Mehr Zeit für die Familie, die Kinder, will Mikhael Baryshnikov haben und irgendwann etwas Neues anfangen; sein Privatunternehmen, das "White Oak Dance Project" ist damit definitiv und endgültig beendet. Die Europatour allerdings hat gerade erst begonnen.
Den Auftakt des dreiteiligen Tanzabends bildet ein 7minütiges Solo , choreographiert von Lucinda Childs zum "Largo" des Arcangelo Corelli für den 54-jährigen Star des Abends und der Company. Das Stück stammt zwar aus dem letzten Jahr, wirkt aber arg verstaubt. Gemessenes Schreiten, Drehen vom Publikum weg, gemächliches Arme-Ausbreiten. Keine glückliche Entscheidung.
Auch das zweite Stück des Abends kann nur als dramaturgischer Lückenfüller und als historisches Beispiel des amerikanischen Modern Dance der 60iger Jahre verstanden werden. Denn die Welturaufführung "The Show - Achilles Heels" dauert nur knappe 60 Minuten.
Der junge Choreograph Richard Move hat für das Ensemble, und speziell für seinen Star Mikhael Baryshnikov, eine witzige, ironische Collage gebastelt. Er arbeitet mit Rückgriffen auf den Fundus der griechischen Mythologie, geht dabei allerdings recht respektlos mit den Helden und Heroinen um. Oder sagen wir, er spielt mit dem zumindest in Europa dem Bildungsbürgertum bekannten Mythos des tapfersten griechischen Helden im Kampf um Troja mit der verwundbaren Ferse. Diese wiederum spielt keine Rolle, der erste Teil des Titels ist der wesentlichere: the show. Denn im Stück handelt es sich um eine Reality Game Show, wie sie mittlerweile ja auch dem deutschen Fernsehpublikum aufgenötigt wird. "It’s all Greek to me" heißt sie und das bedeutet im amerikanischen Sprachgebrauch dasselbe wie bei uns die "böhmischen Dörfer", man versteht eben nichts davon.
Die Spitzfindigkeiten bekommt allerdings nur derjenige mit, der die englische Sprache einigermaßen gut beherrscht. Das gleiche gilt für die in monumentaler Hollywoodfilm-Manier eingespielten Textpassagen zur Verwicklung des Achilles in einen Krieg, den er nicht wollte, und in den er sich nur hereinziehen lässt, weil sein Freund getötet wurde. Das war seine verwundbare Stelle. Geschichte und Show, zwei Ebenen ineinander, miteinander verwoben, wie Hypertexte, künstlich.
"The show" ist eigentlich eher eine Rockoper als ein Tanzstück, ein Ballett schon mal gar nicht. Move geizt nicht mit Kitsch, batteriebetriebenen Flatterfriedenstauben zum Beispiel oder Sternenstaubglitter, der aus dem Bühnenhimmel auf Achilles/Baryshnikov herunterrieselt, während der seine Arme in Erlöserpose nach oben streckt.
Getanzt wird natürlich schon. Anleihen aus den unterschiedlichsten Tanzstilen fügen sich zusammen, das Gewicht liegt aber auf Modern Dance. Mitunter wird man an eine klassische "Tour de manege" erinnert, oder an Showtanz, Travestie, ein bisschen Streetdance ist auch dabei. Posen griechischer Olympioniken oder Krieger werden ebenso schamlos zitiert wie saubere Ensembles getanzt, auf flacher Sohle, mit hoch gestreckten Beinen und weit ausgestreckten Armen.
Mikhael Baryshnikov tanzt die meisten Soli in "The Show/Achilles Heels". Immer wieder, selbst bei einer ziemlich blödsinnigen Nummer auf Glitzstöckelschuhen und mit Goldkorsage, erkennt man seine überragenden Tänzerqualitäten: sie liegen in der unglaublichen Ausstrahlung, seiner Bühnenpräsenz . Seine Bewegungen, und mögen sie minimale Gesten sein, zeugen von Kraft und Energie. Und in Richard Moves’ Stück zeugen sie deutlich von einer Menge Humor, die der 54-jährige ehemalige Klassische Startänzer als Achilles mitbringt: Humorlosigkeit kann sein Achillesferse nicht sein.
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Den Auftakt des dreiteiligen Tanzabends bildet ein 7minütiges Solo , choreographiert von Lucinda Childs zum "Largo" des Arcangelo Corelli für den 54-jährigen Star des Abends und der Company. Das Stück stammt zwar aus dem letzten Jahr, wirkt aber arg verstaubt. Gemessenes Schreiten, Drehen vom Publikum weg, gemächliches Arme-Ausbreiten. Keine glückliche Entscheidung.
Auch das zweite Stück des Abends kann nur als dramaturgischer Lückenfüller und als historisches Beispiel des amerikanischen Modern Dance der 60iger Jahre verstanden werden. Denn die Welturaufführung "The Show - Achilles Heels" dauert nur knappe 60 Minuten.
Der junge Choreograph Richard Move hat für das Ensemble, und speziell für seinen Star Mikhael Baryshnikov, eine witzige, ironische Collage gebastelt. Er arbeitet mit Rückgriffen auf den Fundus der griechischen Mythologie, geht dabei allerdings recht respektlos mit den Helden und Heroinen um. Oder sagen wir, er spielt mit dem zumindest in Europa dem Bildungsbürgertum bekannten Mythos des tapfersten griechischen Helden im Kampf um Troja mit der verwundbaren Ferse. Diese wiederum spielt keine Rolle, der erste Teil des Titels ist der wesentlichere: the show. Denn im Stück handelt es sich um eine Reality Game Show, wie sie mittlerweile ja auch dem deutschen Fernsehpublikum aufgenötigt wird. "It’s all Greek to me" heißt sie und das bedeutet im amerikanischen Sprachgebrauch dasselbe wie bei uns die "böhmischen Dörfer", man versteht eben nichts davon.
Die Spitzfindigkeiten bekommt allerdings nur derjenige mit, der die englische Sprache einigermaßen gut beherrscht. Das gleiche gilt für die in monumentaler Hollywoodfilm-Manier eingespielten Textpassagen zur Verwicklung des Achilles in einen Krieg, den er nicht wollte, und in den er sich nur hereinziehen lässt, weil sein Freund getötet wurde. Das war seine verwundbare Stelle. Geschichte und Show, zwei Ebenen ineinander, miteinander verwoben, wie Hypertexte, künstlich.
"The show" ist eigentlich eher eine Rockoper als ein Tanzstück, ein Ballett schon mal gar nicht. Move geizt nicht mit Kitsch, batteriebetriebenen Flatterfriedenstauben zum Beispiel oder Sternenstaubglitter, der aus dem Bühnenhimmel auf Achilles/Baryshnikov herunterrieselt, während der seine Arme in Erlöserpose nach oben streckt.
Getanzt wird natürlich schon. Anleihen aus den unterschiedlichsten Tanzstilen fügen sich zusammen, das Gewicht liegt aber auf Modern Dance. Mitunter wird man an eine klassische "Tour de manege" erinnert, oder an Showtanz, Travestie, ein bisschen Streetdance ist auch dabei. Posen griechischer Olympioniken oder Krieger werden ebenso schamlos zitiert wie saubere Ensembles getanzt, auf flacher Sohle, mit hoch gestreckten Beinen und weit ausgestreckten Armen.
Mikhael Baryshnikov tanzt die meisten Soli in "The Show/Achilles Heels". Immer wieder, selbst bei einer ziemlich blödsinnigen Nummer auf Glitzstöckelschuhen und mit Goldkorsage, erkennt man seine überragenden Tänzerqualitäten: sie liegen in der unglaublichen Ausstrahlung, seiner Bühnenpräsenz . Seine Bewegungen, und mögen sie minimale Gesten sein, zeugen von Kraft und Energie. Und in Richard Moves’ Stück zeugen sie deutlich von einer Menge Humor, die der 54-jährige ehemalige Klassische Startänzer als Achilles mitbringt: Humorlosigkeit kann sein Achillesferse nicht sein.
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