Nach knapp sechs Wochen Geländearbeit sind die Geowissenschaftler nun wieder in den australischen Forschungsstationen Mawson und Davis. PCMega hieß ihre Expedition, die "Prince Charles Mountains Expedition von Deutschland und Australien". Die Prince Charles Mountains sind ein entlegener Gebirgszug im Osten der Antarktis, der mit dem Lambertgletscher den größten Gletscher der Erde flankiert. Zu sehen ist von den Bergen trotz ihrer mehr als 3000 Metern Höhe nicht viel. Nur Nunatak, ihre Bergspitzen, ragen aus dem Eis. Die Expedition war ebenso erfolgreich wie arbeitsreich, erzählt Norbert Roland von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover, derzeit in Mawson:
Offiziell dürfen wir ja nur zwölf Stunden arbeiten, mehr verbietet uns der Arbeitgeber. Aber in Ausnahmen musste natürlich auch einmal länger gearbeitet werden, aber dafür musste dann offiziell ein Ruhetag eingeführt werden.
Die Geologen arbeiteten in mobilen Camps überall in den Prince-Charles-Mountains. Sie kartierten und sammelten tonnenweise Gesteinsproben. Wann immer sie an einem Ort fertig waren, zogen sie mit Hilfe eines Hubschraubers um. Im Gelände lebte es sich aber recht spartanisch.
Die Zelte sind nicht geheizt, man hat aber dafür seine Iso-Matten und seinen warmen Schlafsack, und das ist es.
Das wissenschaftliche Highlight – aus derzeitiger Sicht – ist für Norbert Roland der langgezogene Bergrücken des sogenannten Mawson Escarpments:
Hier sind möglicherweise zwei Kontinentkerne zusammengestoßen oder aneinander vorbeigeschrabbt. Wir haben zumindest eine 20 bis 30 km breite Zone gefunden, in der ein tektonisches Mega-Ereignis stattgefunden hat. Das könnte vielleicht ein Highlight sein.
In den Steinen hat sich also ein sehr seltenes geologisches Ereignis erhalten: Sie erzählen davon, wie die Kernzonen von zwei Kontinenten zusammengestoßen sind. Die tektonischen Kräfte im Erdinneren müssen dabei gewaltig gewesen sein, denn es sind Steine herausgepresst worden, die aus dem Erdmantel stammen, die also mindestens 30, 40 Kilometer tief in der Erde entstanden sind. In dieser Zone der Prince-Charles-Mountains sind die Gesteine regelrecht durchgewalkt worden. Druck und Temperatur haben sie dabei umgewandelt – metamorphisiert.
Es wechseln sich hochmetamorphe Bereiche mit weniger stark metamorphen Bereichen ab. Das ganze ist sehr intensiv verfaltet. Es sind auch ultrabasische Linsen eingeschuppt in diesen gesamten Verband, die eigentlich da nicht hingehören, die aus dem Mantel hochgekommen sind, hochtransportiert worden sind, und die in einer fremden Umgebung stecken. Das Ganze eben wirklich sehr komplex, wahrscheinlich bis zu acht Phasen, die entziffert werden müssen, was da im Laufe der Zeit sich abgespielt hat.
Noch ist unklar, welche zwei Kontinente da in so ungewöhnlich engen Kontakt gekommen sind. Vielleicht stimmen ja Annahmen, dass es einer der "Kerne" der Antarktis und einer des Indischen Subkontinents waren – aber das ist offen. Auch wann es passiert ist, muss jetzt herausgefunden werden. Es könnte vor 500 Millionen Jahren passiert sein, bei der Entstehung von Gondwana. Vielleicht geschah es aber auch schon vor einer Milliarde Jahre, als sich ein viel älterer Superkontinent formierte: Rodinia. Heute warten die Tonnen von Gesteinsproben noch im Basislager von PCMEGA am Mount Cresswell darauf, dass sie in den kommenden Tagen von den schweren Zugmaschinen eines "Tractor-Trains" nach Mawson transportiert werden. Dann geht es weiter per Schiff. Erst in drei oder vier Monaten werden die Forscher in Hannover sie in Empfang nehmen und mit der Laborarbeit beginnen können. Alle sind sehr zufrieden. Die Australier – sie sähen es nach dieser erfolgreichen ersten Kooperation gerne, wenn es ein PCMEGA 2 gäbe. Denn ihre Geheimnisse haben die Prince Charles Mountains mit Sicherheit noch längst nicht alle freigegeben.