Archiv


Urinrecycling mit Elektrochemie

Umwelt. - Vor über einem Jahr schrieb die Bill & Melinda Gates Stiftung einen Wettbewerb zur Entwicklung von neuartigen Toilettenkonzepten aus. Kürzlich wurden die besten der eingereichten Vorschläge prämiert. Den ersten Preis, immerhin 100.000 Dollar, gab es für ein System, bei dem die Exkremente mit Solarstrom in einem elektrochemischen Reaktor recycelt werden.

Von Lucian Haas |
    Man kombiniere eine Toilettenschüssel, einen Sammeltank und ein Solar-Panel mit einem elektrochemischen Reaktor – fertig ist die Toilette der Zukunft für Entwicklungsländer. Sie braucht keinen Wasseranschluss und keine Kanalisation, und ist doch absolut hygienisch.

    "Die einzelnen Komponenten sind einfach, wenn sie zusammen gefügt werden. Das ist keine ausgefallene Hochtechnologie. Das Konzept dahinter ist vielleicht Hightech, aber das System, wie wir es zusammenstellen, ist es nicht."

    Michael Hoffmann ist Umweltingenieur am California Institute of Technology. Schon vor 20 Jahren erforschte er im Auftrag der US-Weltraumbehörde Nasa neue Möglichkeiten zur Reinigung verschmutzten Wassers. In die internationale Raumstation ISS, für die sie ursprünglich gedacht war, hat es seine Technik zwar am Ende nicht geschafft. Doch kürzlich hat er damit einen Wettbewerb der Bill und Melinda Gates Stiftung gewonnen. "Reinventing the toilet" – die Neu-Erfindung der Toilette, lautete die Aufgabe. Das Ziel: Ein so simples wie hygienisch-effektives Sanitärsystem zu entwickeln.

    "Das war eine Gelegenheit Technologien zu nutzen, an denen ich schon seit geraumer Zeit gearbeitet habe. Es geht darum Halbleiter eine praktische Arbeit verrichten zu lassen."

    Halbleiter – da denkt man normalerweise an Elektronik und Computer. Doch mit Halbleitermaterialien lassen sich auch andere Dinge realisieren. Elektroden zum Beispiel, die bei angelegter Spannung und im Kontakt mit organischen Stoffen beginnen, deren chemische Strukturen, sprich Moleküle, aufzubrechen. Michael Hoffmann ist ein Experte auf diesem Gebiet. Er hat herausgefunden, wie man unterschiedliche Halbleiter nebeneinander auf einer Metallplatte anordnen muss, damit sie eine Art elektrochemischen Verdauungsapparat ergeben. Ein solcher Reaktor bildet das Herzstück des neuen Toilettensystems.

    "In diesem Reaktor können wir die Abfallstoffe aus der Toilette abbauen. Dafür nutzen wir Solar-Strom aus einem Photovoltaik-Modul, der in einer Batterie zwischengespeichert wird. In zwei bis drei Stunden ist all der Abfall transformiert."
    Eine der Reaktionen besteht darin, Chlorid aus dem Urin in hochreaktives Chlor umzuwandeln. Das Chlor tötet alle Erreger in den Fäkalien ab. Die auf diese Weise desinfizierten Feststoffe werden im Sammeltank abgesetzt und können dann getrennt entsorgt werden. An der Sonne getrocknet, eignen sie sich als Dünger. Die flüssigen Bestandteile wiederum werden elektrochemisch soweit aufbereitet, dass sie in einem geschlossenen Kreislauf zum Spülwasser für die Toilette werden können. Ein Überlaufen des Systems droht dabei nicht. Denn ein Teil des Wassers wird im Reaktor elektrolytisch gespalten. Dabei entsteht Wasserstoffgas als alternative Energiequelle.

    "Wir reinigen die entstehenden Gase, trennen Wasserstoff von Sauerstoff, Ammoniak und anderen Spurengasen. Den Wasserstoff leiten wir in eine Brennstoffzelle, um damit Strom zu erzeugen. Man könnte das Gas auch einsetzen wie Erdgas, um damit zu kochen."

    Noch ist die Entwicklung nicht abgeschlossen. Michael Hoffmann und seine Mitarbeiter haben erst einmal einen Prototyp gebaut, um das Grundprinzip der Toilette zu demonstrieren. Jetzt muss daraus ein kompaktes, praxistaugliches System werden.

    "Wir werden unser Ford Modell-T Design verbessern hin zu einer Art Mercedes C-Klasse. Allerdings müssen wir den Preis niedrig halten für den Einsatz in Entwicklungsländern. Wir rechnen mit weiteren 15 Monaten Entwicklungszeit für den nächsten Prototyp. Wir werden eine transportable Einheit bauen, die dann rund um die Welt getestet werden kann."

    Um die 2000 US-Dollar soll so ein elektrochemisches Solar-Toilettensystem am Ende kosten. Die Technik wäre nicht nur für Entwicklungsländer interessant. Sie könnte zum Beispiel auch die sanitäre Entsorgung von abgelegenen Berghütten verbessern helfen. Entsprechende Anfragen hat Michael Hoffmann bereits erhalten.