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Unterwegs mit dem Teufel

Sie kommt im Alten Testament nur ganz kurz und ungenau vor, aber diese magere Voraussetzung hat die Dame Lilith zu einer ruhmreichen Laufbahn ausgebaut. In Wien wird der Lilith-Stoff nun in einer Variante mit wenig Requisiten und viel nackter Haut inszeniert.

Von Jörn Florian Fuchs | 26.10.2013
    Vor gut dreieinhalb Jahren erlebte man an der Bayerischen Staatsoper ein ungemein banales Spektakel, bei dem sowohl Musik wie Text auf negative Weise zusammen passten. "Die Tragödie des Teufels" führte in mythologische Untiefen, Adam kämpfte mit Luzifer um sich und die Menschheit, doch der gefallene Lichtbringer erwies sich schlussendlich als ziemlich schwach. Albert Ostermaier verzapfte den arg kitschigen, prätentiösen Text, Meisterkomponist Peter Eötvös lieferte einen fahrig belanglosen Soundtrack. Mit einem Wort, es handelte sich um einen wirklichen Flop. Was also liegt näher, als diesem Duo Infernale mit einer weiteren Oper zu beauftragen? Das renommierte Festival Wien Modern (in Kooperation mit der Neuen Oper Wien) tat genau dies und herausgekommen ist wieder etwas schwer Verdauliches.

    Groteskerweise führt "Paradise reloaded (Lilith)" erneut Adam und Luzifer zusammen, Ostermaier bediente sich eifrig bei seinen eigenen Texten, Peter Eötvös schrieb zwar die Musik ganz neu, jedoch klingt alles irgendwie nach einer noch schwächeren Variante der "Tragödie des Teufels". Der ideale Titel wäre folglich wohl "Hell reycled".

    Inhaltlich geht es neben dem erwähnten Adam-Luzifer-Wettstreit auch um den Kampf zweier recht unterschiedlicher Frauen, Eva, die Adams Rippe entstammt und Lilith, die hier als souveräne, dennoch liebesbedürftige Emanze auftritt. Am Ende ist Lilith schwanger und von allen guten wie bösen Männern und Mächten verlassen. Vorher wird ein bisschen vom verbotenen Apfel gegessen und über Sinn, Sein oder Wahrheitssuche radotiert, dazu gibt es noch Kaspereien eines Erdgeists, völlig in der Luft hängende Kriegsszenarien inklusive Journalistenmord und – absolute Krönung – einer Selbstmordattentäterin. Diese entpuppt sich als Eva, die den Sprengstoffgürtel von Lilith umgeschnallt bekommt. Hey, wie zeitgeistig! Das dies alles kompletter, auf dem Papier konstruierter Blödsinn ist, eh klar! Doch leider besitzt Ostermaiers Libretto zudem noch etliche Stilblüten. Kaum ein Klischee wird ausgelassen, es gibt Sätze wie "Adam wird sein Adamsapfel sein".

    So etwas kann man eigentlich nicht inszenieren. Johannes Erath gelingt das Kunststück, mit wenigen Requisiten und viel nackter Haut (schließlich sind wir ja irgendwie im Paradies) immer wieder Spannung zu erzeugen. Ein Ungetüm aus flackernden Neonröhren steht auf der Bühne, vorne sonnen sich Adam und Eva oder verzehren die verbotene Frucht, ganz hinten sieht man viel Stuck, denn der Aufführungsort ist eine Halle im barocken Museumsquartier. Erath gibt dem Teufel Zucker, mit schwarz-weißen Flügeln rast dieser umher, etwas tuntige Engel tauchen auf, die Regie setzt und findet meist klare Zeichen.

    Die Leistungen der Solisten kann man leider nicht abschließend beurteilen, da sie elektronisch verstärkt werden. Annette Schönmüllers Lilith und Rebecca Nelsens Eva wirken vokal absolut ebenbürtig, David Adam Moore ist eine eindringliche Teufelsfigur, Eric Stoklossas Adam besitzt nicht vokale Kraft, sondern auch ein beachtliches Sixpack. Walter Kobéra hält am Pult des amadeus ensemble-wien die musikalischen Fäden gut zusammen. Peter Eötvös schuf einen völlig eklektizistischen Tonsatz, da grummelt es düster aus dem Computer, ein Klavier klimpert munter die Tonleitern rauf und runter, es klappert und klirrt und dröhnt oftmals überlaut. Die Gesangslinien scheinen aus längst vergessener Zeit zu stammen, eher simpler Koloraturenschönklang, versetzt mit ein paar schmutzigen Hürden. Dass dieser Komponist einstmals das Genre Oper neu erfand (etwa mit seinen "Tri Sestri"), man mag es kaum glauben.