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Unterirdische Primaten

Verhaltensforschung. - Einige Lemurenarten in den hochgelegenen Wäldern Madagaskars halten in der Trockenzeit Winterschlaf. Zu ihnen gehören die Fettschwanzmakis, die sich normalerweise in Baumhöhlen einrichten. Jetzt berichten Biologen im Nature-Fachblatt "Scientific Reports" von einer bislang unbekannten Form des Winterschlafs bei diesen Primaten.

Von Michael Stang |
    Steht die Trockenzeit in Madagaskar an, werden Futter und Wasser knapp, zudem wird es in den höher gelegenen Regionen mitunter sehr kalt. Dann ziehen sich einige Tiere zum Winterschlaf zurück, fahren ihren Stoffwechsel herunter und warten auf bessere Zeiten. Diesem Rhythmus folgen auch die Fettschwanzmakis, sagt die argentinische Primatologin Marina Blanco vom Duke Lemur Center im US-amerikanischen Durham.

    "Diese Fettschwanzmakis sind kleine, nachtaktive Lemuren, die nur in Madagaskar leben. Wir kennen mehrere Arten. Der bekannteste Vertreter ist der Westliche Fettschwanzmaki, der nur rund 150 Gramm wiegt. Wir haben uns nun mit den Tieren im Osten der Insel beschäftigt. Die sind etwas größer, ungefähr so groß wie Eichhörnchen. Lemuren sind die einzig bekannten Primaten, die jedes Jahr Winterschaf halten."

    Frühere Untersuchungen beim westlichen Fettschwanzmaki zeigten, dass diese Primaten bis zu sieben Monate lang ruhen, in der Regel ziehen sie sich dazu in Baumhöhlen zurück. Marina Blanko wollte nun zwei andere Spezies diesbezüglich untersuchen und zwar die Rückenstreifen-Fettschwanzmakis und die Rötlichen Fettschwanzmakis. Von beiden Arten ist bislang nicht viel bekannt.

    "Wir haben diese Lemuren mithilfe von Lebendfallen gefangen und sie mit Mikrosendern versehen. Damit können wir die Tiere nicht nur finden, sondern auch stets identifizieren und einige Messungen vornehmen. Regelmäßig fangen wir sie ein und schauen, wie es ihnen geht und was sie fressen. Der große Vorteil ist aber, dass wir die Tiere auch während des Winterschlafs aufspüren konnten."

    Zu den Messungen gehören auch stündliche Aufzeichnungen der Körpertemperatur. Anhand dieser Daten war es Marina Blanco und ihren Kollegen möglich zu sehen, wann sich die Tiere einen Platz für den Winterschlaf gesucht haben. Denn mit Einsatz des Winterschlafs sinkt die Körpertemperatur erheblich. Als die Forscher die kleinen Lemuren suchten, war dies eine mühsame Arbeit, denn einige der Primaten hatten sich nicht wie üblich in Baumhöhlen verkrochen, sondern in der Erde verscharrt.

    "Die Tiere waren komplett mit Erde bedeckt. Einige hatten sich in Tiefen bis zu 50 Zentimetern verbuddelt. Sie können sich vorstellen, dass es mitunter lange gedauert hat, bis wir die Makis aufspüren konnten. Denn die Sender zeigen uns nur eine grobe Richtung an und da war es manchmal schwierig, die Tiere zu entdecken."

    Die Makis verfügen nicht über Krallen, sondern Nägel an den Händen, Werkzeuge nutzen sie auch nicht. Daher benötigen sie einen weichen Boden, damit sie sich ein erdiges Schlafgemach graben können. Warum die Primaten die Erde den Bäumen vorziehen, wisse sie nicht, so Marina Blanco.

    "Vielleicht gibt es das häufiger als wir das bislang angenommen haben, denn mindestens zwei Arten praktizieren diese Form des Winterschlafs in den hoch gelegenen Regenwäldern von Tsinjoarivo."

    Gefährlich sei es vermutlich nicht, sich im Boden statt im Baum dem Winterschlaf hinzugeben. Es gebe viele dokumentierte Fälle, in denen Beutegreifer schlafende Lemuren aus Baumhöhlen geangelt und gefressen haben. Unter der Erde seien diese Primaten vielleicht sogar besser versteckt, immerhin so gut, dass erst jetzt die Wissenschaft erstmals davon Kenntnis erhält.