"Also ich bin fast immer aufgewacht, wenn der Muezzin rief, um vier Uhr ungefähr, vor Sonnenaufgang, und das war auch eine schön Einstimmung für den Tag für mich."
Und Ahab ging Elia entgegen. Und es geschah, als Ahab Elia sah, da sagte Ahab zu ihm: Bist Du da, der Israel ins Unglück gebracht hat? Er aber sagte, nicht ich habe Israel ins Unglück gebracht, sondern du und das Haus deines Vaters, indem ihr die Gebote des Herrn verlassen habt und du den Baalim nachgelaufen bist.
"Eine Figurine haben wir gefunden. Das ist nun eine absolute Ausnahme. Sie können sich so eine Handy-große Figurine relativ gut vorstellen. Meist sind das weibliche Göttinnen, also nackte weibliche Göttinnen, Ascheren, Aschtaten, die waren für die Fruchtbarkeit zuständig. Aber wir haben eine Göttin gefunden, die hat noch dazu Chatorlocken, und wenn man sie zur Seite kippt, dann kommt eine Löwin zum Vorschein, so dass der Mensch, der sich das ausgedacht hat, so den Polytheismus richtig verstanden hat. Er hatte eine Figurine und drei Göttinnen bei sich. So konnte man, was man auch immer brauchte, mit einer Figurine eigentlich alles abdecken. Das habe ich im ganzen Orient noch nicht gesehen. Das ist für die Religionsgeschichte ein toller Fall."
Dreiländereck Jordanien, Israel, Syrien - 5000 Jahre Siedlungsgeschichte werden hier ausgegraben. 5000 Jahre Religionsgeschichte, in der sich polytheistische mit monotheistischen Religionen abwechseln; reiche, üppig ausgestattete Städte mit einfachen Dörfern. Unter Leitung von Prof. Dieter Vieweger, Direktor des Biblisch Archäologischen Instituts in Wuppertal, arbeitet ein Team von 21 Fachleuten und 28 angelernten Urlaubern der Thomas Morus Akademie in Bergisch Gladbach.
Die sind in einem einfachen Stadthotel untergebracht. Morgens, um halb sechs, wird gefrühstückt. Das tut der Stimmung keinen Abbruch, auch wenn wieder fast acht Stunden harte Grabungsarbeit vor ihnen liegt. Einige fahren anschließend noch mit ins Grabungshaus, um Knochen und Scherben zu waschen.
Nach der Ankunft am Grabungsort auf einem Hügel umfängt alle tiefe Stille. Die Archäologen und Studenten sind schon bei der Arbeit. Jeder kennt seinen Platz zwischen den rund 3300 Jahre alten Stadtmauern.
"Wir sitzen hier in Nordjordanien auf einem Berg. Das sieht also ganz normal aus wie ein großer Berg, ist aber kein natürlicher Berg sondern ein künstlich gewachsener."
Künstliche Berge nennt man Tall, deshalb heißt der Hügel Tall Zira'a.
"Hier haben immer Menschen gesiedelt, und zwar seit der Mitte des vierten Jahrtausends. Sie haben hier ihre Häuser gebaut in den Grundlagen. Das sehen wir hier um uns herum, dass alle mit Stein gebaut sind und obendrauf lag Lehmziegel. Dieser Lehmziegel ist irgendwann über die Fundamente gestürzt, und dann hat es drauf geregnet, dann hat die Sonne drauf gebrannt, was wir jetzt gerade nicht haben im Frühjahr."
Mit dieser Durchfeuchtung und Hitze entstehen dann fest gebackene Lehmschichten, an einigen Stellen von bis zu über 20 Metern.
"Sie können sich das so vorstellen wie ein großes Spaghetti-Eis: Sie haben verschiedene Schichten. Unten haben Sie eben die Schicht mit Sahne, dann die Vanille-Eis, dann die rote Soße und oben drauf die weißen Schokoladenstreußel. So stehen wir auf einem Berg, der hat über 20 Städte übereinander also über 20 Schichten."
Es gibt große, repräsentative Städte aus der Bronzezeit; unscheinbarere aus der Eisenzeit; Dörfer aus der Römerzeit unweit von reichen Gehöften mit eigenen Zisternen und Termen. Kleinere Ansiedlungen aus der islamischen Zeit und bis heute Beduinenzelte am Fuße des Talls.
In sechs Jahren hat sich Dieter Vieweger mit seinen Leuten bis in die Bronzezeit vorgearbeitet.
Die Bewohner dieses Hügels hatten einen fantastischen Blick: vor dem Hintergrund sanft geschwungener Höhen über grüne, saftige Weiden auf ein Gewässer unten im Tal. Das grenzt an ein Wadi, also eine Vertiefung, die bei Regenzeit Wasser führt. In Blickweite - nur neun Kilometer entfernt - liegt Israel, Syrien schließt sich nördlich an. Strategisch wichtig: Das Wadi ist die Verbindung zwischen Damaskus und Israel, jeder, der in historischer Zeit nach Mesopotamien wollte, musste an dem Tall Zira'a vorbei. Hier verläuft eine der drei großen Handelsstraßen in dieser Region.
Den phantastischen Blick sieht Yvonne Gönster gerade nicht. Die Squareleaderin, wie sie als Verantwortliche für ein Planquadrat genannt wird, steht zwischen den ausgegrabenen Mauern der bronzezeitlichen Siedlung. In ihrem deutschen Leben studiert Yvonne Gönster klassische Archäologie in Bochum. Jetzt ist gerade bemüht, Vorbereitungen für eine Fotografie zu treffen:
"Ich mache gerade Fotos von bestimmten Befunden, damit wir die einmal dokumentarisch festhalten und dann abreißen können, um weiterzugraben."
Mit ihren Kräften und Hilfskräften aus dem Planquadrat muss sie jetzt eine Mauer fotografieren. Mit T-Shirts versucht ihr Team, Schatten auf die Mauer zu werfen, damit die Strukturen des Gemäuers auf dem Bild sichtbar werden. Die Photographin ist eine Wirtschaftsstudentin, die jetzt sechs Leute dirigiert:
Im Hintergrund quietscht eine mit Schutt beladene Schubkarre.
Die herbeigesehnte Pause um zehn wird genutzt, um ein bisschen mit den gemachten Funden anzugeben, während aus Plastiktüten Fladenbrote, Eier, Käse, Tomaten und Gurken gefischt werden:
"Na, wie sieht's bei Euch aus?
Ausgezeichnet! Wir haben einen Skarabäus gefunden.
Auch das noch!
Wie - auch das noch!?
Du bist ja bloß neidisch!
Ja, ich bin neidisch!
Wenn Du willst, leg' ich Dir 'ne Dose Tunfisch in euren Square!
Nein, können wir nicht gebrauchen!
"
Nach der Pause wird der Skarabäus näher begutachtet.
Dr. Jutta Häser, Direktorin des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft in Amman, hält den runden, beschrifteten kleinen Stein zwischen den Fingern:
"Das ist ein Skarabäus, ein ägyptisches Stempelsiegel in der Form eines Käfers, der Skarabäus genannt wird. Auf der Unterseite sieht man verschiedene Hieroglyphen. Die hatten den Zweck, etwas zu siegeln, also sie wurden richtig als Siegel hier benutzt, dass hier ägyptische Siegel verwendet wurden oder nachgemachte ägyptische Siegel, heißt, dass es einen sehr starken ägyptischen Einfluss gegeben hat in der späten Bronzezeit, das heißt so im 14./13.Jahrhundert vor Christus."
Schon 28 dieser Siegel konnten in den letzten sechs Jahren geborgen werden. Das lässt auf einen regen Handel in der Bronzezeit schließen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Siegel entweder hier hergestellt oder importiert wurden.
Die Ausgräber können stolz sein:
An der Ostseite des Talls sind sie schon ziemlich weit gekommen:
Die Grundfesten der Stadtmauer lassen sich deutlich zu erkennen. Einzelne kleine Gehöfte und Handwerkerhäuser in ihren Umrissen können sie identifizieren.
"Wir sind hier in der kanaanäischen Zeit, das ist die Zeit, die wir jetzt gerade ausgraben. Wir haben 1075 Quadratmeter geöffnet und zwar an dem Nordwesthang des Talls, weil wir hier die Handwerker vermuteten, denn ab Mittags haben wir hier richtig gute Winde, das ist natürlich insbesondere in der Sommerzeit ganz wichtig, um Handwerk zu treiben. Wir sind auch nicht enttäuscht worden und haben ganz viel Handwerker hier gefunden, die Metallhandwerk oder Töpferhandwerk betrieben haben. Dazu gibt es die üblichen Tabune, das heißt die Brotbacköfen, hier in Mengen."
Während in diesem Areal die Wissenschaftler das Leben der einfachen Leute interessiert, suchen sie in einem weiteren nach herrschaftlichen Gebäuden:
" ... also Tempel, repräsentative Gebäude, administrative Gebäude und so etwas. Da muss man natürlich viel größere Flächen öffnen. Dann muss man auch damit rechnen, dass man viel größere Gebäudestrukturen erhält als an dieser Stelle, wo die Handwerker wohnten. Die kananäische Zeit ist die Zeit zwischen hier ganz klar des 13. Jahrhunderts auch nach C 14 Datierung bestätigt, die Scherben sagen das gleiche. "
Bei der C14-Methode machen sich die Wissenschaftler zunutze, dass Kohlenstoff in organischen Materialien im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende nach einem bestimmten Prinzip zerfällt. Vereinfacht gesagt: Messen sie die Konzentration von Kohlenstoff, können sie das Alter eines Gegenstandes bestimmen.
"Wir haben noch zwei andere spätbronzezeitliche Städte hier drunter, die werden aber erst ab 2010 ausgegraben. Wir sitzen jetzt hier in dem Hof eines spätbronzezeit-lichen Hofhauses. Mehrere Räume sind vor uns, und mein Fuß steht gerade neben einem Tabun. Vor uns liegt ein großer, flacher Stein, auf dem das Brot ausgebreitet und gewalkt wurde. Wir hatten hier auch noch einen Reibestein. Also wir sind so mitten im Leben in der Spätbronzezeit. Vor uns ist dann die große Doppelmauer gewesen, die Sie sich drei - etagig bitte vorstellen müssen, das heißt also sechs Meter hoch."
Es muss sich um eine repräsentative Stadt gehandelt haben. An das Viertel der Handwerker grenzte ein großes, imposantes Stadttor, an das sich ein eigener Tempel anschloss, um die Ein- und Austretenden zu schützen. Was erstaunt, ist das sehr differenzierte Abwassersystem, über das die Bewohner verfügten.
Die Ägypter erfanden übrigens auch den Namen für die Einwohner solcher Städte: Kanaanäer ...
"Weil die palästinischen Stämme, Gruppen usw. so zersplittert waren, dass sie keinen eigenen Namen für sich kreiert haben, und die Ägypter nannten dieses Gebiet Kanaan, und das übernimmt auch die Bibel, daher kennt man das. Und die Kanaanäer sind die Urbevölkerung, weil wir sie ja nicht näher bezeichnen können, die hier gelebt hat, und dies war ein Stadtkönigtum."
Um 14:00 Uhr ist für die meisten Schluss. Die Archäologen, Studenten und ein Teil der Urlauber fahren zum Grabungshaus, denn jetzt müssen Knochen und Scherben aussortiert, gewaschen, bestimmt und dokumentiert werden.
Das Grabungshaus in Gadara ist in einem über Hundertjährigen Gebäude untergebracht. Es gehörte ursprünglich einer reichen tscherkessischen Familie aus dem Kaukasus. Die Gebäude umschließen einen großen Innenhof mit Garten. Unter dem Schatten der Bäume werden zunächst die in beschrifteten Tüten gesammelten Fundstücke bestimmt, sortiert und gewaschen. Die Diplompsychologin Renate Grote-Dhom und die Journalistin Geneviève Lüscher, unterwegs mit der Thomas Morus Akademie als Freizeitarchäologen, sitzen auf kleinen Hockern vor einer Wasserschüssel:
"Siehst Du, da passiert es ja schon, der bricht, der Knochen. Was mach ich jetzt?
Dann machst Du halt die Einzelteile, das kommt schon zusammen.
Gut. Oh jemine... deswegen lieb ich dies Knochenwaschen gar nicht. Schon beim Aufsammeln hab' ich immer Mühe mit den Knochen, zersplittern einem immer.
Ja."
"Diese Tüte hat nicht mehr zu bieten, außer kleinem Kriselkram. Das ist halt jeder Befund von jedem Feld und dann nimmt man da vorne eine Tüte, und dann müssen erst alle Knochen gewaschen werden, bevor man Keramik waschen darf. Das ist sozusagen die Fronarbeit, damit beginnt das."
Unter einer romantisch anmutenden mit Wein bewachsenen Pergola stehen die beiden Pensionäre Barbara Neusüß und Bernhard Grohte, sie früher als Pharmazeutin und er als Chefarzt tätig, vor ihnen ein Metalltisch, auf dem Keramikscherben liegen, die nicht der Bestimmung dienen aber statistisch aufgearbeitet werden müssen. Die Beiden müssen sie aufklopfen und mit einer Zange ein Stückchen abknipsen . Anschließend begutachten die Archäologen die frisch geschlagene Oberfläche, um die Keramik näher zu bestimmen:
"Das ist sehr geräuschvoll, der Tisch, der muss einiges aushalten können, wenn man darauf schlägt mit der Zange. Also die feine Keramik, die wird mit sehr viel Gefühl geknipst.
Ja, ja klar. Aber die feine Keramik, die gibt's hier gar nicht so oft. Obwohl ich schon gelernt habe vom Professor, dass die feine in der Bronzezeit vorkommt.
Ja, in der Eisenzeit, da hatte man dann wesentlich grobere."
350.000 Scherben wurden bislang bestimmt, aussortiert, geklopft oder gewaschen. Die wertvollen Stücke nimmt der Chef persönlich in Augenschein. Die Kostbarkeiten kommen in kleine Schachteln. Eine große Vergünstigung konnte Prof. Dieter Vieweger beim jordanischen Königshaus erreichen: Er darf Fundstücke zwecks Restauration nach Deutschland ausführen, die anschließend natürlich wohlbehalten zurückkommen.
Dieter Vieweger hat einen Traum: Er will den Tall komplett dokumentieren: 20 Städte, Dörfer und Ansiedlungen übereinander geschichtet, 5000 Jahre Siedlungsgeschichte in Palästina will er erforschen. Und er hat gerechnet. Der Tall ist mit 3,8 Hektar so groß, dass sie
"jetzt noch 21 Jahre eingerechnet, am Ende meiner Dienstzeit ungefähr fünf bis sechs Prozent des Talls ausgegraben haben. Insofern macht es Sinn, sehr genau nachzudenken, wo man gräbt, was man gräbt und was will man dann erreichen: Hier in Areal 1 will ich Handwerker und Wohnhäuser haben, in Areal 2 will ich die großen Bereiche haben, die mit Administration, mit Tempel usw. zu tun haben, im Areal 3 habe ich ein großes römisches Gebäude, eine Villa Rustica, die ich für sich freilege und rekonstruieren möchte, wo ich auch nicht tiefer gehen möchte, dann haben wir noch ein großes Areal mit den Stadttoren und dann ist der absolute Hype, den es sonst nirgendwo gibt, dass wir eine Quelle auf dem Tall haben."
Für die meisten Urlauber der Thomas Morus Akademie war die Grabungserfahrung auf dem Tall ein besonderes Erlebnis. Einige von ihnen sind das dritte Mal dabei. Andere haben beschlossen, nach einem erfüllten Berufsleben vielleicht noch mal Archäologie zu studieren.
Informationen für die Hörer:
Wer neugierig geworden ist und selbst mal graben möchte, kann sich an die Thomas Morus Akademie in Bensberg wenden, Overather Straße 51-53, 51429 Bergisch Gladbach, Telefon 02204-408472, www.tma-bensberg.de
Literatur:
Dieter Vieweger, Korridor der Kontinente, in: Antike Welt, 1/8, Verlag Philip von Zabern, Mainz
Und Ahab ging Elia entgegen. Und es geschah, als Ahab Elia sah, da sagte Ahab zu ihm: Bist Du da, der Israel ins Unglück gebracht hat? Er aber sagte, nicht ich habe Israel ins Unglück gebracht, sondern du und das Haus deines Vaters, indem ihr die Gebote des Herrn verlassen habt und du den Baalim nachgelaufen bist.
"Eine Figurine haben wir gefunden. Das ist nun eine absolute Ausnahme. Sie können sich so eine Handy-große Figurine relativ gut vorstellen. Meist sind das weibliche Göttinnen, also nackte weibliche Göttinnen, Ascheren, Aschtaten, die waren für die Fruchtbarkeit zuständig. Aber wir haben eine Göttin gefunden, die hat noch dazu Chatorlocken, und wenn man sie zur Seite kippt, dann kommt eine Löwin zum Vorschein, so dass der Mensch, der sich das ausgedacht hat, so den Polytheismus richtig verstanden hat. Er hatte eine Figurine und drei Göttinnen bei sich. So konnte man, was man auch immer brauchte, mit einer Figurine eigentlich alles abdecken. Das habe ich im ganzen Orient noch nicht gesehen. Das ist für die Religionsgeschichte ein toller Fall."
Dreiländereck Jordanien, Israel, Syrien - 5000 Jahre Siedlungsgeschichte werden hier ausgegraben. 5000 Jahre Religionsgeschichte, in der sich polytheistische mit monotheistischen Religionen abwechseln; reiche, üppig ausgestattete Städte mit einfachen Dörfern. Unter Leitung von Prof. Dieter Vieweger, Direktor des Biblisch Archäologischen Instituts in Wuppertal, arbeitet ein Team von 21 Fachleuten und 28 angelernten Urlaubern der Thomas Morus Akademie in Bergisch Gladbach.
Die sind in einem einfachen Stadthotel untergebracht. Morgens, um halb sechs, wird gefrühstückt. Das tut der Stimmung keinen Abbruch, auch wenn wieder fast acht Stunden harte Grabungsarbeit vor ihnen liegt. Einige fahren anschließend noch mit ins Grabungshaus, um Knochen und Scherben zu waschen.
Nach der Ankunft am Grabungsort auf einem Hügel umfängt alle tiefe Stille. Die Archäologen und Studenten sind schon bei der Arbeit. Jeder kennt seinen Platz zwischen den rund 3300 Jahre alten Stadtmauern.
"Wir sitzen hier in Nordjordanien auf einem Berg. Das sieht also ganz normal aus wie ein großer Berg, ist aber kein natürlicher Berg sondern ein künstlich gewachsener."
Künstliche Berge nennt man Tall, deshalb heißt der Hügel Tall Zira'a.
"Hier haben immer Menschen gesiedelt, und zwar seit der Mitte des vierten Jahrtausends. Sie haben hier ihre Häuser gebaut in den Grundlagen. Das sehen wir hier um uns herum, dass alle mit Stein gebaut sind und obendrauf lag Lehmziegel. Dieser Lehmziegel ist irgendwann über die Fundamente gestürzt, und dann hat es drauf geregnet, dann hat die Sonne drauf gebrannt, was wir jetzt gerade nicht haben im Frühjahr."
Mit dieser Durchfeuchtung und Hitze entstehen dann fest gebackene Lehmschichten, an einigen Stellen von bis zu über 20 Metern.
"Sie können sich das so vorstellen wie ein großes Spaghetti-Eis: Sie haben verschiedene Schichten. Unten haben Sie eben die Schicht mit Sahne, dann die Vanille-Eis, dann die rote Soße und oben drauf die weißen Schokoladenstreußel. So stehen wir auf einem Berg, der hat über 20 Städte übereinander also über 20 Schichten."
Es gibt große, repräsentative Städte aus der Bronzezeit; unscheinbarere aus der Eisenzeit; Dörfer aus der Römerzeit unweit von reichen Gehöften mit eigenen Zisternen und Termen. Kleinere Ansiedlungen aus der islamischen Zeit und bis heute Beduinenzelte am Fuße des Talls.
In sechs Jahren hat sich Dieter Vieweger mit seinen Leuten bis in die Bronzezeit vorgearbeitet.
Die Bewohner dieses Hügels hatten einen fantastischen Blick: vor dem Hintergrund sanft geschwungener Höhen über grüne, saftige Weiden auf ein Gewässer unten im Tal. Das grenzt an ein Wadi, also eine Vertiefung, die bei Regenzeit Wasser führt. In Blickweite - nur neun Kilometer entfernt - liegt Israel, Syrien schließt sich nördlich an. Strategisch wichtig: Das Wadi ist die Verbindung zwischen Damaskus und Israel, jeder, der in historischer Zeit nach Mesopotamien wollte, musste an dem Tall Zira'a vorbei. Hier verläuft eine der drei großen Handelsstraßen in dieser Region.
Den phantastischen Blick sieht Yvonne Gönster gerade nicht. Die Squareleaderin, wie sie als Verantwortliche für ein Planquadrat genannt wird, steht zwischen den ausgegrabenen Mauern der bronzezeitlichen Siedlung. In ihrem deutschen Leben studiert Yvonne Gönster klassische Archäologie in Bochum. Jetzt ist gerade bemüht, Vorbereitungen für eine Fotografie zu treffen:
"Ich mache gerade Fotos von bestimmten Befunden, damit wir die einmal dokumentarisch festhalten und dann abreißen können, um weiterzugraben."
Mit ihren Kräften und Hilfskräften aus dem Planquadrat muss sie jetzt eine Mauer fotografieren. Mit T-Shirts versucht ihr Team, Schatten auf die Mauer zu werfen, damit die Strukturen des Gemäuers auf dem Bild sichtbar werden. Die Photographin ist eine Wirtschaftsstudentin, die jetzt sechs Leute dirigiert:
Im Hintergrund quietscht eine mit Schutt beladene Schubkarre.
Die herbeigesehnte Pause um zehn wird genutzt, um ein bisschen mit den gemachten Funden anzugeben, während aus Plastiktüten Fladenbrote, Eier, Käse, Tomaten und Gurken gefischt werden:
"Na, wie sieht's bei Euch aus?
Ausgezeichnet! Wir haben einen Skarabäus gefunden.
Auch das noch!
Wie - auch das noch!?
Du bist ja bloß neidisch!
Ja, ich bin neidisch!
Wenn Du willst, leg' ich Dir 'ne Dose Tunfisch in euren Square!
Nein, können wir nicht gebrauchen!
"
Nach der Pause wird der Skarabäus näher begutachtet.
Dr. Jutta Häser, Direktorin des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft in Amman, hält den runden, beschrifteten kleinen Stein zwischen den Fingern:
"Das ist ein Skarabäus, ein ägyptisches Stempelsiegel in der Form eines Käfers, der Skarabäus genannt wird. Auf der Unterseite sieht man verschiedene Hieroglyphen. Die hatten den Zweck, etwas zu siegeln, also sie wurden richtig als Siegel hier benutzt, dass hier ägyptische Siegel verwendet wurden oder nachgemachte ägyptische Siegel, heißt, dass es einen sehr starken ägyptischen Einfluss gegeben hat in der späten Bronzezeit, das heißt so im 14./13.Jahrhundert vor Christus."
Schon 28 dieser Siegel konnten in den letzten sechs Jahren geborgen werden. Das lässt auf einen regen Handel in der Bronzezeit schließen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Siegel entweder hier hergestellt oder importiert wurden.
Die Ausgräber können stolz sein:
An der Ostseite des Talls sind sie schon ziemlich weit gekommen:
Die Grundfesten der Stadtmauer lassen sich deutlich zu erkennen. Einzelne kleine Gehöfte und Handwerkerhäuser in ihren Umrissen können sie identifizieren.
"Wir sind hier in der kanaanäischen Zeit, das ist die Zeit, die wir jetzt gerade ausgraben. Wir haben 1075 Quadratmeter geöffnet und zwar an dem Nordwesthang des Talls, weil wir hier die Handwerker vermuteten, denn ab Mittags haben wir hier richtig gute Winde, das ist natürlich insbesondere in der Sommerzeit ganz wichtig, um Handwerk zu treiben. Wir sind auch nicht enttäuscht worden und haben ganz viel Handwerker hier gefunden, die Metallhandwerk oder Töpferhandwerk betrieben haben. Dazu gibt es die üblichen Tabune, das heißt die Brotbacköfen, hier in Mengen."
Während in diesem Areal die Wissenschaftler das Leben der einfachen Leute interessiert, suchen sie in einem weiteren nach herrschaftlichen Gebäuden:
" ... also Tempel, repräsentative Gebäude, administrative Gebäude und so etwas. Da muss man natürlich viel größere Flächen öffnen. Dann muss man auch damit rechnen, dass man viel größere Gebäudestrukturen erhält als an dieser Stelle, wo die Handwerker wohnten. Die kananäische Zeit ist die Zeit zwischen hier ganz klar des 13. Jahrhunderts auch nach C 14 Datierung bestätigt, die Scherben sagen das gleiche. "
Bei der C14-Methode machen sich die Wissenschaftler zunutze, dass Kohlenstoff in organischen Materialien im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende nach einem bestimmten Prinzip zerfällt. Vereinfacht gesagt: Messen sie die Konzentration von Kohlenstoff, können sie das Alter eines Gegenstandes bestimmen.
"Wir haben noch zwei andere spätbronzezeitliche Städte hier drunter, die werden aber erst ab 2010 ausgegraben. Wir sitzen jetzt hier in dem Hof eines spätbronzezeit-lichen Hofhauses. Mehrere Räume sind vor uns, und mein Fuß steht gerade neben einem Tabun. Vor uns liegt ein großer, flacher Stein, auf dem das Brot ausgebreitet und gewalkt wurde. Wir hatten hier auch noch einen Reibestein. Also wir sind so mitten im Leben in der Spätbronzezeit. Vor uns ist dann die große Doppelmauer gewesen, die Sie sich drei - etagig bitte vorstellen müssen, das heißt also sechs Meter hoch."
Es muss sich um eine repräsentative Stadt gehandelt haben. An das Viertel der Handwerker grenzte ein großes, imposantes Stadttor, an das sich ein eigener Tempel anschloss, um die Ein- und Austretenden zu schützen. Was erstaunt, ist das sehr differenzierte Abwassersystem, über das die Bewohner verfügten.
Die Ägypter erfanden übrigens auch den Namen für die Einwohner solcher Städte: Kanaanäer ...
"Weil die palästinischen Stämme, Gruppen usw. so zersplittert waren, dass sie keinen eigenen Namen für sich kreiert haben, und die Ägypter nannten dieses Gebiet Kanaan, und das übernimmt auch die Bibel, daher kennt man das. Und die Kanaanäer sind die Urbevölkerung, weil wir sie ja nicht näher bezeichnen können, die hier gelebt hat, und dies war ein Stadtkönigtum."
Um 14:00 Uhr ist für die meisten Schluss. Die Archäologen, Studenten und ein Teil der Urlauber fahren zum Grabungshaus, denn jetzt müssen Knochen und Scherben aussortiert, gewaschen, bestimmt und dokumentiert werden.
Das Grabungshaus in Gadara ist in einem über Hundertjährigen Gebäude untergebracht. Es gehörte ursprünglich einer reichen tscherkessischen Familie aus dem Kaukasus. Die Gebäude umschließen einen großen Innenhof mit Garten. Unter dem Schatten der Bäume werden zunächst die in beschrifteten Tüten gesammelten Fundstücke bestimmt, sortiert und gewaschen. Die Diplompsychologin Renate Grote-Dhom und die Journalistin Geneviève Lüscher, unterwegs mit der Thomas Morus Akademie als Freizeitarchäologen, sitzen auf kleinen Hockern vor einer Wasserschüssel:
"Siehst Du, da passiert es ja schon, der bricht, der Knochen. Was mach ich jetzt?
Dann machst Du halt die Einzelteile, das kommt schon zusammen.
Gut. Oh jemine... deswegen lieb ich dies Knochenwaschen gar nicht. Schon beim Aufsammeln hab' ich immer Mühe mit den Knochen, zersplittern einem immer.
Ja."
"Diese Tüte hat nicht mehr zu bieten, außer kleinem Kriselkram. Das ist halt jeder Befund von jedem Feld und dann nimmt man da vorne eine Tüte, und dann müssen erst alle Knochen gewaschen werden, bevor man Keramik waschen darf. Das ist sozusagen die Fronarbeit, damit beginnt das."
Unter einer romantisch anmutenden mit Wein bewachsenen Pergola stehen die beiden Pensionäre Barbara Neusüß und Bernhard Grohte, sie früher als Pharmazeutin und er als Chefarzt tätig, vor ihnen ein Metalltisch, auf dem Keramikscherben liegen, die nicht der Bestimmung dienen aber statistisch aufgearbeitet werden müssen. Die Beiden müssen sie aufklopfen und mit einer Zange ein Stückchen abknipsen . Anschließend begutachten die Archäologen die frisch geschlagene Oberfläche, um die Keramik näher zu bestimmen:
"Das ist sehr geräuschvoll, der Tisch, der muss einiges aushalten können, wenn man darauf schlägt mit der Zange. Also die feine Keramik, die wird mit sehr viel Gefühl geknipst.
Ja, ja klar. Aber die feine Keramik, die gibt's hier gar nicht so oft. Obwohl ich schon gelernt habe vom Professor, dass die feine in der Bronzezeit vorkommt.
Ja, in der Eisenzeit, da hatte man dann wesentlich grobere."
350.000 Scherben wurden bislang bestimmt, aussortiert, geklopft oder gewaschen. Die wertvollen Stücke nimmt der Chef persönlich in Augenschein. Die Kostbarkeiten kommen in kleine Schachteln. Eine große Vergünstigung konnte Prof. Dieter Vieweger beim jordanischen Königshaus erreichen: Er darf Fundstücke zwecks Restauration nach Deutschland ausführen, die anschließend natürlich wohlbehalten zurückkommen.
Dieter Vieweger hat einen Traum: Er will den Tall komplett dokumentieren: 20 Städte, Dörfer und Ansiedlungen übereinander geschichtet, 5000 Jahre Siedlungsgeschichte in Palästina will er erforschen. Und er hat gerechnet. Der Tall ist mit 3,8 Hektar so groß, dass sie
"jetzt noch 21 Jahre eingerechnet, am Ende meiner Dienstzeit ungefähr fünf bis sechs Prozent des Talls ausgegraben haben. Insofern macht es Sinn, sehr genau nachzudenken, wo man gräbt, was man gräbt und was will man dann erreichen: Hier in Areal 1 will ich Handwerker und Wohnhäuser haben, in Areal 2 will ich die großen Bereiche haben, die mit Administration, mit Tempel usw. zu tun haben, im Areal 3 habe ich ein großes römisches Gebäude, eine Villa Rustica, die ich für sich freilege und rekonstruieren möchte, wo ich auch nicht tiefer gehen möchte, dann haben wir noch ein großes Areal mit den Stadttoren und dann ist der absolute Hype, den es sonst nirgendwo gibt, dass wir eine Quelle auf dem Tall haben."
Für die meisten Urlauber der Thomas Morus Akademie war die Grabungserfahrung auf dem Tall ein besonderes Erlebnis. Einige von ihnen sind das dritte Mal dabei. Andere haben beschlossen, nach einem erfüllten Berufsleben vielleicht noch mal Archäologie zu studieren.
Informationen für die Hörer:
Wer neugierig geworden ist und selbst mal graben möchte, kann sich an die Thomas Morus Akademie in Bensberg wenden, Overather Straße 51-53, 51429 Bergisch Gladbach, Telefon 02204-408472, www.tma-bensberg.de
Literatur:
Dieter Vieweger, Korridor der Kontinente, in: Antike Welt, 1/8, Verlag Philip von Zabern, Mainz