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Update für Europa

Diplomarbeiten auf der Schreibmaschine tippen, Buchrecherche in Karteikästen - daran erinnern sich nur noch Langzeitstudenten. Heute haben Computer und Internet im täglichen Lehrbetrieb eine zentrale Rolle übernommen, in der Hochschulverwaltung ebenso. Doch im Rahmen des Bologna-Prozesses zur Vereinheitlichung des europäischen Hochschulwesens warten schon neue Herausforderungen auf die elektronische Hochschule.

Von Svenja Üing |
    Sie ist mittlerweile schon seit Jahren schnell und einfach vom Computer daheim zu erledigen: die Recherche im Uni-Bibliotheks-Katalog. Auch die Verwaltungsapparate der Hochschulen arbeiten längst multimedial. Und das ist gut so. Denn Experten aus Politik und Hochschule prophezeien, die wirkliche Herausforderung stehe den deutschen Unis erst noch bevor: die europäische Vernetzung im Rahmen des Bologna-Prozesses. Der zweitägige Kongress "eUniversity - Update Bologna" in Bonn sucht hier nach Lösungen, beispielsweise für das so genannte Credit-Point-System, sagt Ulrich Schmid, Geschäftsführer vom Multimedia Kontor Hamburg, einem der Gastgeber des Kongresses:

    "Wir haben Credit-Points. Die Hochschulen haben sich darauf verständigt, dass das die einheitliche Währung ist in Europa. Und jetzt müssen wir auch sozusagen infrastrukturell dafür sorgen, dass diese Währung gut ausgetauscht werden kann und dass wir nicht überall Medienbrüche haben und man sich Dinge bescheinigen lassen muss, wo man extra dann vorbei muss mit Termin und so weiter, sondern dass das einfach übers Internet stattfinden kann."

    Die Universität Hamburg hat dafür zum Beispiel das "Studien-Infonetz", kurz: STiNE, eingerichtet. Hier können die Studierenden nicht nur einsehen, wie viele Credit-Points, also Leistungspunkte, sie schon gesammelt haben und welche Seminare sie noch belegen müssen, sondern sie können sich auch direkt zu Prüfungen anmelden, Prüfungsergebnisse abfragen und einen Blick auf aktuelle Vorlesungsverzeichnis werfen. So ein Service sei durchaus finanzierbar, sagt Jörg Dräger, Hamburgs Senator für Wissenschaft und Forschung:

    "Also für eine größere Universität wie die Universität Hamburg bedeutet der Unterhalt einer professionell betriebenen Software im Rahmen von E-Campus einen Beitrag von wenigen Millionen Euro im Jahr. Aber das ist gegenüber den Gesamtkosten einer Universität von mehreren 100 Millionen Euro im Jahr ein leistbarer Beitrag, um wirklich Qualität für Studierende zu verbessern und auch für die Verwaltung im Endeffekt Dinge transparenter zu machen."

    Aber nicht nur die Verwaltung soll durch spezielle Software und das Internet verbessert werden, sondern auch das Lernen. Der eUniversity-Kongress stellt Beispiele aus der Praxis vor. Darunter auch: der "Baltic Sea Virtual Campus", für den sich drei deutsche Hochschulen in Hamburg, Kiel und Lübeck zusammengeschlossen haben mit Hochschulen in anderen Ostsee-Ländern. Vor drei Wochen haben die ersten Absolventen des berufsbegleitenden Master-Studiengangs "Transregional Management" ihren Abschluss gemacht, erzählt einer ihrer Dozenten, Professor Ulrich Hofmannn von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften:

    "Wir hatten also Studenten aus dem ganzen Ostseeraum und die haben mich kontaktet über Skype, also Internet-Telefonie, die haben mir Mails geschickt, wir haben einige Face-to-face-Meetings gehabt, wir haben eine Lernplattform gehabt, so dass ich ein genaues Bild von den Studenten hatte und wie Fragen gemeint waren. Also diese Vernetzung, die wir im virtuellen Bereich haben, hat voll funktioniert."

    Bei solchen Projekten geht es auch darum, wie man das Studium hierzulande attraktiver macht - für deutsche wie ausländische Studierende. Denn in Zeiten von Hochschulgebühren und Profilbildung steigert jeder einzelne Studierende den Wert seiner Uni. Attraktivitätssteigernd soll auch das Prinzip "Open Education Ressources" wirken, also das Bereitstellen von Lehrmaterialen im Internet. Deutschland hinkt hier allerdings noch hinterher, sagt Ulrich Schmid vom Multimedia Kontor Hamburg:

    "Das ist ein Thema, das in den USA gerade angeführt wird von MIT, aber auch Carnegie, auch Yale haben sich da angeschlossen. Und es hat sich inzwischen in Europa die Open University in London dieser Sache angeschlossen. Und wenn sie sich jetzt vorstellen: Ein Studierender in Indien sucht sich im Internet Material zu seinem Fach heraus, wird der natürlich in erster Linie auf diese Ressourcen stoßen und die deutschen Hochschulen werden überhaupt nicht mehr sichtbar sein."

    Dabei sei es nicht einmal eine Frage des Geldes, eine Vorlesung zu digitalisieren oder eine Powerpoint-Präsentation im Netz zur Verfügung zu stellen:

    "Aus meiner Sicht ist die wichtigste Hürde, das in den Hochschulen noch zu wenig vorhandene Know-how, was diese Schnittstelle zur Technik angeht. Also wir haben an den Hochschulen Präsidenten und Führungspersonal, die aus dem wissenschaftlichen Bereich kommen, die relativ wenig gewohnt sind unternehmerisch zu denken, auch an Wettbewerb zu denken, das Thema IT ist ein klassisches Delegationsthema, das macht der Rechenzentrumsleiter. Und das ist noch ein Unterschied zu Unternehmen, ein großer Unterschied, und auch eine Hürde, glaube ich, um diese Themen wirklich so anzugehen, wie sie's verdient haben. Wir brauchen bessere und kompetentere Entscheider, die keine Angst haben vor Informationstechnik."