Samstag, 01. April 2023

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Unversöhnlich

Der Zweite Weltkrieg ist gegenwärtig in zahlreichen autobiographisch gefärbten Publikationen zum Gegenstand neuer alter Auseinandersetzungen geworden. Immer noch wird die Schuldfrage thematisiert, ein salvierender Unterton klingt gelegentlich zwischen den Zeilen wieder durch, ein Bedürfnis nach Relativierung des Täterbildes. Wohltuend, weil deutlich hebt sich aus diesem Chor die Auseinandersetzung von Dorothee Schmitz-Köster mit der Kriegsvergangenheit ihres Vaters in Norwegen ab.

Von Karin Beindorff | 16.08.2004

    Die 1950 geborene Autorin lag viele Jahre mit ihrem Vater im Streit über seine Vergangenheit, ein Streit, der zu keiner tieferen Einsicht in Gedanken und Taten des Vaters führten, wie die Autorin bekennt. Kurz bevor der Vater starb, übergab er der Tochter über 1.100 Briefe, die er an seine Mutter zwischen 1935 und 1945 geschrieben hatte. Dieses Material, das den Oberleutnant der Wehrmacht als begeisterten Nationalsozialisten ausweist, der die acht Jahre im Arbeits- und Wehrdienst und dann im Krieg als abenteuerlich und aufregend, im Großen und Ganzen als schön ansah, wertet die Tochter in ihrem Buch detailliert aus.

    Dazu hat sie über die Jahre umfangreiche Recherchen in Norwegen angestellt, wo der Vater als Besatzungssoldat zwei Jahre verbracht hatte, und sie hat aus historischen Quellen die Bedingungen und Folgen dieser Besatzung genau rekonstruiert. Herausgekommen ist ein lesenswertes Buch über einen deutschen Mitläufer, ein subtiles Porträt einer deutschen Soldatenkarriere der NS-Zeit. Bemerkenswert ist dieses Taschenbuch auch deshalb, weil es Dorothee Schmitz-Köster gelingt, über die Grenzen ihrer Familiengeschichte und der Vater-Tochter-Beziehung weit hinauszublicken.

    Dorothee Schmitz-Köster: Der Krieg meines Vaters
    Als deutscher Soldat in Norwegen
    Aufbau Taschenbuch Verlag, 351 S., EUR 7,95