin" wagen!

Angesichts eines internationalen TV-Markts im Wandel plädiert der Mainzer Medienökonom Bjørn von Rimscha für mehr hochwertige Produktionen bei den Öffentlich-Rechtlichen. Angesichts knapper Budgets müssten die Sender dabei allerdings mit privaten Anbietern zusammenarbeiten, sagte von Rimscha im Dlf.

Bjørn von Rimscha im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 14.11.2018
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    "Babylon Berlin": Lief im vergangenen Jahr auf Sky und in diesem in der ARD - mit großem Erfolg. (Filmausschnitt: Sky Television)
    Sebastian Wellendorf: Um es ins richtige Licht zu rücken: ARD und ZDF produzieren Serien: "Im Angesicht des Verbrechens", "Buddenbrocks", auch "Babylon Berlin", das ist eine ARD-Co-Produktion. Dennoch: So richtig erfolgreich, wie die Serien der US-Anbieter, sind sie ja nicht. Sehen Sie das als Problem?
    Bjørn von Rimscha: Ist die Frage, was nennen wir jetzt Erfolg? Wenn wir gucken, was hatte "Breaking Bad" in der Erstaustrahlung in den USA für eine Zuschauerzahl, das lag bei 4,2 Millionen in der Staffel. Gestern Abend hatte "In aller Freundschaft" in der ARD 5,2 Millionen Zuschauer. Insofern: Messen wir Erfolg nur in Zuschauerzahlen? Dann werden wir dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, glaube ich, nicht gerecht. Aber selbst wenn wir das tun, müssen wir uns klarmachen, dass Erfolg in Zuschauerzahlen gemessen, auf nationaler Ebene, was anderes ist als international. Eine Serie wie "Breaking Bad" kann man nur produzieren, weil sie international ausgestrahlt wird. Viele der deutschen Produktionen sind nicht wirklich für den internationalen Markt geeignet. "In aller Freundschaft" kann man nicht in die Welt exportieren.
    Wellendorf: Dennoch: Ist das denn ein Bestreben von ARD und ZDF, ich sage mal, auf dieses Pferd, das ja auch sehr gut in den Medien verkauft wird, Sie haben das gerade gesagt, eigentlich haben Serien, die in der ARD ausgestrahlt werden, deutlich höhere Einschaltquoten, dennoch nimmt man in den Medien wahr, dass Serien wie "Breaking Bad" zum Beispiel, das habe Sie ja angesprochen, extrem wichtig und populär sind. Ist es deswegen vielleicht ein Anliegen von ARD und ZDF, auf diesen Zug mit aufzuspringen noch mehr?
    "So viel Geld für Content haben ARD und ZDF nicht"
    von Rimscha: Ich glaube, ja. Und das sollten sie auch tun. Die Frage ist ja: Wozu ist die Unterhaltung im Öffentlich-Rechtlichen da? Ist sie jetzt nur das Rahmenprogramm für die Nachrichten? Damit die Leute zu den Nachrichten kommen sollen, zu den Informationssendungen? Oder hat die einen eigenen Zweck? Und da kann man sich die Frage stellen: Was ist anders an öffentlich-rechtlicher Unterhaltung im Vergleich zu kommerzieller Unterhaltung? Ich glaube, es ist gar nicht so viel anders. Was anders wäre, wäre wahrscheinlich eher das Portfolio. Was wir insgesamt für ein Angebot haben. Das wäre dann die Diskussion um: Brauchen wir sowas wie öffentlich-rechtliche Aspekte in einem Auswahlmechanismus? Empfehlungssysteme? Aber auch für die einzelne Sendung ist eigentlich das, was wir jetzt im Pay-TV sehen: Es werden Nischenprogramme gemacht. Nischenprogramme, die sich lohnen, weil sie weltweit distribuiert werden können. Und insofern ist das eigentlich genau das Metier, in dem die ARD auch hingehört, oder das ZDF. Indem sie Angebote macht, die spezialisierter sind, die auch speziellere Interessen bedienen. Nur das Problem ist: Dort können sie eigentlich nicht die Produktionsbudgets aufbringen, die bisher nötig waren.
    Wellendorf: Das heißt, ARD und ZDF haben gar nicht so viel Geld, wie häufig kolportiert wird?
    von Rimscha: Ganz genau. Also im internationalen Vergleich wird ja immer die Zahl kolportiert, dass Netflix acht Milliarden für Content ausgibt. So viel Geld für Content haben ARD und ZDF auch nicht. Insofern ist es auch etwas, das wichtig ist in der Kommunikation von ARD und ZDF, nach außen. Dass sie klarmachen: Das sind Produktionen, für die wir einen Auftrag gegeben haben, aber die wir nicht finanzieren. Weil ja immer die Diskussion kommt: Das hat doch die ARD finanziert, das ist mein Gebührengeld, dann will ich das auch immer sehen können. Da muss die ARD sich ehrlich machen und das kommunizieren: Wir haben nur bedingt Ausstrahlungsrechte, deswegen gehen wir Kooperationen ein, damit wir interessante Programme überhaupt bieten können.
    Wellendorf: Dennoch, weil sie die Gebührengelder ja gerade ansprechen, ist ja häufig der Vorwurf: Wofür bezahlen wir überhaupt Gebühren, wenn wir dafür Unterhaltungsformate kriegen, die wir natürlich auch woanders, insbesondere bei den privaten Anbietern kriegen können. Ist das kein schlagendes Argument, um – ich sage jetzt mal – mehr Information, Bildung, etc. bei den Öffentlich-Rechtlichen zu werben? Und für weniger Unterhaltung?
    "Die deutsche Perspektive finden"
    von Rimscha: Jein. Denn es gibt ja Unterhaltung, die eigentlich im privaten Fernsehen nicht funktioniert. Die funktioniert im Pay-TV, weil dort Leute bereit sind, dafür Geld auszugeben. Aber wir haben es ja gesehen: Eine Sendung wie "Deutschland 83", eine großartige Sendung meines Erachtens, hätte gut ins ARD-Programm gepasst. Bei RTL haben es die Zuschauer nicht erwartet und entsprechend auch nicht sehen wollen.
    Wellendorf: Nun ist "Babylon Berlin", um bei dem Beispiel zu bleiben, eine Co-Produktion, von der ARD-Degeto mitfinanziert. Ist das ein Modell? Denn ich würde jetzt gerne die Frage stellen, was Ihre Empfehlung an die Sender wäre, wenn Sie eine Empfehlung aussprechen würden? Die Empfehlung, wie die Sender mit dieser Herausforderung umgehen sollten? Wäre das ein Modell, Teilfinanzierung?
    von Rimscha: Ich denke, das ist absolut ein Modell. Weil man kann damit auch in international vermarktbare Formate und Sendungen eine deutsche Perspektive einbringen. Die Frage ist dann eher: Wollen wir immer die gleiche deutsche Perspektive? Inzwischen glauben deutschen Zuschauer, alle Skandinavier wären wie Wallander oder Lund – und da gibt's ganz andere Menschen auch noch. Aber eine deutsche Perspektive, die fürs deutsche Publikum relevant ist. Also geht es darum, Stoffe zu finden, die eine lokale Geschichte erzählen, aber für Menschen in der Welt relevant sind, so dass man Co-Produktionspartner finden kann, um das auf hohem Niveau produzieren zu können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.