Eine Schule in einem sozialen Brennpunkt, hoher sogenannter "Migrationsanteil". Die Schüler telefonieren, schubsen sich gegenseitig, verhöhnen die Lehrerin, Sonia. Die kommt kaum zu Wort. Da fällt in einer Rangelei eine Pistole aus einer der Schülertaschen. Sonia greift zu. So beginnt sie ihren "Unterricht".
"SONIA: "Wie kommt man zu einem Ich, das diesen Namen verdient? Durch die Kunst, sagt Schiller, durch das Spiel, durch die Selbstbildung im Spiel! Durch diese Arbeit an sich selbst ist man zur inneren Freiheit fähig und wird dadurch auch zur äußeren Freiheit fähig. ""
Es geht um Schillers ästhetische Erziehung, die die Lehrerin jetzt mit Gewalt vermitteln will. Wer aber zum Spielen gezwungen wird, spielt nicht mehr, ist nicht mehr frei, kann sich als Mensch nicht entfalten. Wenn Mariam ihr Kopftuch weitertragen will, ist das für ihre Lehrerin nicht Mariams eigener Wille. Auch die Aufklärung ist Sonia wichtig.
"SONIA: "Nun spricht aber die Vernunft – Hasan: VERNUNFT!"
HASAN: "Vernumft."
SONIA: "Nein. Vernunft."
HASAN: "Vernunft."
SONIA: "Wer soll Euch denn glauben, dass Ihr keine Affen seid, wenn Ihr nicht mal dieses schöne deutsche Wort richtig aussprechen könnt: Vernunft.""
Der Inhalt des Unterrichts wird zum "Trojaner" für das zentrale Thema "Bildung gegen Gewalt". Mit dieser Dramaturgie ist die Ruhrtriennale-Produktion "Verrücktes Blut" dem ihr zugrunde liegenden Film "La journée de la Jupe" meilenweit voraus: Im Film proben die Schüler Molière, inhaltlich spielt er aber keine Rolle. Alles wimmelt von Polizei, Kollegen, Eltern, Ministerin, Lebenspartnern.
Bei Regisseur Nurkan Erpulat, Dramaturg Jens Hillje und den Darstellern vom Ballhaus Naunynstraße ist der Plot viel konzentrierter.
Auf der Bühne wirken Gruppen-Tumult und -Ausbrüche zwar manchmal etwas schwerfällig oder ungeformt, doch dann wieder entstehen mitreißende Szenen nah am Kultstatus.
Die Lehrerin ist anfangs so hysterisch, dass der Inszenierung der Rahmen beinahe abhandenkommt. Dann spielt Sesede Terziyan so drahtfedernd und leichtfüßig, dass man das Film-Vorbild fast vergisst.
Alle zittern deutlich sichtbar vor Angst. Aber das Spiel ist typenhaft und überzeichnet – Identifikation wird nicht geboten.
Man könnte denken, hier werden Migrantenkinder vorgeführt.
Dann stellt sich heraus: Es lacht ein Publikum, das sich selbst vorgeführt wird.
"CHOR: Vom moos'gen Stein am wald'gen Tal,
Da grüß ich dich zum letzten Mal, lieb Heimatland ade!"
Es hört mit Gefallen das wohlklingende Liedgut. Ein automatisches Klavier hängt drohend über den Köpfen der Darsteller. Der Proberaum ist "schalldicht".
In Duisburg steht das metaphorisch für ein Theater im Theater, das hermetisch abgeschlossen ist: das Theater der Migranten, für die immer nur Migrantenrollen reserviert sind. Das Ballhaus Naunynstraße bezeichnet sich leicht ironisch als "postmigrantischen Kulturbetrieb". Anfangs schlüpfen die Darsteller in die für Problemviertelmenschen zur Verfügung gestellte Gestik wie in Klischee-Kostüme, am Ende beklagen sie den Rollenzwang – der ja dem freien Spiel widerspricht.
"SONIA: "Nur weil ihr ein Opfer seid, heißt das nicht, dass ihr nicht auch zum Henker werden könnt. Eure einzige Chance ist, in der Schule zu arbeiten und zu lernen.""
Die letzten Worte "Der Unterricht ist beendet" spricht Sesede Terziyan ins Publikum.
"SONIA: "Wie kommt man zu einem Ich, das diesen Namen verdient? Durch die Kunst, sagt Schiller, durch das Spiel, durch die Selbstbildung im Spiel! Durch diese Arbeit an sich selbst ist man zur inneren Freiheit fähig und wird dadurch auch zur äußeren Freiheit fähig. ""
Es geht um Schillers ästhetische Erziehung, die die Lehrerin jetzt mit Gewalt vermitteln will. Wer aber zum Spielen gezwungen wird, spielt nicht mehr, ist nicht mehr frei, kann sich als Mensch nicht entfalten. Wenn Mariam ihr Kopftuch weitertragen will, ist das für ihre Lehrerin nicht Mariams eigener Wille. Auch die Aufklärung ist Sonia wichtig.
"SONIA: "Nun spricht aber die Vernunft – Hasan: VERNUNFT!"
HASAN: "Vernumft."
SONIA: "Nein. Vernunft."
HASAN: "Vernunft."
SONIA: "Wer soll Euch denn glauben, dass Ihr keine Affen seid, wenn Ihr nicht mal dieses schöne deutsche Wort richtig aussprechen könnt: Vernunft.""
Der Inhalt des Unterrichts wird zum "Trojaner" für das zentrale Thema "Bildung gegen Gewalt". Mit dieser Dramaturgie ist die Ruhrtriennale-Produktion "Verrücktes Blut" dem ihr zugrunde liegenden Film "La journée de la Jupe" meilenweit voraus: Im Film proben die Schüler Molière, inhaltlich spielt er aber keine Rolle. Alles wimmelt von Polizei, Kollegen, Eltern, Ministerin, Lebenspartnern.
Bei Regisseur Nurkan Erpulat, Dramaturg Jens Hillje und den Darstellern vom Ballhaus Naunynstraße ist der Plot viel konzentrierter.
Auf der Bühne wirken Gruppen-Tumult und -Ausbrüche zwar manchmal etwas schwerfällig oder ungeformt, doch dann wieder entstehen mitreißende Szenen nah am Kultstatus.
Die Lehrerin ist anfangs so hysterisch, dass der Inszenierung der Rahmen beinahe abhandenkommt. Dann spielt Sesede Terziyan so drahtfedernd und leichtfüßig, dass man das Film-Vorbild fast vergisst.
Alle zittern deutlich sichtbar vor Angst. Aber das Spiel ist typenhaft und überzeichnet – Identifikation wird nicht geboten.
Man könnte denken, hier werden Migrantenkinder vorgeführt.
Dann stellt sich heraus: Es lacht ein Publikum, das sich selbst vorgeführt wird.
"CHOR: Vom moos'gen Stein am wald'gen Tal,
Da grüß ich dich zum letzten Mal, lieb Heimatland ade!"
Es hört mit Gefallen das wohlklingende Liedgut. Ein automatisches Klavier hängt drohend über den Köpfen der Darsteller. Der Proberaum ist "schalldicht".
In Duisburg steht das metaphorisch für ein Theater im Theater, das hermetisch abgeschlossen ist: das Theater der Migranten, für die immer nur Migrantenrollen reserviert sind. Das Ballhaus Naunynstraße bezeichnet sich leicht ironisch als "postmigrantischen Kulturbetrieb". Anfangs schlüpfen die Darsteller in die für Problemviertelmenschen zur Verfügung gestellte Gestik wie in Klischee-Kostüme, am Ende beklagen sie den Rollenzwang – der ja dem freien Spiel widerspricht.
"SONIA: "Nur weil ihr ein Opfer seid, heißt das nicht, dass ihr nicht auch zum Henker werden könnt. Eure einzige Chance ist, in der Schule zu arbeiten und zu lernen.""
Die letzten Worte "Der Unterricht ist beendet" spricht Sesede Terziyan ins Publikum.