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Unterwegs auf Himmelswegen

Die Tourismusroute "Himmelswege" verbindet die jüngsten archäologischen Funde in Sachsen-Anhalt, darunter das Sonnenobservatorium von Goseck, der Fundort der berühmten Himmelscheibe von Nebra, oder das Steinkammergrab bei Langeneichstädt. Auch das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle liegt auf er Strecke. Besonders stimmungsvoll ist die Tour zur Sonnenwende im Dezember und im Juni.

Von Eva Firzlaff | 20.12.2009
    Die Himmelsscheibe ist die älteste bislang bekannte Himmelskarte, weltweit. Auf der tellergroßen Bronzescheibe lässt sich zum Beispiel die Sonnenwende ablesen und der Schaltmonat. Den hatte man eingefügt, weil ja Sonnen- und Mondjahr nicht übereinstimmen. Dietmar Lutter in der Arche Nebra:

    "Und diese Schaltregel, die hier drauf ist, das ist ja über Generationen angesammeltes astronomisches Wissen, was hier erstmals verewigt wurde. Diese Schaltregel hängt zusammen mit den Plejaden und der Stellung und Stärke dieses Sichelmondes nach dem ersten Frühjahrsneumond. Und wenn er so neben den Plejaden erschien, dann wusste man, jetzt ist es an der Zeit diesen Schaltmonat einzufügen."

    Wenn man diese kunstvolle Schmiedearbeit im alten Babylon gefunden hätte, na gut, dort kannte man den Schaltmonat - aber hier im Busch? Man nimmt an, dass die Himmelsscheibe begraben oder geopfert wurde, denn sie steckte nur 30 Zentimeter tief in der Erde, senkrecht stehend. Und gleich daneben - wie in einem Grab - Beilklingen, Schwerter und Armreifen. Das alles ist zu sehen in der Arche Nebra. Dort wird die Himmelsscheibe in ihrer Zeit erklärt, ihre Entstehung und der astronomische Hintergrund. Und es gibt eine Kopie zum Anfassen.
    Der Mittelberg war ein mystischer Berg. Hier wurde nicht gesiedelt, doch es gibt viele, viele Grabstätten und einen eisenzeitlichen Wall.

    "Und erfahrungsgemäß ist es so, wenn ich innerhalb so einer Wallanlage suche, ist die Chance, etwas Wertvolles zu finden doch bedeutend größer, als wenn ich einfach so durch den Wald streife. Und deshalb sind die dann losgezogen mit solchen Metalldetektoren und haben halt gesucht. Und sind dann fündig geworden."

    Zwei Raubgräber hatten die Himmelsscheibe vor zehn Jahren gefunden und wollten sie zu Geld zu machen. Doch wie im Krimi wurden sie gestellt, die Scheibe kam zurück nach Deutschland und ist nun im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle zu sehen.

    Oben auf dem Mittelberg steht jetzt ein Turm, damit man die Sichtverhältnisse vor 3-4.000 Jahren nachvollziehen kann.

    "Der Mittelberg selbst ist 252 Meter hoch, das ist nicht besonders viel, aber trotzdem ist es die höchste Erhebung hier ringsum. Und sie müssen sich vorstellen, damals war dieser Berg nicht bewaldet. Deshalb hat man Sichtmöglichkeiten bis hin zum Brocken, bis zum Kyffhäuser, in östlicher Richtung bis zum Petersberg bei Halle und in südlicher Richtung bis zu diesem Plateau kurz vor Naumburg, wo heute die Neuenburg draufsteht. Alles das konnte man vom Mittelberg aus sehen. Und kann man heute vom Turm aus sehen. Und deshalb konnte man auch vom Mittelberg aus solche astronomischen Bezüge festmachen, wie den Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende neben dem Brocken."

    Sonnenauf- und Untergang zur Sommersonnenwende neben Petersberg und Brocken stimmen überein mit den Horizontbögen auf der Scheibe.

    Unsere nächste Station auf den Himmelswegen ist Goseck, ebenfalls im Unstrutgebiet. Dort wird immer am 21. Dezember gefeiert mit Feuerzauber, Musik und Glühwein. Abends um 6.00 trifft man sich im Dorf, dann geht es mit Trommel und Fackeln raus auf den Acker. "Da ist irgendwas" sagten schon vor Jahrzehnten die Agrarflieger und gemunkelt wurde vieles, erzählt Gerhard Müller aus dem Nachbardorf Braunsbedra.

    "Na, bis zu einer Wunderwaffe vom Dritten Reich. Genaues wusste niemand. Von Außerirdischen war nicht die Rede."

    1991 waren dann Luftbildarchäologen in der Gegend. Im jungen Getreide zeigten sich Strukturen im Boden. Uta Oelke vom Verein Sonnenobservatorium.

    "Dadurch, dass man eben eiszeitlich gewachsenen Boden schon einmal aufgeschachtet hat, der Graben hat sich dann wieder verfüllt - dadurch ist der Boden lockerer, sauerstoffhaltiger, der Wasserspeicher ist besser. Und dadurch wächst es einfach besser. Und diese positive Markierung der Vegetation sieht man eben aus der Luft und nur aus der Luft. Bevor es rekonstruiert wurde, gingen die Archäologen ja davon aus, dass dies hier eine jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlage ist. Also Jungsteinzeit in dem Zeitfenster von 4800 bis 4500 vor Christus. Zunächst war es erstmal eine Kreisgrabenanlage, wie es über 200 in Europa gibt."

    Solche Kreisgrabenanlagen wurden als Dorfzentren gebaut. Die Sensation kam dann, als ausgegraben und rekonstruiert wurde. Denn der große Ringgraben und darin die beiden Palisadenringe hatten spezielle Tore.

    "Und das war sehr auffällig, dass das drei Tore waren und die auch astronomisch ausgerichtet waren, nämlich das Haupttor ist norden, die zwei anderen mit Wangen markierten Tore, das ist das Tor zur Wintersonnenwende, also 21. Dezember, Sonnenaufgang und das Tor zum Sonnenuntergang."

    Das geht über einen normalen Kultplatz hinaus. Deshalb der Name Sonnenobservatorium. Bislang fand man die ältesten in Österreich. Nun also im Unstrutgebiet. Ausführlich informiert wird im Schloss Goseck. Die Kreisgrabenanlage selbst ist rund um die Uhr frei zugänglich.

    "Und übernachten tun auch viele Leute hier besonders im Sommer. Ach, selbst im Winter zur Wintersonnenwende. Da kamen hier früh die Ersten an, haben Sonnenaufgang beobachten wollen, auf einmal kamen ein paar Mann aus dem Schlafsack gekrochen."

    Weil man doch hier positive Energie tanken könne.

    Zu den Sonnenwendfeiern im Dezember und Juni soll nicht die Steinzeit wieder auferstehen, aber so ein bisschen das Lebensgefühl vermittelt werden, als die Sonne so sehr das Leben bestimmte. Vor etwa 7000 Jahren. Das berühmte Stonehenge ist wesentlich jünger.

    Dritte Station ist Langeneichstädt. Schon von Weitem sieht man den dicken runden Steinturm auf einem Hügel, ein Stück ab vom Dorf. Ein mittelalterlicher Wachturm, der einzige weit und breit. Die eigentliche Sensation allerdings fand man von 20 Jahren zu dessen Füßen. Roland Batzner vom Warte-Verein:

    "Und zwar sind die mit dem Pflug über so einen großen Deckstein gefahren und haben den angehoben mit den Pflugscharen. Wir sehen schon hier so ein paar Ritzspuren. Die haben das dann freigelegt, wollten den Stein raus nehmen mit einem Kran und so. Und: Hier ist ja was."

    Nämlich eine große steinzeitliche Grabkammer.

    "Das Grab wurde circa 100 Jahre genutzt, sodass wir hier mehrere Bestattungen vorgefunden haben. Wie eine Art Familiengruft, würden wir heute sagen."

    Schmuckstücke aus Tierzähnen, Kupfer und Bernstein liegen jetzt - wie die Himmelsscheibe - im Landesmuseum für Vorgeschichte. Auch die Steinsäule mit einer Dolmengöttin, wie sie eigentlich aus Westeuropa bekannt ist. Diese fand man im Grab, eine Kopie steht jetzt daneben.

    "Beim Ausheben der Grabstätte wurde diese Stele gefunden. Die hat die Form eines Phallus, sage ich mal so. Durch vieles Abtasten und Streicheln ist hier eine Glättung da. Und man sagt auch, dass die jungen Frauen, die Kinderwunsch hatten, sich hier mit den Schenkeln gerieben haben sollen."

    Weit geht der Blick über die Felder. Das Grab der Dolmengöttin erinnert uns daran, dass auch vor 5000 Jahren hier Menschen gelebt haben. Und bringt - wie Himmelsscheibe und Sonnenobservatorium - neues Licht in die Urgeschichte der Region.

    Mehr Infos:

    Himmelswege - Tourismusroute in Sachsen-Anhalt