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Unübersichtliche Szenen

...mehr als 100 Kriminalbeamten haben heute Wohnungen von Islamisten in Wiesbaden, Mannheim, und München durchsucht. Drei Männer stehen im Verdacht, Anschläge in Deutschland vorbereitet zu haben...

Von Dirk Laabs |
    ... drei Islamisten aus Münster und Minden sollen Sprengstoffanschläge in Deutschland geplant haben. Einem der Männer wird zudem vorgeworfen, die Attentäter vom 11. September unterstützt haben...

    ...die Polizei hat heute Morgen zwei Moscheen in Bochum umstellt...

    In den fast drei Jahren seit dem 11. September 2001 hat die Polizei mehrere Dutzend Moscheen und Wohnungen in Deutschland durchsucht. Mehr als hundert Verdächtige wurden vorübergehend festgenommen und verhört. Die Bundesanwaltschaft leitete mehr als 170 Ermittlungsverfahren ein. In mehr als 80 Fällen wird noch ermittelt.

    Auch drei der vier Piloten vom 11. September hatten in Deutschland gelebt. Die Ermittlungen der Polizei zeigen, dass sie sich in Deutschland nicht zufällig trafen. Unter den Augen der verschiedenen Verfassungsschutzämter und Staatsschutzeinheiten hat sich über Jahre eine islamistische Szene geformt.

    Die Ermittler stellten fest, dass der Islamismus auch in Deutschland viele Anhänger hat. So waren schon die Attentäter vom 11. September nicht die isolierten "Schläfer", als die sie oft beschrieben worden sind. Der Vizechef des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck:

    Es gab eine größere Szene von näheren Bekannten, die Wohnungen gegeben haben, mitgewohnt haben, dies das oder jenes gemacht haben - man kannte sich in den Moscheen, vom Beten. Die Szene war also deutlich größer und nicht drei Attentäter und zwei, drei Unterstützer aus dem engeren Unterstützerumfeld, die jetzt flüchtig sind oder sitzen. Das greift weiter.

    Sicherheitsexperten entschlüsseln nun allmählich, wie diese Islamistenszene organisiert ist. Eine zentrale Erkenntnis: Entscheidend für eine weitere Radikalisierung der Aktivisten sind Veteranen der Bewegung. Denn sie haben meist selbst gegen so genannte "Ungläubige" gekämpft, zum Beispiel in Afghanistan. Sie sind die Schlüsselfiguren, sie können Mitläufer zu Tätern machen. Um das zu erreichen, benötige ein Veteran spezielle Eigenschaften, sagt der Islamismusexperte Reinhard Schulze, Professor an der Universität Bern:

    Er muss sozusagen eine gute Imagebildung haben. Er muss sich tatsächlich als Pate oder Patron einer großen Idee verkaufen können, er muss in einer Moschee auftreten können und sagen, ich bin der Pate der Qaida-Idee.

    Die Attentäter vom 11. September und ihre Rolle in der Hamburger Islamistenszene zeigen den Ermittlern, wie wichtig diese Paten waren. Sie haben die späteren Attentäter radikalisiert und den Islamismus in Deutschland etabliert.

    Eine dieser Schlüsselfiguren ist der Syrer Haydar Zammar – er ist in den radikalen Moscheen Hamburgs sehr bekannt. Mit der Ankunft seiner Familie in Hamburg begann auch die Geschichte des Islamismus’ in Deutschland.
    Der Vater Haydars kam mit Frau und Kindern Anfang der 80er Jahre von Syrien nach Hamburg. In seiner Heimatstadt Aleppo war er Anhänger der Muslimbruderschaft – sie gilt als Urzelle aller islamistischen Bewegungen. Für Muslimbrüder dominiert der Islam die Politik, der Glauben diktiert jede gesellschaftliche Norm. Mit Bombenattentaten versuchte die Bruderschaft, dieses Weltbild in Syrien durchzusetzen.

    Im Februar 1982 statuierte die syrische Regierung ein Exempel. Sie ließ die Stadt Hama, eine Hochburg der Muslimbrüder, mit Granaten beschießen. Fast 25.000 Menschen wurden von der syrischen Armee getötet. Die Bruderschaft hatte verstanden: In Syrien widersetzte sie sich dem Regime Assads seitdem nicht wieder. Viele Islamisten flüchteten nach Europa. Wie der Clan der Zammars.

    In Hamburg gründete der Syrer mit seinen Weggefährten Kulturvereine und Moscheen. Oft mieteten sie Hinterräume von Obsthändlern, um dort kleine Gebetsräume unterzubringen. Hier schlug die Stunde Null des Islamismus in Deutschland. Denn die Muslimbrüder retteten ihre Ideologie nicht bloß ins Exil, sondern überdachten sie grundlegend. Der Islamismusforscher Reinhard Schulze von der Universität Bern:

    Die alten Muslimbrüder hatten im Grunde eine politische Option gehabt, nämlich Syrien, und mit der Emigration aus Syrien verloren sie diese Option. Sie konnten sich nur noch als Tradenten einer guten syrischen Opposition in Deutschland legitimieren und behaupten, hatten aber kein politisches Ziel, was sollten sie denn tun in Deutschland? Sollten sie den syrischen Staat in irgendeiner Art und Weise in Misskredit bringen oder angreifen oder so etwas?

    Die Islamisten der "ersten Stunde" suchten, unsichtbar für den Rest der Gesellschaft, eine Alternative zum Kampf gegen das Regime in der Heimat. Nicht mehr die Nation, nur noch der Glaube war entscheidend. Die Männer kapselten sich ab. Viele wurden radikaler, verschwiegener – und gewaltbereiter. Diese Haltung gaben die Männer an die nächste Generation weiter.

    In den folgenden Jahren spiegelte die Islamistenszene in Deutschland die internationale Entwicklung wider – sie radikalisierte sich weiter. Vor allem der Kampf der Mujaheddin gegen die Rote Armee in Afghanistan bewegte die Islamisten in Deutschland. Auch aus Hamburg schickte man Kämpfer zur Unterstützung.
    Die Afghanistan-Veteranen brachten ein neues Konzept zurück in ihre Gastländer. Der Sieg über die Russen hatte ihnen Mut gemacht. Nun wollten sie die Armeen der "Ungläubigen" aus allen muslimischen Ländern vertreiben. Inspiriert von Osama Bin Laden gründeten die Gotteskrieger zu diesem Zweck eine Art internationale Brigade muslimischer Kämpfer. Der Jihad-Tourismus war geboren. Ein Kampfplatz war Anfang der 90er Jahre Bosnien.

    Auch die Hamburger Szene schickte wieder Rekruten. Unter ihnen: der junge Haydar Zammar. Nach seiner Zeit in Bosnien flog er Dutzende Male in die Türkei. Von dort wurde er nach Afghanistan eingeschleust. Ein marokkanischer Geheimdienstbericht fasst zusammen:

    Zammar, Mohammed Haydar, alias Abu Adel, alias Abu El Hassan Assouri ... ist leidenschaftlicher Anhänger des Jihad, er wurde persönlich von Bin Laden nach Afghanistan eingeladen, wo er sich zeitweise - zwischen 1991-96 und im Oktober 2000 - aufhielt. ... Während seines Aufenthalts in Afghanistan absolvierte er paramilitärische Lehrgänge in den Ausbildungslagern al-Farouk und al Khosti...

    In diesen Lagern hatten Bin Laden und seine Anhänger neue Ziele formuliert. Die Gotteskrieger wollten den Krieg in die Länder der "Ungläubigen" tragen. Haydar warb bei den jungen Muslimen in den Hamburger Moscheen für einen weltweiten Heiligen Krieg. So inspirierte er die dritte Generation der Islamisten in Deutschland. Zu dieser Gruppe gehörten Studenten aus der ganzen arabischen Welt. Sie hatten weder in ihrer Heimat noch in Deutschland einen Sinn in ihrem Leben entdecken können, allein im Islam waren sie zuhause. Unter diesen Studenten waren: Mohammed Atta, Ziad Jarrah und Marwan al-Shehhi, die Attentäter vom 11. September.

    Zu diesem Zeitpunkt war Hamburg europäischen Terror-Ermittlern längst ein Begriff. Denn schon seit Mitte der 90er Jahre waren Fahnder in ganz Europa auf ein Netz islamistischer Terroristen gestoßen. Viele Spuren führten nach Deutschland.

    Auch Haydars Name tauchte auf. Bei Islamisten, die 1998 in Italien verhaftet wurden, fand man nicht nur Waffen, sondern auch einen Zettel mit einer Telefonnummer für "Fratello Mohammed" – Bruder Mohammed. Gemeint war Haydar Zammar.

    Als der Buchhalter Bin Ladens im selben Jahr einen Besuch in Deutschland ankündigte, wurde der Verdacht der deutschen Ermittler bestätigt: Der Heilige Krieg war in Deutschland angekommen. Der baden-württembergische Verfassungsschützer und Experte für islamistischen Terrorismus, Herbert Müller:

    Besonders interessant wurde es, als ein so genannter oder angeblicher Finanzier Bin Ladens hier nach Stuttgart kam und von dort weiter nach München weitergeleitet wurde, interessanterweise zu Kreisen, die wir auch schon sehr skeptisch beobachtet haben. Da war für uns schon deutlich, dass dieses Problem auch uns betreffen wird.

    Das FBI hatte von der Reise des Buchhalters Wind bekommen, so dass der Mann in Deutschland verhaftet werden konnte. Es war der bis dahin größte Schlag gegen al-Qaida. Denn Bin Ladens Buchhalter hatte überall Kontakte, auch in Hamburg. Er hatte dort ein Konto eröffnet – gemeinsam mit einem Komplizen namens Mamoun Darkazanli, ebenfalls ein Syrer und enger Freund der Familie Zammar. Der Buchhalter wurde schließlich an die USA ausgeliefert und dort angeklagt. Die deutschen Behörden wollten Darkazanli schließlich vor ein Gericht bringen – vergeblich. Die Beweise für eine Anklage reichten nicht aus.

    So mussten die Behörden zusehen, wie die islamistischen Aktivisten ihr Netz weiter aufbauten, Kontakte in ganz Europa vertieften und ihre Gefolgschaft weiter radikalisierten. Vor allem sollten die jungen Muslime auf einen späteren Kampf vorbereitet werden.

    Bei dieser Aufgabe bekamen die deutsch-syrischen al-Qaida-Veteranen Hilfe. Nicht zuletzt von Islamisten aus Saudi-Arabien. Sie hatten in vielen saudischen Botschaften und Konsulaten Helfershelfer – Islamisten, die den Kampf gegen Ungläubige propagierten. Auch die saudische Botschaft in Bonn half damals dabei, die reine Lehre zu verbreiten. Hier bekamen junge Aktivisten radikal-muslimische Bücher und Pamphlete.

    Die Gruppe um die Attentäter vom 11. September erhielt von den saudischen Emissären ebenfalls Schriften extremistischen Inhalts und religiösen Zuspruch – ohne dass die Saudis von den konkreten Terrorplänen wussten. Die islamistischen Ideologen bereiteten der Gewalt so dennoch den Boden.

    Bevor jedoch radikale Muslime Gewalt anwenden, muss ihre Tat religiös legitimiert werden. Dafür sind Hetzprediger zuständig. Sie ziehen entweder wie auf einer Tournee von Moschee zu Moschee, oder ihre Predigten werden per Video verbreitet. Diese Prediger seien für die Motivierung von islamistischen Gewalttätern entscheidend, sagt der Islamismusforscher Reinhard Schulze:

    Sie sagen, sie kommen meinetwegen aus dem Jemen oder aus Bosnien oder aus Afghanistan. Tragen diesen Mythos von Bosnien, Jemen oder Afghanistan in eine kleine Gemeinde, ... in Hamburg oder Berlin herein und gelten in dem Moment ... als Popstars, ... das heißt, die haben eine Art von Legitimität in der Gruppe, die sie zu einer außergewöhnlichen Person macht. Und dieses Patronage-Verhältnis, was da aufgebaut wird, ist sicher von großer Bedeutung in der Mobilisation von solchen Kleinstgruppen.

    Am 11. September starben die Attentäter aus Hamburg, ihre Komplizen flüchteten aus Deutschland. Sie waren das Herz der dritten Islamisten-Generation. Doch noch immer leben gewaltbereite Muslime in Deutschland – die Szene ist noch nicht unter Kontrolle.

    Die Sicherheitsbehörden haben sich erst einmal einen Überblick über das Potenzial der gewaltbereiten Islamisten verschaffen müssen. Nach fast drei Jahren dauernden intensiven Ermittlungen wissen sie nun, dass die Szene ungefähr 2.000 Sympathisanten umfasst. Von ihnen gelten mehr als 300 als gewaltbereit, 200 wurden in einem Terrorcamp geschult. In der sogenannten Datei "Arabische Mujaheddin" des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind 270 Personen gespeichert.

    Die Verfassungsschützer wissen inzwischen genau, wer die gewaltbereiten Islamisten sind. Obwohl aber Dutzende Wohnungen und Moscheen durchsucht worden sind, konnten bislang nur äußert selten ausreichend Beweise für eine Anklage gesammelt werden. Oft sind es Informanten oder verschiedene Geheimdienste, die einen Islamisten belasten. Die Informanten erhalten jedoch in der Regel keine Aussagegenehmigung für eine Gerichtsverhandlung, weil die Dienste Angst um die Sicherheit ihrer V-Männer haben. Und auch die Informationen der Geheimdienste werden bei Gericht oft nicht zugelassen, wenn deren Herkunft unklar ist.

    Die Ermittler registrieren außerdem, dass sich die Islamisten vorsichtiger als vor dem 11. September verhalten. Die Szene sei umsichtiger geworden, so Manfred Murck vom Verfassungsschutz Hamburg:

    Wir haben in den ersten ein, zwei Jahren nach dem 11.9., als wir ja auch mit unserer Beobachtung sehr viel intensiver geworden sind und einen besseren Einblick bekommen haben, festgestellt, dass zumindest an der Oberfläche, auch und gerade in den traditionell radikaleren Moscheen, man versucht hat, sich doch eher vorsichtig zu verhalten, den Ball flach zu halten, was islamistischen Radikalismus betrifft. Und, das ist eigentlich der Grundtrend, man ist vorsichtig, man will nicht unnötig auffallen, weil man weiß, man steht unter Beobachtung.

    Andere Islamisten haben jedoch in der Zwischenzeit festgestellt, dass ihnen der Rechtsstaat so schnell nichts anhaben kann. Einige Mitstreiter der Attentäter vom 11. September treten sogar wieder in Erscheinung, obwohl sie wissen, dass sie von den Behörden als gewaltbereit eingeschätzt werden. Einer dieser Männer, ein deutscher Konvertit aus Münster, wurde kurzfristig verhaftet. Ein enger Freund soll mit ihm über einen möglichen Bombenanschlag in Deutschland gesprochen haben. Das behauptete jedenfalls ein Zeuge. Außerdem telefonierte der Deutsche bis kurz vor dem 11. September regelmäßig mit einem der Attentäter. Der Gesprächsinhalt sei harmlos gewesen, sagte der Konvertit während eines Polizeiverhörs. Der Mann musste freigelassen werden, weil die Ermittler ihm nur seine radikale Gesinnung nachweisen konnten, jedoch keine konkrete Straftat.

    Ein weiterer enger Mitstreiter der so genannten Todespiloten wurde ebenfalls verhaftet. Die Polizei fand in seiner Hamburger Wohnung Blaupausen der Botschaften Israels und Japans in Berlin. Der Mann behauptet, er habe sie zufällig ersteigert. Die Staatsschützer konnten ihm das Gegenteil nicht beweisen. Der Islamist kam frei.

    Die Sicherheitsdienste wissen nicht konkret, ob die Islamisten Anschläge planen. Sie können die Extremisten nicht rund um die Uhr überwachen. Auch der Hamburger Verfassungsschutz nicht. Manfred Murck:

    Wenn man mal bei der Zahl bleibt derer, die wir für besonders gefährlich halten, ein Kreis der irgendwo zwischen 10 und 20 liegt – wenn man den versuchen wollte, rund um die Uhr in dem Sinne zu beobachten, dass einem auch nichts entgeht, also den Verfassungsschutz als eine mobile Verwahranstalt betrachtet, dann könnten wir das in den Kapazitäten nicht darstellen. Sie müssen davon ausgehen: Um einen Menschen rund um die Uhr durch Observation unter Kontrolle zu halten, brauchen Sie mindestens 20 Leute. Und wenn Sie das auf 10-20 hochrechnen, dann sind Sie schon jenseits der Möglichkeiten, die wir da haben.

    Und es ist wahrscheinlich, dass ständig neue Islamisten nach Deutschland kommen. Denn die "Gotteskrieger" stünden untereinander in Kontakt und seien sehr mobil, sagt der Islamismusexperte Reinhard Schulze:

    Die Mobilität, die wir da beobachten, beruht letztendlich auf der ganzen Struktur, und das ist keine lokale Struktur, das ist eine globale Struktur – eine sehr kleine, globale Struktur. Und die beruht auf der Möglichkeit der permanenten Migration, der Wanderung von einem Punkt zu einer anderen sozialen Umgebung, ohne dass diese Menschen in irgendeiner Art und Weise in einem bestimmten Milieu wirklich sozial eingebettet sind.

    Die Szene ist ständig in Bewegung, verändert sich und passt sich neuen Umständen an. Manfred Murck über die Probleme, die der Verfassungsschutz damit hat:

    Unsere Schwierigkeit ist in der Ermittlung festzustellen, ob das Ganze im Hintergrund wirklich "Jihad" ist und gezielte Terrorplanung oder ist es nicht –und das ist es eben auch in Teilen –, Nostalgiepflege, sind es private Unterstützungsnetze, wo sich Tipps gegeben werden, auch nicht immer besonders nette, da geht es um kleinbetrügerische Dinge, die aber eben nicht im Kern Terror sind. So ist das eine sehr verwobene Geschichte auf den verschiedenen Ebenen, für uns ist es schwer, aus den Kontakten herauszufiltern, was ist die eigentliche Gefahr und was ist nur Alltagskontakt.

    Zudem stellen Verfassungsschützer fest, dass es nicht den Islamisten gibt, quasi als Typus. Es gibt nicht nur einen Typ, der in ein Raster passen würde und dessen Gefährlichkeit schnell abzuschätzen wäre. Die Attentäter vom 11. September hatten einen bürgerlichen Hintergrund und finanzierten sich zum Teil durch Stipendien. Bei einigen Islamisten ist das heute anders. Manfred Murck:

    Was wir im Moment sehen (ist), dass die Szene, die im Moment am kritischsten ist, als zum Beispiel die Leute, die in den Irak wollten, persönlich im Grunde einen niedrigen Lebensstandard haben. Die müssen sehen, dass sie durchs Leben kommen, jobben, sie beziehen zum Teil Sozialhilfe, sie finanzieren sich über Kleinkriminalität. Einen großen Geldzufluss von außen sehen wir nicht.

    Kein einheitliches Profil, kein Geldfluss von außen, keine hierarchischen Strukturen – der islamistische Untergrund wird immer unübersichtlicher. Daher ist es umstritten, ob das radikale Netz der Islamisten in Deutschland systematisch aufgebaut wird.

    So eine generalsstabsmäßige Unterwanderung, das halte ich persönlich eher für das Unwahrscheinliche.
    Fehlende Strukturen und Hierarchien erschweren die Kontrolle. Beispiel Madrid: Dort konnten die Attentäter ihre Anschläge ungestört planen. Eine etablierte Gruppe syrischer Islamisten kooperierte mit jungen, marokkanischen Aktivisten. Die Marokkaner, unterstützt von Jihad-Veteranen, führten die Anschläge auf die Pendlerzüge schließlich aus. Diese Mischung aus alten syrischen und jungen marokkanischen Kämpfern ähnelt der Struktur in Hamburg. Verfassungsschützer Murck ist deshalb davon überzeugt, dass auch die Islamisten in Hamburg zu Anschlägen fähig sind:

    Wir haben in Hamburg eine Szene, wo einige Leute – gerade wenn man das jetzt mal vergleicht mit Madrid, ähnlichen Schlages sind. So dass man sagen kann, der Typus, der es tun würde, dem man es zutrauen muss, ist hier.

    In Berlin wird der Fall eines Mannes verhandelt, der angeblich Sprengstoffattentate in Berlin geplant hat. Für diese Tat soll er in einer Berliner Moschee Komplizen rekrutiert haben. Das Verfahren läuft schleppend, die Belege sind dünn – die einzigen Belastungszeugen sind bezahlte Polizeispitzel, die nicht aussagen dürfen. Doch auf den finalen Beweis, ein ausgeführtes Attentat in einer deutschen Großstadt, wollen Ermittler nicht warten – sie nehmen verdächtige Islamisten lieber zu früh als zu spät fest. Bislang ist alles gut gegangen. Noch.