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Upcycling als Trend
Wenn aus Ausrangiertem Kunst wird

Aus Abfall Neues zu schaffen, also Recycling, ist nichts Neues. Wenn aber aus altem Kram nicht nur einfach ein neues Produkt entsteht, sondern etwas mit wesentlich höherem Wert - bis hin zu Kunst, dann ist die Rede von Upcycling. Und immer mehr Künstler machen mit.

Von Julia Batist | 11.09.2014
    Der Kölner Maler Klaus Tenner steigt über alte Holzbretter, Möbelteile und Kisten. In seinem Keller sammelt er alte Materialien, die er zu Kunst verarbeitet:
    "Das ist eine Schranktür, die ist aus Holz gefasst mit einer Füllung aus einem dünnen Sperrholz. War mal grün gestrichen, die Farbe ist aber an den meisten Stellen schon abgegangen. Das ist quasi wie ein angefanges Bild für mich. Wenn ich es jetzt quer halte, da sehe ich quasi schon ne Landschaft vor mir."
    Solche Inspirationen weiß Klaus Tenner zu schätzen. Genauso wie die alten, ausgedienten Gegenstände selbst:
    "Wenn ich eine neue weiße Leinwand hab, dann schaff ich ja von Anfang an das Bild. Und bei diesen Upcycling-Sachen find ich ja etwas vor, was ich dann interpretiere, woran ich weiter arbeite. Das kann ein alter Nagel sein, ein Splitter im Holz, ein Farbabrieb oder was Abgeblättertes. Aber ich würde es nie ganz übertünchen. Es soll auf jeden Fall von dem ursprünglichen noch was übrig bleiben, zu erkennen sein."
    Sein Haus steht voller alter Dinge. Er macht Skulpturen aus alten Holzdielen mit aufgesetzten Figuren aus Grillspießen. Eine Wurzel auf einem Sockel, rostige Nägel stehen aus Bildern hervor:
    "Natürlich muss man Dinge auch wegschmeißen. Aber die erzählen ja immer auch eine Geschichte und sind beseelt auf irgend eine Weise. Und ich nehm die dann zum Anlass, daraus ein Kunstwerk zu machen und sie vielleicht auch dadurch ein bisschen zu erhalten."
    Kunstwerke sollen Geschichte erzählen
    Die Kölnerin Heike Sistig macht Kunst aus Altpapier. In ihrem Flur sind Plastikboxen übereinander gestapelt, randvoll mit Papier und Stoffresten. In großen Schubladen lagern noch mehr Materialien:
    "Briefumschläge, Geschenkpapier, Kartons. Hier ist zum Beispiel eine Verpackung von Kaninchenfutter. Mich berührt das alles. Ich sehe das alte Material und mich spricht das sofort an und ich sammel das dann."
    Auf ihren Collagen kleben filigrane Papier-Figuren neben großflächigen Zeitungsausschnitten. Ihre Kunstwerke erzählen Geschichten, meint sie:
    "Verkleckert, zerrissen, gerade so Papiere dürfen nicht zu glatt sein, da muss schon was passiert sein. Stempel, Spuren, Risse. Es muss ja gelebt haben. Es muss schon mal einen anderen Zweck gehabt haben. Das ist das, was mich interessiert."
    Dafür dass immer mehr Künstler Reststoffe verarbeiten hat sie eine einfache Erklärung:
    "Ich glaube, den Trend gibt es daher, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben, wo alles da ist. Dass Dinge eine kleine Funktion haben und danach weg geschmissen werden. Dass wir Tonnen von Müll produzieren jeden Tag. Und an dem Zeitgeist. Ein Trend entsteht ja dadurch, dass das irgend jemand macht und man fühlt sich dadurch inspiriert."
    Trend mit fragwürdigem Hintergrund
    Von diesem Trend profitieren zwei Berlinerinnen, die unter dem Label "Material Mafia" Reststoffe an Künstler und Kreative verkaufen. Die erhalten sie von Unternehmen, die sie sonst wegschmeißen würden. Ihr zehn Quadratmeter großes Lager ist selbst gebaut - aus Resten. Darin liegen unzählige brauchbare Materialien. Katja von Helldorf sortiert sie:
    "Das ist eine Tüte voller Fahrradschläuche. Oh, da ist ja noch Luft drin. Das pustet raus gerade. Das ist eine Kiste mit Schallplatten, die sind irgendwie zerkratzt."
    Für zwanzig Prozent des Neupreises verkaufen sie auch Baustoffe und Füllmaterialien. Nur große Müllmengen nehmen sie an, nicht etwa kleine Privatspenden. Und das hat seinen Grund, erklärt Simone Kellerhoff:
    "Unsere Vision ist eigentlich weniger Müll und mehr Kreisläufe, die Ressourcen betreffen und nicht mehr Geld zu erwirtschaften und mit einem Trend mitzujagen."
    Einem Trend mit fragwürdigem Hintergrund:
    "Ich denke schon, dass dieses Upcycling eine Zeiterscheinung ist. Das geht von Kunst über Mode, Möbel. Ich finde es sehr Deutsch, dieses Upcycling. Es ist kreativ und es hat natürlich ein bisschen die Gefahr, dass es nicht die Problematik dieser Müllberge in den Griff bekommt, sondern letztlich ein ganz kleines Randgebiet ist."