Nach den Worten des Bundesinnenministers hätte spätestens Ende Oktober, nachdem Tunesien die Identität Amris bestätigt hatte, ein Antrag auf Sicherungshaft gestellt werden können. Dafür habe es gute Gründe gegeben, erklärte der CDU-Politiker als Zeuge im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags: "Es wurde aber nicht einmal versucht."
Er fragte weiter: "Warum sollte eine Passersatzpapierbeschaffung bei geklärter Identität mehr als drei Monate dauern?". Außerdem hätte die Drei-Monats-Frist in Amris Fall nicht gegolten, weil er mit seinen Scheinidentitäten selbst zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen habe.
Indirekte Kritik an NRW-Ermittler
De Maizière widersprach damit indirekt dem nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD). Dieser hatte die Auffassung vertreten, im Umgang mit Amri seien die Behörden "an die Grenzen des Rechtsstaats" gegangen.
Auch der nordrhein-westfälische Sonderermittler Bernhard Kretschmer war zu dem Schluss gekommen, dass Amri nach geltender Rechtslage nicht hätte inhaftiert werden können. An dieser Einschätzung gab es aber Kritik aus den Reihen der Opposition im Düsseldorfer Landtag.
De Maizière: Bewertung der Bundesbehörden nachvollziehbar
Ein Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden des Bundes liegt nach Ansicht von de Maizière nicht vor. Die gemeinsame Bewertung, ein Anschlag durch Amri sei eher auszuschließen, halte er für nachvollziehbar. Es gehöre zur bitteren Wahrheit, dass man aus heutiger Sicht konstatieren müsse, dass sie objektiv unzutreffend gewesen sei, betonte der Minister.
Der Tunesier Amri hatte am 19. Dezember den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche verübt. Zwölf Menschen wurden getötet. Behörden in Nordrhein-Westfalen hatten Amri bereits im Februar 2016 als islamistischen Gefährder eingestuft. Dennoch konnte Amri vor dem Lastwagenattentat untertauchen.
(gwi/hba)