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Unterschwellige Botschaften

Beim Einkaufen müssen Verbraucher mit vielen Dingen klarkommen: mit Preisen, Rabatten, teuren Marken und preiswerten Schnäppchen. Außerdem werden gezielt durch Musiken, Farben und Düfte Empfindungen der Konsumenten angesprochen.

Von Christian Forberg |
    Der Erlebnis-Einkaufsort: Ein Ausstatter der gehobenen Mittelklasse, beste City-Lage. Das Rauschen im wärmenden Eingangsbereich wird von dezenter Soul-Musik abgelöst. Lila Säulen heben sich von hellen Wänden ab. Die Luft weht nicht nur lau, sie duftet auch. Gleich am Eingang, auf der Seite der Damenkonfektion, ist eine kleine Parfümerieabteilung eingerichtet. Auf der Männerseite liegen Hemden und Pullover. Der Duft, der von der anderen Seite kommt, ist kaum noch wahrnehmbar.

    "Frauen werden auf jeden Fall stärker angesprochen durch Düfte, da gibt es viele Studien dazu. Es gibt Studien die sagen, wir nehmen überhaupt nur Frauen, die sind empfänglicher für Düfte. Bei Männern ist die Duftwahrnehmung nicht so gut wie bei den Frauen, und die sind dann auch nicht so empfänglich, die achten nicht so drauf."

    Jenny Müller hat an der Handelshochschule Leipzig einige solcher Geschäfte analysiert und viele Studien gelesen, bevor sie selbst zu experimentieren anfing: Je eine Woche lang beobachtete sie über 1000 Frauen und Männer in zwei Modegeschäften, die sie gestalten durfte.

    "Da habe ich an einzelnen Tagen einzelne Sachen geändert. Zum einen habe ich Duft in Kooperation mit einem Duftexperten neu hinzugefügt – die hatten bisher keinen. Dann habe ich die Musik geändert. Das war eine Popmusik, und ich habe dann etwas modernere Popmusik eingeführt an dem Tag. Als letztes habe ich dann farblich umdekoriert. Ich habe die Schaufenster neu gestaltet und auch die Innenräume neu gestaltet, sodass der ganze Laden einen anderen Farbton bekommen hat."

    Die Ergebnisse flossen in ihre Doktorarbeit ein. Thema: "Multisensuale Gestaltungen der Ladenatmosphäre". Multisensual meint Farbe, Duft, Musik. Und? Stimmt das Motto: Tue dieses, und du kannst jenes erreichen?

    "Ich dachte: Irgendwann fällt’s denen auf, dass ich hier jeden Tag irgendwas ändere, und irgendwann wird sich das rumsprechen, nachdem da Leute drin waren, die wirklich täglich einkaufen waren. Ist aber niemanden aufgefallen. Am Ende hatte ich eine Person, die habe ich nach den sechs Tagen gefragt, ob ihr was aufgefallen ist. Die sagt: Nö. Was denn?"

    Eine angenehm gestaltete Einkaufsatmosphäre allein ist also kein Garant für größeren Umsatz, auch wenn die Jahrzehnte zurückliegenden Anfänge etwas anderes versprachen: 38 Prozent mehr Umsatz erreichte ein Amerikaner, als er eine langsamere Kaufhausmusik einspielen ließ. Was aber in Nachfolgeexperimenten nicht mehr erreicht werden konnte, sagt Andrea Gröppel-Klein. Die Professorin leitet das Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Saarland Universität:

    "Da konnte man zum Beispiel herausfinden, dass als angenehm erlebte Hintergrundmusik die Stimmungsverschlechterung beim Einkaufen bremsen kann. Gleichzeitig hat man festgestellt, dass die Musik zum Sortiment passen muss. Außerdem konnte man herausfinden – und jetzt kommen wir zu den negativen Seiten – wenn Konsumenten Hintergrundmusik hören und sie bewusst erleben, aber negativ empfinden, dass dann der Konsument mit Reaktanz reagiert. Reaktanz heißt: Man spürt die Absicht und ist verstimmt."

    Die Absicht nämlich, wie Kühe im Stall zu mehr Leistung beim Einkauf angeregt zu werden, fügt Andrea Gröppel-Klein an. Bei Düften habe ein Missverhältnis zwischen dem Produkt und seinem Geruch noch gravierendere Folgen:

    "Jeder von uns, der mal in ein Textilhaus gegangen ist, hat vielleicht vorher im Schaufenster einen wunderbaren Pullover gesehen, ist vollkommen hingerissen von diesem Stück, muss dann bei der Anprobe aber bemerken, dass der Pullover muffig riecht – er wird dieses Produkt nicht kaufen."

    Auch ein Zuviel an Duft oder mehrere Duftnoten auf engem Raum können für Unbehagen sorgen. Selbst wenn es inzwischen Sprühautomaten gibt oder Düfte durch die Belüftungsanlage geschleust werden – es bleibt ein heikles Unternehmen.

    "Denn Düfte müssen eine gewisse Intensität haben, damit sie überhaupt wahrgenommen werden. Ist allerdings die Intensität zu hoch, dann empfinden die Konsumenten das als äußerst unangenehm; das ist so, als wenn beispielsweise sich eine Frau zu stark parfümiert - auch das finden wir in der Regel nicht besonders nett."

    Auch wenn Jenny Müller nicht solche technisch-exakten Methoden wie die Professorin aus Saarbrücken nutzte - das Eyetracking zum Beispiel, das Blickrichtung und Blickdauer misst -, stellte sie ähnliche Zusammenhänge fest: Angenehme wie unangenehme Empfindungen beim Einkauf werden durch Musiken, Farben, Düfte mehr oder weniger verstärkt. Und die Folgen?

    "Die Leute fanden den Duft angenehm. Haben trotzdem nicht mehr gekauft. Das war wirklich erstaunlich, aber aus praktischer Sicht und aus Sicht des Konsumenten auch ein angenehmes Ergebnis."