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Uraufführung von "Peng"
Terrorkind will an die Macht

In dem neuen Stück "Peng" von Marius von Mayenburg wird die Ähnlichkeit zwischen mächtigen Regierungschefs und verzogenen Fünfjährigen gezogen. Vieles in dieser Comedy-Show verweist direkt auf US-Präsident Donald Trump. Allerdings findet unsere Kritikerin das Stück, das an der Berliner Schaubühne uraufgeführt wurde, nicht besonders originell und das Witzniveau bescheiden.

Von Barbara Behrendt | 04.06.2017
    Damir Avdic und Sebastian Schwarz in "Peng".
    Damir Avdic und Sebastian Schwarz in "Peng". (Berliner Schaubühne / Arno Declair)
    Ralf Peng ist schon vor seiner Geburt ein Terrorkind. Eine Bestie, die noch im Mutterleib die Zwillingsschwester mit eigenen Händen erwürgt – denn: Es kann nur einen "Peng" geben. Mit zwei vollständigen Zahnreihen bewaffnet beißt er sich durch die Nabelschnur und durch die Welt, immer das Ziel vor Augen, sie einmal zu beherrschen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht: Lügen, Intrigen, rohe Gewalt. Dem Teddy reißt er noch im Kinderwagen den Kopf ab, dem Geigenlehrer sticht er als Fünfjähriger ein Auge aus.
    Und seine Eltern? Die leben selbstzufrieden in ihrem hippen, urbanen Bio-Paradies mit Sahne-Kefir auf Pfirsich-Maracuja und der Alm-Milch direkt von artgerechten Kühen, liegen ihrem eigenen Früchtchen zu Füßen und preisen es für seine kläglichen Violin-Künste als hochbegabt.
    Illusionen, wie sie sich verblendete Eltern halt machen – wahr ist allerdings: Peng ist frühreif. Mit fünf Jahren lässt er sich Waffen liefern, kandidiert für das Amt des Weltherrschers und rechtfertigt seine Grapsch-Attacke auf die Babysitterin mit Worten, die uns schwer bekannt vorkommen:
    "Wenn ich will, fass ich sie an. Ich grapsche jeder Frau, die mir gefällt, in die Bluse oder zwischen die Beine, weil: Ich bin ja noch ein Kind. Ich mach das 'in aller Unschuld'. Und es ist hochinteressant: Mir verzeiht man alles. Mehr noch: Die Mädels wollen es, sie genießen es, sie betteln darum, und wenn nicht: Scheißegal, sie lassen mich machen, weil ich hochbegabt bin und bald diesen Laden übernehme."
    Alles will Analogie für das große Ganze sein
    Ja, vieles in dieser Comedy-Show verweist direkt auf Donald Trump, den lebenden Beweis für die Infantilisierung der Macht. Überhaupt will alles in dieser Peng-Familie Analogie für das große Ganze sein: die Mutter, die im Keller schutzsuchende Frauen beherbergt – Mama Merkel. Das Haus, das deshalb aus allen Nähten platzt – Europa. Der Vater, der die Küchengeräte verkauft, mit denen die Frauen misshandelt worden sind – der Waffenexport-Meister Deutschland. Der Junge, der mit dem Gewehr an der Tür steht und niemanden mehr reinlässt – wahlweise Trump, Putin, Orbán oder Kaczyński in der Flüchtlingskrise.
    Mayenburgs neues Stück will überdrehte Komödie sein, ist aber weder besonders originell noch besonders lustig, sondern bewegt sich auf bescheidenem Witzniveau mit ziemlich verbrauchten Gags. Anders als bei seiner grotesk überzeichneten Kunstbetriebssatire "Stück Plastik" hangelt sich der Autor hier von einer mittelmäßigen Pointe zur nächsten. Da hat man in der Dramengeschichte schon ganz andere Kaliber von tyrannischen Riesenbabys erlebt, man denke nur an Alfred Jarrys "König Ubu".
    Robert Beyer als Weichei-Vater Dominik rettet sich in zumindest zeitweise schräg-komische Alliterationen, als er den wahren Charakter seines Horror-Jungen erkennt.
    "Der drängt darauf, durch Deregulierung und dubiose Deals die Demokratie dauerhaft zu destabilisieren, der deklariert dogmatisch die Doktrin, dass Demagogen Andersdenkende diskriminieren und denunzieren dürfen. Die devoten Dienstleister dieser Despoten drangsalieren dann Demonstranten, deportieren Dissidenten und dreschen die Demokratie derart durch den Dreck, dass dadurch das Diktat der Dummheit durchgesetzt wird, diese deprimierende Dummheit, diese dilettantische Dreistigkeit, dieses debile, dekadente Desinteresse, das dauerhaft die Diskussionskultur demoliert und differenzierte Denker in die Defensive drängt."
    Nummer reiht sich an Nummer
    Auf der in Grün getauchten Bühne rutscht derweil Sebastian Schwarz als narzisstisch-despotisches Monsterkind in langen Unterhosen und Eva Meckbach mit Katzenmaske, Arztkittel oder goldenem Catsuit eine Halfpipe hoch und herunter. Darüber eine Leinwand, die zeigt, wie rasch man die schlichte Wirklichkeit auf der Bühne zur medialen Inszenierung aufblasen kann. Erst im Video sorgen Feuer, Regen, Blut für Action, werden Werbespot-Idyllen eingespielt, wird ein Boxring oder ein Talkshow-Sofa als Kulisse projiziert.
    Nummer reiht sich an Nummer, die Präsidenten-Castingshow an den Gesangswettbewerb. Dazu ein verquasseltes Polit-Bashing, das an Irrwitz und bizarrer Doppelbödigkeit weit hinter der derzeitigen weltpolitischen Realsatire zurückbleibt.