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Unterwegs im roten Brummer

Als der Prototyp des Schienenbusses 1950 in der Waggon-Fabrik Uerdingen vom Band auf die Schiene rollte, hatte er einen hehren Auftrag: Als Retter der Nebenbahn sollte er die Stilllegung zahlreicher Nebenstrecken im ländlichen Raum verhindern. Doch 1991 wäre der letzte Personenzug durch die Vulkaneifel gefahren, hätten nicht engagierte Bahnfans die Strecke neu ins Leben gerufen.

Von Elisabeth Schneider |
    Das ist der rote Brummer, ein echter Oldtimer, ein Schienenbus. Seine Strecke: Eifelquerbahn zwischen Kaisersesch und Gerolstein. Zehn Jahre lang lagen die Schienen in der Vulkaneifel brach, aber heute fährt er wieder im Zwei-Stunden-Takt, der historische Schienenbus.

    " So'n Zoch, der erinnert hier, an den Charme der Fünfziger, Sechziger Jahre, ein, ja wie soll man's beschreiben, ganz knuffiges Gefährt. "

    Die dunkelrote Farbe und der unüberhörbare Dieselmotor sind charakteristisch für den Schienenbus VT 95. Als Charakter im Kinderbuch "Thomas, die kleine Lokomotive" wäre er vielleicht ein gutmütiger älterer Herr. Neben einer kraftstrotzenden, schnaufenden Dampflok oder der angeberischen Schnellzug-Lokomotive wäre der rote Brummer zwar ein eher unscheinbarer Zeitgenosse, etwas schwerfällig, aber sympathisch. Mit seinen runden Scheinwerfern blickt er seit fünfzig Jahren treuherzig in die Welt und bringt seine Fahrgäste immer noch zuverlässig ans Ziel.

    Als der Prototyp des Schienenbusses 1950 in der Waggon-Fabrik Uerdingen vom Band auf die Schiene rollte, hatte er einen hehren Auftrag: Als "Retter der Nebenbahn" sollte er die Stilllegung zahlreicher Nebenstrecken im ländlichen Raum verhindern. Doch 1991 fährt der vorläufig letzte Personenzug durch die Vulkaneifel. Die Strecke der Eifelquerbahn wirft für die Bahn keinen Profit mehr ab. Die Schienenbusse werden ausrangiert, verkauft, verschrottet. Dank dem beharrlichen Engagement seiner Fans und kräftiger Finanzspritzen des Landes Rheinland-Pfalz ist der rote Brummer heute wieder regelmäßig unterwegs. Im Auftrag eines privaten Eisenbahnunternehmens zeigt er den Fahrgästen an Wochenenden und in der Ferienzeit die Vulkaneifel von ihrer romantischen Seite.

    " Ach, das ist doch ein Traum, es ist ein Traum. Sie kommen übern Hügel und dann stehen Sie da und dann ist die Weite, die Weite nach links und die Rapsfelder jetzt, und rechts werden die Berge ja dann höher. Sie kommen durch Stücke mit Buch, hohem Buchenwald, richtiger Hochwald, wunderwunderschön, und dann wird's wieder offen, dann kommen wieder die Wiesen. "

    Durch die kontrastreiche Landschaft mit schroffen Basaltfelsen und sanften grünen Hügeln, zieht der rote Triebwagen knatternd und pfeifend einen Waggon hinter sich her.

    " Das Schöne ist, dass die Landschaft offen ist, und dass man sehr nah dran ist an den Ursprüngen und noch die Auswirkungen der Vulkan-Tätigkeit hier erleben kann. An den Felsen, an den großen Felsen, die in der Landschaft stehen und an den kleinen schönen runden Seen. "

    Es ist die unberührte Natur, die Radfahrer und Wanderer hierher lockt. Abseits der Bahnstrecke gedeihen auf Lava-Böden wilde Orchideen, bedrohte Vogelarten finden ideale Brut- und Nistplätze in einem ausgedienten Steinbruch.

    Aber nicht nur Touristen, auch die Eifelaner selbst wissen es zu schätzen, dass ihr Bähnchen wieder zwischen den Dörfern hin und her pendelt.

    " Wir sind früher damit zur Ausbildung gefahren, oder halt in die Schule auch, ne, da war dat gar nix besonderes, ja und jetzt ist das schon en Highlight. "

    Um den Zugverkehr in der Eifel wieder zu beleben, war ein finanzieller Kraftakt nötig. Hohe Zuschüsse kamen vom Wirtschafts- und Verkehrsministerium Rheinland-Pfalz. Die eigens gegründete Vulkan-Eifel-Bahn-Betriebsgesellschaft hat die Strecke gepachtet und stellt die Lokführer. Doch ohne unzählige freiwillige Arbeitsstunden der Eisenbahnfreunde, wäre das Projekt nicht denkbar. Ehrenamtlich restaurieren die Vereinsmitglieder detailgetreu die alten Uerdinger Trieb- und Beiwagen. Als Zugbegleiter aus Leidenschaft verkaufen sie auch Fahrkarten und Limonade, geben Ausflugstipps und Expertenwissen weiter - alles aus Liebe zum Hobby.

    " Ich bin mit der Eisenbahn groß geworden und habe dann als Kind schon, damals in den sechziger Jahren die Dampfzüge gesehen, und seitdem hat's mich nicht mehr losgelassen und bin halt voll infiziert vom Eisenbahn-Virus. "

    Wenn der Zug die Endstation in Kaisersesch erreicht, muss er die Fahrtrichtung wechseln. Auf der Rückfahrt nach Gerolstein schiebt der Triebwagen den Waggon vor sich her. Dazu verlegt der Lokführer die Steuerung aufs andere Ende des Zuges. Der Zugbegleiter setzt rote Glasscheiben vor die Scheinwerfer, die jetzt Rücklichter sind. Aus vorne wird hinten.

    " Wenn einem die Modelleisenbahn nicht mehr reicht, dann muss man sich halt eben etwas anderes suchen, etwas größeres, und das ist halt eben eins zu eins, das Original. "

    Lokführer Marco Petry nennt den Schienenbus liebevoll seinen "Boliden". Seit die Gleise erneuert worden sind, darf er den Triebwagen auf stolze 60 km/h beschleunigen. Gegen einen modernen Zug, in dem die gesamte Steuerung automatisch funktioniert, würde er seinen Boliden nie eintauschen. Die Vorzüge des roten Brummers:

    " Zuverlässig! Hier ist die Gangschaltung, hier habe ich Gas, hier unten die Sifa, die sogenannte Totmann-Schaltung. Man guckt sich hier die Drehzahlmesser an, Tacho. Wie jedes normale Eisenbahnfahrzeug nur ein bisschen rustikaler. "

    Rustikales Eisenbahnhandwerk, Dieselruß, ringsum die idyllische Eifellandschaft - die Fahrt mit dem roten Brummer erinnert ein wenig an Jim Knopf und Lukas, die mit ihrer Lokomotive Emma um die kleine Insel Lummerland herum kurven. Auch die Hobbyeisenbahner auf der Eifelquerbahn haben einen kleinen Lehrling.

    " Es hubbelt zwar ein wenig, aber es macht Spaß . Also manchmal sieht man auch Tiere wie Rehe oder Hasen, viele Vögel und halt und so und die Bahnübergänge. "

    In den meisten Dörfchen hält die Eifelquerbahn allerdings nur nach Bedarf. Der Schaffner muss die Haltewünsche der Fahrgäste an den Lokführer durchgeben.

    " Die offiziellen Haltestellen-Bahnhöfe sind Gerolstein, Daun, Ulmen und Kaisersesch. Die anderen Stationen unterwegs, da wird nur angehalten, wenn jemand aussteigen möchte oder wenn ein Fahrgast an der Haltestelle steht, und möchte mitfahren. Dann halten wir da an, wenn keiner da steht und keiner aussteigen möchte, fahren wir weiter ohne anzuhalten. "

    So lassen sich auch Verspätungen wieder ausgleichen. Denn natürlich gibt es auch für die Hobby-Eisenbahner einen verbindlichen Fahrplan, der den Anschluss an Regionalzüge nach Andernach, Trier oder Köln ermöglicht. Aber die meisten Fahrgäste genießen die Fahrt ohne Zeitdruck.

    " Ja, super! Schön durch den Wald, schöne Aussicht, hat echt Spaß gemacht. Ein bisschen abenteuerlich, aber ansonsten echt toll. "

    Vom roten Brummer bleibt nur ein kleines Dieselwölkchen zurück. Wenn den Wanderfreunden die Füße wieder schwer werden, darf der historische Schienenbus sie zurück zur Herberge fahren.

    " Man hat sich einfach in ne Zeit zurück versetzt gefühlt. Man hat schon den Diesel gerochen, und das Tuten immer, das hat sich wie Pferdetrappern immer so angehört ein bisschen, aber das fand ich nicht Lärmbelästigung, sondern schön, also nostalgisch. "