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Unvollendetes Meisterwerk zum Hören und zum Lesen

Über 8000 Seiten umfassen die von Robert Musil hinterlassenen Romanteile, Fragmente und Notizen zu seinem unvollendet gebliebenen Hauptwerk "Der Mann ohne Eigenschaften", dessen Geschichte - dem Autor zu folge - darauf hinauskommt, "dass die Geschichte, die erzählt werden soll, nicht erzählt wird". Als gleichzeitige Hörspiel- und Buchedition bringen Bayerischer Rundfunk, Hörverlag und Belleville Verlag das Werk heraus - ein Mammutprojekt in verlegerischer, künstlerischer und nicht zuletzt wissenschaftlicher Hinsicht. Beteiligt ist auch das Robert-Musil-Institut Klagenfurt, das derzeit eine kommentierte Gesamtausgabe des österreichischen Autors auf CD-ROM vorbereitet. Mit Bearbeiter und Regisseur Klaus Buhlert habe ich mich über die Arbeit an der Hörspielfassung unterhalten.

Frank Olbert im Gespräch mit Bearbeiter und Regisseur Klaus Buhlert |
    Frank Olbert: Herr Buhlert, was war die größte Herausforderung an der Beschäftigung mit Robert Musils Roman?

    Klaus Buhlert: Die Länge - auf so ein gewaltiges Werk trifft man nicht jeden Tag. Und die zweite Herausforderung war das Fragmentarische.

    Frank Olbert: "Der Mann ohne Eigenschaften" ist ein Roman, der mit sehr wenig Erzählung auskommt, anders als zum Beispiel "Moby Dick", den sie auch für das Radio eingerichtet haben. War das eine Schwierigkeit?

    Klaus Buhlert: Ja. Wir mussten uns sehr genau überlegen, wie wir das eigentlich versuchen wollen, das auch in einer dramatischen Form zu realisieren. Bei "Moby Dick" liegt es auf der Hand. Da haben wir große filmische Tableaus, Walfangszenen, da funktioniert Radio und Dramatik sehr gut. Beim "Mann ohne Eigenschaften" ist das nicht immer so. Da musste man sich Tricks überlegen.

    Frank Olbert: Was waren das für Tricks?

    Klaus Buhlert: Ein Trick war zum Beispiel die Einführung einer subjektiven Kameraperspektive. Das heißt, die Figuren treten nicht nur dann auf, wenn sie im Roman in wörtlicher Rede vorkommen, sondern der Roman wird entsprechend der modernen Einstellung, die Musil ja schon beim Schreiben hatte, in subjektive Erzählpassagen aufgegliedert. Die einzelnen Schauspieler lesen die ihre Figur betreffenden Textpassagen. Wir haben also keinen auktorialen Erzähler, sondern die subjektive Kameraposition der Figur, die einen Text liest, der eigentlich dem Erzähler zukommt, dabei aber die Kontraste der Figur und gleichzeitig die Sichtweise der Figur stärken kann.

    Frank Olbert: Worin besteht die Aktualität Musils oder ist der Roman eigentlich in historischer Weise interessant?

    Klaus Buhlert: Er hat bestimmte historische Tendenzen. Ich glaube aber, dass die Idee, ein soziales Gebilde, ein Staatssystem, einen Machtapparat auf seine Überlebensfähigkeit zu hinterfragen, wenn er zu kompliziert wird - vor dieser Frage stehen wir heute genauso. Man könnte Kakanien zum Beispiel mit Europa austauschen und hätte eigentlich ähnlich gelagerte problematische Verhaltensweisen, Machtstrukturen, die man ebenso hinterfragen könnte. Aus diesem Grund finde ich den Roman sehr zeitgenössisch.

    Klaus Buhlerts Hörspielbearbeitung von Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften sendet Bayern 2 Radio vom 27. Dezember bis zum 5. Januar jeweils um 11 Uhr und um 17 Uhr. Wiederholung täglich von 20 bis 22 Uhr.