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"Unterrichtsbeamte" sind out

Der so genannte Praxisschock ist schon sprichwörtlich, wenn Lehramtsstudierende beispielsweise im Referendariat auf Schüler aus Fleisch und Blut treffen. Damit dieser Schock nicht zu groß ausfällt, organisierten jetzt Gewerkschaften und Asten mehrerer Hochschulen in Südhessen gemeinsam Informationsveranstaltungen, in denen es unter anderem um den Übergang vom Studium zum Refendariat ging. Nicht nur die aktuelle Pisa-Studie zeigt dabei: An den Schulen ist die Uhr für so genannte Unterrichtsbeamten abgelaufen. Damit die Schulen besser werden, ist Engagement der Lehrer gefragt - damit wird aber auch der Berufs-Stress noch größer als bisher.

Von Ludger Fittkau |
    Simon Elfer:
    Ich habe das zufällig in der Zeitung gesehen. Ich mache gerade mein erstes Staatsexamen, bin fast fertig und wollte mich einfach mal informieren. Ich würde gerne was darüber erfahren, wie das Referendariat abläuft, die Formalitäten und so weiter.

    David Messmer:
    Ich habe ziemlich viele Sachen bis jetzt ausprobiert, aber das war alles nicht so das Richtige. Ich habe sehr viele Freunde und Bekannte, auch in der Familie, die Lehrer sind das ist vielleicht auch mein Ding.

    Simon Elfer und David Messmer wollen sich in einem Seminarraum des "Alten Hauptgebäudes" der Technischen Universität Darmstadt darüber informieren, was sie nach dem Lehramtsstudium im Referendariat erwartet. Zum Gespräch steht ihnen Christof Baumann zur Verfügung, Lehrer für Biologie und Gesellschaftslehre an der Paul-Hindemith-Schule in Frankfurt am Main, einer integrierten Gesamtschule und Ganztagsschule:

    Es hat sich einiges an Schulen verändert. Sicherlich nicht in so hohem Maße, wie das in anderen Feldern der Fall ist. Die Grundstruktur der Unterrichtsverpflichtung ist ähnlich, aber es ist so, dass es beispielsweise durch Ganztagsschule, durch einen anderen Rhythmus, der in Schule reinkommen soll, zu Veränderungen kommen kann.

    In der jüngsten Zeit sei eben nicht zuletzt durch die Pisa-Studien stärker in den Blick gerückt, dass ein Lehrer über die Vermittlung des reinen Fachwissens hinaus die Schüler stärker individuell fördern müsse.

    Was auch an vielen Schulen mittlerweile gang und gebe ist, dass man in Teams arbeitet. Bei mir an der Schule ist es so, da gibt es Jahrgangsteams, das heißt die Klassenlehrer und die Co-Klassenlehrer eines Jahrgangs, die setzen sich bei uns alle 14 Tage zusammen, manchmal auch einmal die Woche für zwei Stunden, planen gemeinsam bestimmte schulische Veranstaltungen oder für den Jahrgang, sei es Ausflüge, Klassenfahrten, behandeln Probleme, die es mit Schülern und Eltern gibt.

    Christof Baumann, der auch stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Hessen ist, macht deutlich, dass Leidenschaft heute vielleicht mehr denn je eine Voraussetzung für den Lehrerberuf ist:

    Wenn jemand sagt, ich will Unterrichtsbeamter werden, ich gehe rein, mache mein Unterricht und gehe raus, der wird in vielen Fällen keinen Bein auf den Boden kriegen.

    Lehrer zu sein sei also kein Zuckerschlecken, da solle man sich nichts vormachen. Die Anwesenden nicken wissend. Doch mit einer Lehrerausbildung müsse man ja nicht unbedingt auch in der Schule arbeiten, erklärt Christof Baumann seinen Zuhörern. Es gäbe da schon ein paar Alternativen:

    Schulbuchverlage nehmen auch Leute aus den Schulen auf. In der übrigen Wirtschaft ist es so, dass die eigentlich Lehramtsabsolventen oft ganz gerne nehmen, weil die oft eine ganz breite Qualifikation haben, nicht so hoch spezialisiert, es werden sicherlich nicht die Top- Manager, aber sind ganz gut einsetzbar.

    Nach einer Stunde Vortrag fühlt sich Simon Elfer gut informiert. Er bereut es nicht, dass er zu den wenigen gehört, die den Weg in die Veranstaltung gefunden haben. Gefragt, ob denn andere Studierende kein Interesse haben, antwortet er:

    Ich glaube, die haben schon ein starkes Interesse. Viele haben es nicht mitgekriegt, aus welchen Gründen auch immer.

    Die Infotage an den südhessischen Hochschulen laufen noch bis morgen weiter. Wer genaueres wissen will, erkundigt sich am besten im Jugendbüro Südhessen des DGB in Darmstadt.