Archiv


Uranus ist nicht allein

Astronomie. - Vier Planeten in unserem Sonnensystem sind nicht allein auf ihren Bahnen. Sie, so sagen Astronomen, haben Begleiter, die die Sonne jeweils auf genau der gleichen Bahn umkreisen. Trojaner nennen die Wissenschaftler diese Himmelskörper, die wesentlich kleiner sind als die Planeten selbst. Der Gasriese Jupiter hat fast 6000 solcher Begleiter, Neptun hat neun, Mars hat drei, und auch die Erde hat einen. Als jüngstes Mitglied dieses Zirkels ist Uranus hinzugekommen.

Von Guido Meyer |
    Kaum haben Astronomen ein neues Modell für irgendetwas aufgestellt, kommt ihnen die Realität in die Quere und zeigt ihnen, dass alles ganz anders ist. Beispiel Trojaner – so nennen Astronomen Eis- und Gesteinsbrocken, die nicht – wie die Monde – Planeten umkreisen, sondern mit den Planeten die Sonne. Sie teilen sich also mit den Planeten eine Umlaufbahn. Eigentlich dürfte es Trojaner im inneren Sonnensystem nicht geben, argumentiert der kanadische Astronom J.J. Kavelaars vom nationalen Forschungsrat in Victoria in British Columbia.

    "Das Planetensystem ist in der Nähe der Sonne ziemlich dicht gepackt. Venus, Erde und Mars sind relativ nahe beieinander. Sie zerren gegenseitig an ihren Umlaufbahnen. Dennoch sind die Kräfteverhältnisse im inneren Sonnensystem nicht vollständig instabil, so dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass einer dieser Planeten für kurze Zeit von einem Trojaner begleitet wird."

    In der Tat wurde vor zwei Jahren ein Himmelskörper entdeckt, der mit der Erde auf der gleichen Umlaufbahn die Sonne umkreist – der bislang einzige Erdtrojaner. Auch Saturn und Uranus sollten eigentlich keine Trojaner auf ihren Orbits besitzen, weil der benachbarte Riesenplanet Jupiter sie durch seine immense Anziehungskraft entweder an sich selbst bindet oder sie ins All hinauskatapultiert. Doch nun hat das Team um J.J. Kavelaars einen riesigen Brocken von rund sechzig Kilometern Durchmesser entdeckt, der Uranus in einem Abstand von drei Milliarden Kilometern begleitet.

    "An dieser Stelle halten sich die Anziehungskräfte von Uranus und Sonne die Waage. Weil es aber noch andere Planeten in unserem Sonnensystem gibt, ist dieser sogenannte Librationspunkt nicht vollständig stabil."

    Nach der Entdeckung dieses Trojaners mit der Bezeichnung 2011 QF 99 mit dem Canada-France-Hawaii-Teleskop haben die Astronomen in Modellen durchgespielt, wie lange er Uranus begleiten wird. Ergebnis: maximal 700.000 Jahre.

    "Bevor das Objekt auf die Umlaufbahn von Uranus gezwungen wurde, muss es sich irgendwo im äußeren Sonnensystem aufgehalten haben, noch jenseits von Pluto. Von dort wurde es Richtung inneres Sonnensystem geschleudert. Dabei kam es an Uranus vorbei und hat sich an einem seiner Librationspunkte vorerst häuslich eingerichtet. Früher oder später wird es sich jedoch wieder von ihm lösen und seine Reise fortsetzen – entweder näher an die Sonne heran oder wieder nach draußen."

    Gut möglich, dass dieses Objekt in Sonnennähe sogar einen Schweif entwickeln und als Komet sichtbar sein wird. Und genauso gut möglich ist es, dass in nächster Zeit weitere Trojaner auf der Umlaufbahn von Uranus entdeckt werden oder die ersten Begleiter von Merkur, Venus und Saturn.

    "All diese Objekte müssen einer stabilen Gegend im äußeren Sonnensystem entstammen. Unser Planetensystem ist 4,5 Milliarden Jahre alt. Trojaner verweilen jedoch nur für 10.000 bis zu wenigen Millionen Jahre an den Librationspunkten der Planeten. Sie müssen also vom Entstehungsort ins innere Sonnensystem gelenkt werden, und zwar durch einen uns noch unbekannten Mechanismus."

    Unterdessen hat ein spanisches Astronomenteam zwei weitere Objekte entdeckt, die Uranus ebenfalls begleiten. Sie sind streng genommen keine Trojaner, da ihre Umlaufbahnen ein wenig innerhalb und ein wenig außerhalb der von Uranus liegen. Sie tauschen ungefähr alle achtzig Jahre ihre Positionen, von innen nach außen, und überholen dabei Uranus oder fallen hinter ihn zurück. Es gibt eben noch viel zu entdecken, dort draußen, im äußeren Sonnensystem.