Dienstag, 19. März 2024

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Unterstützung für Orbàn-kritische Uni in Ungarn
"Signal für die Freiheit der Wissenschaft"

Die Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest ist durch Repressionen der ungarischen Regierung von der Schließung bedroht. Um den Standort zu sichern, will die TU München zwei Lehrstühle finanzieren. Die Uni hofft auf Unterstützung von weiteren Hochschulen, sagte TU-Präsident Wolfgang Herrmann im Dlf.

Wolfgang Herrmann im Gespräch mit Stephanie Gebert | 13.03.2019
23.04.2018, Ungarn, Budapest: Die Central European University (CEU). Sie wurde vom US-Milliardär George Soros gegründet
DIE TU München möchte der CEU zur Seite springen (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
Stephanie Gebert: Für liberale Bildungseinrichtungen steht es in Ungarn gerade schlecht: Wer mit seinen Ansichten als Feind ausgemacht ist, wird mundtot gemacht. So ist es auch der Zentraleuropäischen Universität, kurz CEU, ergangen. Sie hat wegen eines neuen Hochschulgesetzes schon mal die Koffer gepackt. Ein Teil der Studienprogramme an der Uni sollen ab Wintersemester nach Wien ziehen. CSU-Vize und Spitzenkandidat der Europäischen Volksparteien Manfred Weber hat gestern erst mit Orban genau darüber gesprochen und er hat versprochen, der CEU zu helfen, damit sie doch bleiben kann. Zwei Lehrstühle im Bereich Governance sollen finanziert werden aus Bayern, außerdem gibt es einen Stiftungslehrstuhl, koordiniert von der TU München. Wolfgang Herrmann ist Präsident der Technischen Universität in München. Ich grüße Sie!
Wolfgang Herrmann: Ich grüße Sie!
Gebert: Wie wird diese Kooperation zwischen Ihnen und der Zentraleuropäischen Universität aussehen?
Herrmann: Nun, die Einzelheiten sind mit dem Rektor, meinem Kollegen Ignatieff, in nächster Zeit auszuhandeln. Die TU München möchte hier ein Signal für die Freiheit der Wissenschaft setzen. Wir wollen, dass die osteuropäische Metropole Budapest ihre Strahlwirkung nach Osteuropa weiter entfaltet und dazu braucht es die freie Wissenschaft. Und nachdem die Zentraleuropäische Universität an diesem Standort Probleme bekommen hat, wollen wir ein Zeichen setzen.
Die drei Professuren werden im Bereich der Politikwissenschaften angesiedelt sein und unter dem Aspekt der Weiterentwicklung der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten im digitalen Zeitalter stehen.
Gebert: Ist Geld denn tatsächlich das, was die CEU braucht, um weiter auch in Budapest bleiben zu können? Vielmehr ist ja oft die Rede auch von den rechtlichen Bedingungen, von Rechtssicherheit, die in Ungarn nicht mehr gegeben sind.
Herrmann: Ja, darauf haben wir natürlich als Universität keinen Einfluss. Wir wollen aber mit dieser Initiative ein Signal setzen auch für andere europäische Spitzenuniversitäten, sich mit Budapest und der CEU unterzuhaken und auf diese Weise den Standort dort zu sichern, denn die Wissenschaft muss interessiert daran sein, dass im entstehenden, zusammenwachsenden, großen Europa, auch eben in Osteuropa, die Freiheit der Wissenschaft ihren Platz findet.
"Ein Signal, das von der Politik ernst genommen wird"
Gebert: Das heißt, Sie glauben schon, dass Sie die Orban-Regierung mit diesem Vorstoß dazu bewegen können, die Wissenschaftsfreiheit wieder zu achten?
Herrmann: Wir können zumindest ein Signal setzen, so meine ich, als eine der führenden Universitäten, ein Signal, das von der Politik ernst genommen wird, über die Unterzeichnung von irgendwelchen Memoranden hinaus eben auch zur Tat übergehen. Das wollen wir damit demonstrieren. Ob es am Ende gelingt, wird natürlich Sache der Politik sein. Aber ich bin sehr zuversichtlich. Manfred Weber macht hier ein hervorragendes Bild, die Initiative unterstützen wir deshalb.
Gebert: Die Idee ist angestoßen, Sie sagen es gerade, von Manfred Weber, der ist Spitzenkandidat der EVP, steckt mitten im Europawahlkampf. Diese Idee ist natürlich schmückend, da zu helfen und die Wissenschaftsfreiheit nach vorne zu bringen. Lässt sich die TU München da vor einen politischen Karren spannen?
Herrmann: Nein, überhaupt niemals. Wir nutzen diese günstige Gelegenheit, dieses politische Umfeld, wo sich jetzt hier unterschiedliche Ereignisse verdichten, denken Sie mal an das unglücksselige Diktum des Brexit. In solchen Zeiten müssen auch wir einen Beitrag leisten, dass in Europa Brücken gebaut werden und Europa nicht gespalten wird. Darauf kommt es uns an, und da schieben wir an, wo es geht. Wir hoffen, dass andere mit ins Boot kommen.
"Wir hoffen, dass andere mit ins Boot kommen"
Gebert: Orban selbst behauptet immer wieder, es mischen sich zu viele in die Politik seines Landes ein, etwa die EU zum Beispiel. Wenn Sie jetzt die CEU auf diese Weise unterstützen, wird Orbans Narrativ dann nicht sogar noch bestätigt, dass Sie sich einmischen?
Herrmann: Ja, Herr Orban soll am Ende einverstanden sein und sollte glücklich sein, wenn Budapest in seiner Internationalität gestärkt wird, und den größten Beitrag dazu kann bekanntermaßen die Wissenschaft leisten, weil sie unterschiedliche Kulturen miteinander vernetzt. Es ist ja diese Universität schon seit 1991 im Entstehen und hat eine hervorragende Performance, und darauf sollte man in Budapest stolz sein. Und vielleicht kommt diese Überzeugung noch.
Gebert: Wird es denn auch gemacht, wenn die EVP-Fraktion – noch ist das ja auch nicht ausgemachte Sache – weiter mit Orbans Partei, mit der Fidesz, zusammenarbeitet oder nicht? Oder ist das dann vom Tisch?
Herrmann: Es hängt davon ab, ob die CEU in Budapest uneingeschränkt als unabhängige, freie Universität arbeiten kann. Da engagieren wir uns. Das hat unmittelbar nur mit dem Standort Budapest zu tun.
Gebert: Das heißt, wenn dort Orban nicht einlenkt, werden Sie Ihre Kooperation auch zurückziehen oder Ihr Angebot der Kooperation?
Herrmann: Dann ist die Zielsetzung nicht erreichbar und unsere Initiative läuft ins Leere. Das ist richtig.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.