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Urban-Art-Museum in Berlin
Street-Art wird museal

Banksy, Herakut und 3D - die Pioniere der Straßenkunst sind in Berlin auch im Museum zu sehen. Ihre "Draußen-Kunst" funktioniert drinnen ebenso: kleiner und ohne Straßenlärm. Das neue Street-Art-Museum Urban Nation versucht Beispiele aus allen Epochen und Stilrichtungen abzubilden.

Von Michael Meyer | 15.09.2017
    Street-Art in der Bülowstraße in Berlin-Schoeneberg: Die Kunstwerke gehören alle zu Urban Nation, einer internationalen Institution für Urban-Art-Künstler und -Projekte
    Das Street-Art-Kunstwerk gehört zu Urban Nation, einer internationalen Institution für Urban-Art-Künstler und -Projekte. (imago/epd-bild/Rolf Zoellner)
    Die Bülowstraße in Berlin-Schöneberg. Hier hat die städtische Gentrifizierung noch nicht so sehr zugeschlagen, wie andernorts, der Straßenstrich liegt direkt vor der Tür, die U-Bahn rattert hier überirdisch die Straße entlang, das Schwulenviertel liegt um die Ecke. Rau und authentisch würde man die Gegend nennen. Der ideale Ort, um ein Museum for Urban Contemporary Art zu eröffnen, befand Yasha Young. Young ist eine deutsch-amerikanische Galeristin und Kuratorin und ist Gründerin des Museums:
    "Ich habe festgestellt, dass es keine Plattform gibt, die fördert, die diese Kunst auch weiter fördert und die auch hilft, Rückgrat zu sein. Ich habe gesucht nach einer Möglichkeit, diese Menschen, die ich überall auf der Welt getroffen habe, miteinander zu verbinden. Die sind ja sehr gut vernetzt sowieso, aber es gab für diese Kunstform noch keine eigenständige Plattform, die sich wirklich nur damit und mit der Förderung dieser Kunst in all ihren Facetten auseinandergesetzt … Es wäre schön, wenn man so ein internationales Hub hätte, besonders in Berlin, von dem aus viele Leute auch Karrieren starten."
    Street-Art auf Leinwand
    Ob das so funktioniert, ist natürlich noch völlig offen, zehn Workshops wollen die Macher pro Jahr für junge Künstler anbieten - und natürlich auch generell offen sein für die Szene. Zur Eröffnung der Galerieräume, die sich über zwei Etagen eines Gründerzeithauses erstrecken, sind neue Werke von 150 Künstlern zu sehen, die schon lange Street-Art machen. Mit dabei das deutsche Duo Herakut, 3D, aka Robert Del Naja, der vielleicht Banksy sein könnte, oder der Portugiese Alexandre Farto aka Vhils, der ein Che-Guevara-artiges Gesicht in eine Wand geschlagen hat. Viele Pop-Art-hafte Motive sind natürlich auch zu sehen.
    Eine Frau geht durch das Urban Nation Museum For Comtemporary Art in Berlin. An den Wänden hängen großformatige Bilder. 
    Im Urban Nation sind viele gerahmte kleinere Bilder von Street-Art-Künstlern zu sehen (dpa/Jörg Carstensen)
    Im Urban Nation Museum sehen die Besucher allerdings keine großen knallbunten Murals, sondern vielerlei gerahmte kleinere Bilder. Diese setzen den Stil der Street-Art fort und adaptieren ihn in die kleine Form eines Motivs auf Canvas, also auf Leinwand. Da diesen Schritt in die Galerien fast alle Künstler gehen, laufe auch die Kritik an Street-Art im Museum ins Leere, betont Yasha Young:
    "Was wir machen, ist ein Archiv herzustellen, wie Sie sehen, ist es nicht unüblich, Street-Art auf Canvas zu haben, das habe ich mir auch nicht ausgedacht, das gibt es seit spätestens seit 2003 als Jeffrey Deitch im LA Museum of Contemporary Art eine sehr große Street-Art-Show kuratiert hat. Und Urban Contemporary Art ist die Natural Progression, eine weitere Plattform, die sich der Künstler aussucht."
    Szene diskutiert den Ausverkauf an kommerzielle Interessen
    Manches wirkt allerdings etwas brav - ein großes freches Motiv vermisst man in der Ausstellung, was vielleicht auch daran liegt, dass "Urban Art" visuell gut vertraut ist und als Kunstform oft und gerne medial verwertet wird. Immer wieder wird in der Szene der Ausverkauf an kommerzielle Interessen diskutiert. Doch das muss kein Widerspruch sein: Dass bezahlte Street-Art und künstlerischer Anspruch zusammengehen können, beweist das Kollektiv "Xi-Design" aka "The Dixons". Die Künstlergruppe war im Frühjahr Treiber des Projekts "The Haus" in Berlin und wurde dafür heftig kritisiert. Die Truppe realisiert sowohl kommerzielle Projekte - wie Werbung an Hauswänden - wie auch eigene Motive. Kimo und Jörni von den "Dixons" erklären die Philosophie dahinter:
    "Also die Roots sind ganz klar Graffiti, Street-Art, damit haben wir angefangen, aber ab irgendeinem Punkt gibt es auch Leute, die unsere Kunst drinnen sehen wollen, und da gibt es natürlich verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten, die ja nicht wirklich was mit Graffiti zu tun haben, sondern mit einer Kunstform und die setzen wir auch drinnen um. Wichtig ist, dass man ein Forum hat oder ein Medium hat, wo man sich präsentieren kann als Künstler, und da versuchen wir, mit offenen Augen durch die Stadt und durchs Leben zu ziehen und genau solche Flächen uns rauszupicken."
    Von den 60ern bis in die Gegenwart
    Im "Urban Art Museum" sind sie erst einmal nicht vertreten, doch das kann ja noch kommen. Bei einer so gewaltigen Anzahl von Künstlern weltweit sei es unmöglich gewesen, das gesamte Genre komplett abzubilden, erzählt Steven P. Harrington. Er ist einer der Kuratoren und Autor des Blogs "Brooklyn Street Art". Man habe für das Museum stattdessen verschiedene Kategorien geschaffen, um ein weites Spektrum abzubilden:
    "Wir tauchen hier tief ein in die Geschichte der Graffiti-Sprayer in New York der 60er und 70er-Jahre zum Beispiel, bis hin zu den sehr realistischen Foto-Motiven von heutigen Künstlern, die eine klassische Ausbildung haben. Es ist ein weites Feld dazwischen. Wir sind hier nicht enzyklopädisch vorgegangen, das Museum zeigt nicht jeden Künstler, aber es zeigt Beispiele aus jedem einzelnen Bereich."
    Gegenüber des Urban-Art-Museums haben Künstler die Fassade eines Hauses in eine überdimensionierte blaue Sternenlandschaft verwandelt
    Gegenüber des Museums Urban Nation haben Künstler die Fassade eines Hauses in eine überdimensionierte blaue Sternenlandschaft verwandelt (imago/epd-bild/Rolf Zoellner)
    Ganz wichtig ist den Machern des Urban Art Museums, dass Künstler auch neue Projekte, neue Werke entwickeln können - Weiterentwicklung der Kunstform, Dialog und mehr Anerkennung sind dabei die Ziele - man sei eben nicht begrenzt auf den Raum, sondern Teil der Stadt, sagt Yasha Young.
    Und wie das aussehen kann, kann man in der Schöneberger Bülowstraße unter anderem an einem Haus gegenüber des Museums sehen, dort haben Künstler die Fassade in eine überdimensionierte blaue Sternenlandschaft verwandelt. Urban Art drinnen und draußen - davon wird man in dieser Ecke Berlins künftig noch mehr sehen.
    Die Eröffnung des Urban-Art-Museums Urban Nation in Berlin findet am 16.09.2017 ab 19 Uhr statt.