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Unzureichendes Risikomanagement

Cattenom ist ein großer Kernenergie-Standort im Nordosten Frankreichs - sehr zum Ärger vieler Menschen im benachbarten Saarland. Verschiedenste Mängel und wiederholte Pannen haben das Vertrauen in die Reaktoren dort beeinträchtigt. Nun hat sich die Atomaufsicht zur Sicherheit der Anlagen geäußert.

Von Tonia Koch | 04.06.2013
    Seiner allgemeinen Zufriedenheit über den Sicherheitsstandard der beiden Atomkraftwerke im deutsch-französischen Grenzgebiet schob der Sprecher der Atomaufsicht, Florien Kraft, ein 'Aber' hinterher. Und dieses 'Aber' bezieht sich auf ein unzureichendes Risikomanagement und einen allzu laschen Umgang mit dem Strahlenschutz. In beiden Fällen müsse zukünftig sorgfältiger, systematischer vorgegangen werden. Immerhin hat es im vergangen Jahr in Cattenom 51 Zwischenfälle gegeben. Florien Kraft.

    " Von den 51 Ereignissen wurden 47 auf Stufe 0 gesetzt, 3 auf Stufe 1 und eines auf Stufe 2, was eher ungewöhnlich ist."

    Die Bewertungsskala für die Sicherheit von Atomkraftwerken weist sieben Stufen auf. Null bedeutet unbedenklich. Bei Stufe zwei wird jedoch davon ausgegangen, dass in begrenztem Umfang Gefahr besteht für Mensch und Umwelt. Beim festgestellten Zwischenfall sei zwar keine Radioaktivität ausgetreten und auch niemand verstrahlt worden, aber in zwei Blöcken hätte ein sicherheitsrelevantes System gefehlt. Der sogenannte Siphonbrecher würde zwar nicht gebraucht, so lange alles gut laufe, aber, dass über Jahre nicht bemerkt worden sei, dass er fehlt, sei sträflich, so der ASN-Sprecher.

    "Das heißt, es war auf alle Fälle eine Sicherheitsbeeinträchtigung, auch wenn es nicht konkret zu Folgen geführt hat. Aber wir waren der Ansicht, dass das durchaus die Stufe 2 verdient, vor allem vor dem Hintergrund, dass man es hätte viel früher merken müssen."

    Von heute an bis einschließlich Donnerstag hat die ASN daher eine erneute Überprüfung der vier Reaktorblöcke in Cattenom angeordnet. In der Folge von Fukushima hat die französische Atomaufsicht darauf bestanden, dass der Betreiber, die Electricité de France, ihre Kernkraftwerke sowohl materiell als auch organisatorisch nachrüstet. Nach eigenen Angaben kostet das die EDF insgesamt zehn Milliarden Euro. Ein großer Teil dieser zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen sei bereits umgesetzt, so Kraft.

    "Ein ganz konkretes Beispiel ist die Tatsache, dass es bis jetzt für jeden Block in Frankreich zwei Notstromdieselaggregate gibt. Bis Ende Juli, also es sind nur ein paar Wochen übrig, musste der Betreiber ein zusätzliches Dieselaggregat installieren."

    Für Aufregung sorgen immer wieder die gern öffentlich vertonten Laufzeiten der französischen Atommeiler. Dabei gäbe es aber keine generelle Betriebserlaubnis für 60 Jahre, auch wenn Vertreter der EDF dies hin und wieder glauben machen möchten. Voraussetzung für den Betrieb seien die alle zehn Jahre stattfindenden Sicherheitsüberprüfungen. Das Resultat für Fessenheim, das älteste französische Kernkraftwerk, lautet, es darf weitere zehn Jahre am Netz bleiben, es sei denn, der französische Staatspräsident macht seine Ankündigung wahr und nimmt Fessenheim vom Netz. In Cattenom hingegen denkt – mit Ausnahme der politisch Handelnden in den Nachbarländern - niemand an Schließung. Florien Kraft:

    "Bei Cattenom ist es so, dass alle Reaktoren jünger als 30 Jahre sind, die ASN hat schon gesagt, dass 40 Jahre drin sind für den Kraftwerkspark. Aber das wird immer wieder einzeln beurteilt. Im Moment sind es auf jeden Fall 30 Jahre Laufzeit, der Betreiber möchte bis zu 60 Jahre gehen, aber das wissen wir erst in 20 Jahren."

    Eines hat sich in den letzten Jahren auf alle Fälle positiv verändert, der Informationsfluss über die Grenze hinweg ist besser geworden.