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Unzugänglicher Schatz im Flöz

Technik. - Vor knapp zehn Jahren machte ein Energieträger Schlagzeilen, der den Bedarf in Deutschland auf Jahre hinaus decken sollte: Flözgas - riesige Mengen Gas mit einem hohen Methangehalt, die in Kohleflözen in mehr als 1500 Metern Tiefe gebunden sind. Dieses Gas sollte gelöst und abgesaugt werden. Doch so leicht wie erwartet gab der Grund seinen Schatz nicht her.

Von Sascha Ott |
    Der heutige Bergbau hört eigentlich auf bei 1500 Metern, weil unterhalb dieses Bereiches die Gewinnung sehr kostspielig wird. Das heißt, diese Gewinnungstiefen sind nicht mehr für einen konventionellen Bergbau gedacht. Und so hatten wir uns vorgestellt, dass wir diesen Vorrat durch eine alternative Methode, eben dieses Freisetzen von Gas aus der Kohle auch gewinnen könnten.

    Mitte der 90er Jahre herrschte bei Axel Preusse und seinen Kollegen Goldgräberstimmung: Aus bisher unerschlossenen Kohleflözen tief unten in der Erde wollten die Ingenieure der Ruhrkohle AG Erdgas gewinnen - gigantische Mengen Erdgas.

    Also wir hatten damals mal so Schätzungen angestellt, dass da ungefähr bis 3000 Milliarden Kubikmeter, also rund 35 Mal mehr Erdgas, als in Deutschland verbraucht wird, an Vorräten lagert.

    Kohlepartikel können unter großem Druck, wie er in den Kohleflözen herrscht, beachtliche Mengen Gas binden: etwa zehn Kubikmeter Methan pro Tonne. Die Idee zur Erschließung dieser Vorkommen stammte aus den USA: Man bohrt in die Tiefe und bricht mit einem Gemisch aus Sand und Wasser feine Risse in das Kohleflöz. Dadurch kann die in der Kohle enthaltene Flüssigkeit abgesaugt werden, so dass der Druck im Flöz sinkt. Unter dem geringeren Druck gibt die Kohle dann das Gas frei und man kann es absaugen.

    Also erst war natürlich große Begeisterung auch in den Medien vor allen Dingen. Bei den Kommunen war natürlich große Begeisterung, weil die natürlich alle riesige Zukunftstechnologien und auch zukünftige Arbeitsplätze bei sich vermutet haben. Wir haben dann zwei Bohrungen projektiert, die beide bis etwa 2000 Meter tief in die Erde getrieben wurden, und haben dann dort versucht über drei Monate das Gas freizusetzen.

    Das Ergebnis war enttäuschend. Das Gas war viel fester an die Kohle gebunden als erwartet. Nur ein Zehntel der Gasmenge, die für eine rentable Erschließung nötig gewesen wäre, konnte gefördert werden. Nach den Bohrungen der Ruhrgas AG im Münsterland blieben auch ähnliche Versuche im Saarland weit hinter den Hoffnungen zurück. Das Thema schien erledigt.

    Das war Ernüchterung pur. Wir haben damals halt durch einfache Übertragung der Techniken, die in den USA sich bewährt hatten, einfach Schiffbruch erlitten. Man hätte hier sicherlich andere Technologien noch erproben müssen. Dazu bestand dann aber kein finanzieller Spielraum mehr, sodass wir jetzt in der Forschung gefragt sind, noch mal neu anzugreifen.

    Inzwischen leitet Axel Preusse das Institut für Markscheidewesen der RWTH-Aachen. Andere Bergbauprojekte stehen hier im Vordergrund, aber den Traum vom Erdgas aus dem Kohleflöz hat er noch nicht aufgegeben. Vor Jahren konnten die Erfolge aus den USA in Deutschland nicht wiederholt werden, weil die angebohrten Kohleflöze hier etwa 500 bis 800 Meter tiefer lagen als in Amerika. Durch den höheren Druck in diesen Tiefen ist das Gas aber schwerer von den Kohlepartikeln zu lösen. Preusse hofft daher darauf, dass sich das Absaugverfahren verbessern und so an deutsche Verhältnisse anpassen lässt.


    Ich bin da durchaus positiv gestimmt. Es ist keine Ressource, die wir innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre erschöpfend gewinnen werden. Aber es ist sicherlich eine Ressource, die bei uns vor der Haustür liegt und die wir nicht ungenutzt liegen lassen sollten.

    Denn auch die wirtschaftliche und politische Lage hat sich verändert: Gestiegene Energiepreise und Fördergelder für alternative Energiequellen könnten das Flözgas vielleicht doch noch konkurrenzfähig machen. Die Ingenieure hoffen auf eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie beim Grubengas: Dieses Gas aus den stillgelegten Bergwerken im Ruhrgebiet wird zunehmend gesammelt, aufbereitet und genutzt. Inzwischen sorgt es für den Strom von mehr als 200.000 Haushalten.