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Unterricht ganz anders

Die Leopold-Ullstein-Schule in Fürth zeigt, wie eine Realschule Schüler optimal fördern kann: Sie hat spezielle Klassen für Medienkompetenz eingerichtet, die Lehrer geben fächerübergreifenden Unterricht und bieten am Nachmittag zahlreiche Freizeitaktivitäten an. Als einzige Realschule hat sie es auf die Nominierungsliste für den Deutschen Schulpreis geschafft.

Von Barbara Roth |
    Unterricht in der 7c an der Leopold-Ullstein-Realschule im fränkischen Fürth. Es ist eine sogenannte Meko-Klasse. Meko steht für Medienkompetenz. Für die 13- und 14-Jährigen gehört der Umgang mit dem Computer dazu - aber auch die morgendliche Zeitungslektüre. Sally und Fabian sollen zu Zeitungslesern erzogen werden.

    "Wir kriegen jeden Tag die Zeitung, 'Fürther Nachrichten'. Und die lesen wir dann durch. Das geht über sechs Monate. Und jeder von uns hat ein eigenes Thema. Wir müssen zu unserem Thema recherchieren und das sammeln - zum Beispiel Automessen in Nürnberg. Ich muss Leserbriefe, Sitten und Bräuche in Fürth und Nürnberg sammeln. Und manchmal müssen wir ein Quiz erstellen und einen Wochenbericht. Dafür kriegen wir Noten."

    Ihr Klassenzimmer ist mit Computern, Beamer und DVD-Player ausgestattet. Die Schüler haben auch eine eigene Homepage mit Forum, um sich nach der Schule über Hausaufgaben auszutauschen. In einer Ecke des Zimmers surft Tim im Internet. Er recherchiert für eine Projektarbeit.

    "Eigentlich habe ich mich für den mathematischen Zweig entschieden. Und das war gleich eine Meko-Klasse. Wir machen mehr mit Computerkompetenz, sehr oft Präsentationen, wo die Klasse in Gruppen eingeteilt wird - und dann müssen wir selbst die Sachen erarbeiten. Und das wird dann über Beamer angeschaut. Das macht dann wesentlich mehr Spaß."

    Es geht lebhaft zu in der 7c. Rechnungswesen steht auf dem Stundenplan. Klassenlehrer Jürgen Fehn teilt die Schüler in kleine Gruppen ein; sie sollen eigenständig ein Thema bearbeiten.

    "Es geht primär um Teamarbeit. Es geht um die Art und Weise, ein Thema anderen vorzustellen und Präsentationstechniken zu beherrschen; auch rhetorisch geschult zu werden. Und es geht auch darum, Medien gezielt einzusetzen und nicht wahllos. Sie sollen bei der Gelegenheit auch lernen: Wie gehe ich vernünftig mit dem Internet um."

    Das Meko-Konzept ist vor fünf Jahren im Lehrerkollegium entwickelt worden, mit dem Ziel, an der Leopold-Ullstein-Realschule die Unterrichtsqualität zu steigern. Jürgen Fehn hatte den herkömmlichen Frontalunterricht mit gelangweilten Schülern satt. Heute gibt es pro Jahrgangsstufe zwei Meko-Klassen. Im fächerübergreifenden Unterricht hat die Vermittlung von Kompetenzen Priorität, was für die Lehrer mehr Arbeit im Team bedeutet.

    "Wir bauen auf Projektunterricht, vor allem auf fächerverbindenden Unterricht. Wir machen keine Projekte als Event, so wie man es früher gemacht hat, sondern wir sagen: Was steht im Lehrplan drin und was können wir fächerverbindend umsetzen. In der siebten machen wir Mittelalter, in der achten Indianer, denn in Englisch ist 'native American' ein Thema, in Erdkunde ist es Schwerpunktthema und der Religionslehrer kann einen Abstecher in die Naturreligionen machen. …, dass sie merken: 'Aha, die Dinge hängen zusammen.' Der Mensch lernt assoziativ, deshalb muss auch die Schule assoziativ unterrichten. Dann haben sie mehr davon - und dann lernen sie auch lieber."

    Hexenverfolgung ist in der neunten Klasse Teil einer fächerübergreifenden Projektarbeit zum Thema Gewalt. In Geschichte, Deutsch, Religion und Englisch haben die Schülerinnen und Schüler recherchiert und präsentieren in kleinen Teams selbstbewusst ihre Ergebnisse. Ihr Auftritt wird bewertet und fließt in den Klassen neun und zehn ins Bewerbungszeugnis ein. Schulleiter Hans Hertel:

    "Da steht eben drin: Er arbeitet gut im Team, er kann Ergebnisse gut präsentieren, er beherrscht die entsprechenden Medien – solche Dinge schreiben wir sehr ausführlich in die Zeugnisse rein. Und wir bekommen dann positive Rückmeldungen von den Firmen und Betrieben, die häufig diese Bewertungen wesentlich höher einschätzen, als die Noten."

    Die Lehrer haben sich in einer Fortbildung eigens angeeignet, wie man diese präzisen Bewertungen schreibt. Stillstand gibt es an der Fürther Realschule nicht. Der Schulentwicklungsplan wird ständig aktualisiert; immer wieder kommen neue Projekte und neue Ideen hinzu.

    "Im nächsten Schuljahr sind wir dabei, die Schulverfassung zu ergänzen durch ein soziales Konzept. Da liegen schon die ersten Ideen vor. Wir wollen jeder Jahrgangsstufe einen sozialen Schwerpunkt zuordnen im Umgang miteinander. Das kann bis zu Benimmkursen gehen. Und das wollen wir von unten nach oben beginnend mit der Jahrgangsstufe fünf aufbauen."

    Schüler, Lehrer und Eltern sind stolz auf ihre engagierte Schule. Ihrer Unterstützung kann sich Schulleiter Hertel sicher sein – der in keiner Weise an der Existenzberechtigung seiner Realschule mit über 1000 Schülern zweifelt. Eine Zusammenlegung mit einer Hauptschule schließt er kategorisch aus.

    "Weil ich meine, das geht zu Lasten der Qualität und des Niveaus. Wir müssen auch an unsere guten Schüler denken, die in der Realschule allein sicher besser gefördert werden. Wenn man die bayerischen Realschulergebnisse bei Pisa nimmt, dann liegen wir gleichauf mit Finnland. Was wir viel dringender brauchen ist die Ganztagesschule, um Schule bei den Schülern wieder in den Mittelpunkt ihres Alltages zu rücken."

    Eine Vermischung der Schularten kommt Hertel nicht in Frage. Den bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle weiß er hinter sich. Kooperationen im Modellversuch: Ja, aber nur auf dem Land, wo wegen rückläufiger Schülerzahlen vermehrt Schulschließungen drohen. Die im Freistaat regierende CSU will vom herkömmlichen dreigliedrigen Schulsystem aber nicht lassen. Ihr Koalitionspartner FDP beißt wohl auf Granit.

    Mittlerweile ist es Nachmittag geworden – und viele der Schüler sind noch immer kreativ. Die Radio AG produziert ein Hörspiel. Und im Instrumentenraum wird ein Musical einstudiert. Geschrieben hat es eine Schülerin: Dahlia, 15 Jahre alt.

    "Ich hatte schon immer einen Draht zum Schreiben. Ich habe schon daheim so kleine Geschichten immer geschrieben und irgendwann so ein kleines Stück. Ich finde, unsere Schule ist sehr engagiert. Die versucht, nicht nur lernen reinzubringen, sondern auch Spaß und Freude. Und das macht die Schule auch besonders, dass es auch Lehrer gibt, die sich dafür einsetzen. Die opfern auch ihre Freizeit dafür, damit die Schüler auch nach der Schule noch Spaß haben."

    Die Schüler sollen Spaß haben und für ihr ganzes Leben lernen. So stellen es sich die Lehrer an der Leopold-Ullstein-Realschule vor.