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Unterrichtsmaterialien
Schulbuch ade?

Im Internet frei zugängliche Unterrichtstexte drängen auf den Markt. Dabei ist mit "frei" mehr gemeint als "kostenlos". Für jeden sollen die Materialien zugänglich sein, jeder soll sie aber auch bearbeiten können. Das Wikipedia-Prinzip wird damit auf die Schule übertragen.

Von Claudia van Laak | 12.09.2014
    Schüler sitzen in einer Schulklasse.
    Theoretisch könnten sich renommierte Schulbuchverlage durch frei zugängliche Unterrichtsmaterialien bedroht fühlen. Tun sie offenbar aber nicht. Ihr Argument: Qualität setzt sich durch. (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    "Open Educational Resources sind wichtig, weil sie vor allem eine Demokratisierung von Bildung bedeuten. Jeder kann mitmachen, jeder hat Teilhabe an Bildung."
    "Offener Zugang, möglichst partizipative Herangehensweise, Zusammenarbeit von Lehrenden, Schülerinnen und Schülern."
    "Sie sind frei, sie sind teilbar, sie sind weiter bearbeitbar."
    Wow, das klingt nach Revolution. Und so ist das Werbevideo für die heutige Konferenz auch gemeint. Freie Bildungsmaterialien – damit wird das Wikipedia-Prinzip auf die Schule übertragen. Mit "frei" ist sehr viel mehr gemeint als kostenlos, erläutert Sebastian Horndasch von Wikimedia Deutschland.
    "Die meisten Sachen, die kostenlos sind, die dürfen nicht verändert werden. Die können Sie nur in der Form, wie Sie sie kriegen, nutzen. Wir meinen mit freien Bildungsmaterialien, die Freiheit zu machen, was man will. Zum Beispiel: Die Sachen zu verändern, Elemente hinzuzufügen, zu verbessern, zu remixen, neu zu verteilen."
    So wie es zum Beispiel die Lernplattform www.serlo.org Schülerinnen und Schülern für Mathematik und andere naturwissenschaftliche Fächer anbietet. Simon Köhl ist der Gründer von Serlo – der 25-jährige Studienabbrecher setzt jetzt das um, was er als Schüler vermisst hat.
    "Ich hätte beim selbstständigen Lernen gerne Übungsmaterialien mit ausführlichen Lösungen gehabt, ich hätte gerne Grundwissen mit einem Klick verfügbar gehabt, mit Videos hätte ich gerne gearbeitet."
    Das Thema "Freie Bildungsmaterialien" hat auch die Bildungspolitik erreicht. Unesco, EU-Kommission, Kultusministerkonferenz, Bundeszentrale für politische Bildung – alle erarbeiten sich derzeit eine Position dazu. Dabei geht es um das Urheberrecht genauso wie um den Datenschutz und nicht zuletzt um viel Geld. Die Frage hier: Läutet ein Boom der freien Bildungsmaterialien das Ende der herkömmlichen Schulbuchverlage ein? Sebastian Horndasch von Wikimedia Deutschland:
    "Es bedeutet sehr viel Veränderung, es bedeutet aber nicht das Ende der Verlage."
    Verlage Vertrauen auf die Kraft der Qualität
    Branchenvertreter blicken derzeit – noch - gelassen auf die Aktivisten. Wenn das Bildungsmaterial frei ist, bedeutet es noch lange nicht, dass es auch gut sei, sagt zum Beispiel David Klett, Geschäftsführer von "Klett Lernen und Information".
    "Solange es noch Geld gibt seitens der Schule und man es den Schulen nicht wegnimmt, werden die Lehrer das nehmen, was gut ist. Und wir können das, was wir tun, ziemlich gut. Und wir werden da auch immer besser."
    Für die Aktivisten sind freie Bildungsmaterialien ein Glücksfall für die Schule, ein Glücksfall für den Unterricht. David Klett kann darüber nur müde lächeln. Er sagt: Das ist eigentlich ein alter Hut.
    "Open Educational Resources – ich bin der Meinung, die gibt es schon immer. Ich denke, dass es schon im 19. Jahrhundert üblich war, dass Lehrer Unterrichtsideen geteilt haben. Auch dass das Schulbuch nicht immer sklavisch verfolgt wird. Sondern dass die Lehrer es einsetzen, es aussetzen, verändern, das ist Normalität."
    Tatsache ist – Open Educational Resources werden bereits offiziell erprobt – Berlin hat den Startschuss dafür gegeben. Auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg stehen für Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer frei verfügbare und bearbeitbare Unterrichtsmaterialien zur Verfügung.