Urlaub 2025
Armut lässt Ferienträume platzen

Die Reiselust der Deutschen scheint ungebrochen. Doch ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt: Ein Fünftel der Menschen kann sich keine Woche Urlaub leisten. Wer ist besonders davon betroffen und wie kann trotz Armut eine Reise möglich werden?

    Ein leerer Spielplatz im Leipziger Stadtteil Grünau: Eine Schaukel ist im Vorderung, im Hintergrund die Plattenbau-Häuser Grünaus.
    Spielplatz statt Eis am Meer: Kinder aus armen Familien sind oft auf Hilfsangebote angewiesen, um in den Urlaub zu fahren. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Rezession, Inflation, Kriege und Krisen können den Menschen in Deutschland nicht die Reiselust nehmen. Zwei Drittel haben für 2025 Urlaubsreisen geplant, wie die Tourismusanalyse der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen zeigt.
    Die Reisebranche profitiert vom Reiseboom. 2024 haben die Menschen in Deutschland laut der 41. Deutschen Tourismusanalyse im Durchschnitt 1544 Euro bei der Haupturlaubsreise ausgegeben. Das ist ein historischer Höchststand. Allerdings konnten sich im selben Jahr 21 Prozent der Menschen nach eigenen Angaben nicht mal eine einwöchige Urlaubsreise leisten.

    Wie viele Deutsche können sich keinen Urlaub leisten?

    Was die Tourismusanalyse allerdings auch zeigt: Es reisen weniger Menschen als noch vor der Pandemie. Alexandra Weigand vom Datenanalysehaus Travel Data Analytics erklärt: "Die saisonübergreifend fehlenden Bucher sind ein klares Indiz dafür, dass sich nicht jeder Haushalt angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten derzeit eine organisierte Urlaubsreise leisten kann oder will."
    Auch weitere Studien zeigen, dass sich viele Menschen schlichtweg keine Urlaubsreise leisten können. Der Anteil der Bevölkerung, der sich nach eigenen Angaben einen einwöchigen Urlaub nicht leisten kann, ist von 23 Prozent im Jahr 2023 auf 21 Prozent im Jahr 2024 geringfügig gesunken. Das sind also für 2024 17,4 Millionen Menschen.
    Am höchsten ist dieser Anteil bei Alleinerziehenden - mit 38 Prozent. Aber auch bei Familien mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern können sich überdurchschnittlich viele (29 Prozent) keinen einwöchigen Urlaub leisten.
    Generell haben Alleinlebende (29 Prozent) öfter als kinderlose Paare (15 Prozent) zu wenig Geld für eine Auszeit. Diese Zahlen sind ebenfalls leicht gefallen.

    Wie schauen Kinder aus armen Familien auf die Ferien?

    Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut, heißt es im aktuellen Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Diesen Familien fehlt das Geld für den Urlaub.
    „Es ist ein zentraler Indikator von Armut in unserem Land, wenn sich Familien nicht mindestens einmal im Jahr eine Woche Auszeit außerhalb der eigenen Wohnung leisten können, um sich zu vergnügen oder zu erholen“, sagt Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen. Sie ist Professorin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
    Ein Urlaub müsse gar nicht die teure Flugreise, sondern könne auch eine Reise ins nächste Bundesland sein, so Andresen. „Wenn das nicht möglich ist, sind Kinder eklatant benachteiligt.“

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    Bevorstehende Sommerferien können belastend sein

    Die bevorstehenden sechswöchigen Sommerferien könnten eine lange Zeit für Kinder und Jugendliche werden. Denn vieles, was im Sommer attraktiv sei, koste Geld. Das können Eintrittsgelder oder ein Eis mit Freundinnen sein.
    Im Sommer merke man besonders, was es heißt, arm zu sein, sagt Janina Lütt. Sie ist alleinerziehende Mutter einer zehnjährigen Tochter. Aufgrund einer Depression ist sie arbeitsunfähig.
    „Wenn ich das große Glück habe, habe ich mal zwei, drei freie Tage. Bewusst in den Urlaub fahren, kann ich gar nicht. Ich bin froh, wenn ich genug Geld für Lebensmittel habe“, sagt sie.

    Urlaubsreisen für alle: Welche Lösungen gibt es?

    Janina Lütt erzählt, wie ihr Kind einmal bei einer Ferienaktion teilgenommen hat. Dabei wurden die Kinder für drei Tage im Reitstall betreut, sie duften sogar reiten. „Die drei Tage haben 35 Euro gekostet. Da bin ich von der Patentante finanziell unterstützt worden. Das hat meinem Kind ganz gutgetan“, sagt Lütt.
    Sie sei in der Hinsicht recht privilegiert, da sie einen Freundeskreis habe, der ihr auch unter die Arme greife. „Armutsbetroffene Menschen haben normalerweise nicht ein so gut funktionierendes soziales Netzwerk“, sagt Lütt.
    Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen hat für ihre Studien mit vielen Eltern gesprochen. Sie haben ihr berichtet, wie gern sie Angebote, etwa der Kirche oder von Vereinen, annehmen würden. Diese hätten Freizeitheime in der Nähe und richteten sich an Familien.
    Damit mehr Familien solche Angebote nutzen, seien besonders die Kinder- und Jugendarbeit, Religionsgemeinschaften sowie die Kommunen gefragt, meint Andresen.

    Diakonie-Programm: Urlaub an Kinder schenken

    Seit 2006 ruft zum Beispiel die Diakonie Mitteldeutschland jährlich für das Programm "Kindern Urlaub schenken" zu Spenden auf, um Familien mit geringem Einkommen Ferienaktionen zu ermöglichen. 2024 sammelte die Diakonie auf diesem Weg 321.000 Euro. Damit konnten 6.500 Kinder und Jugendliche an 280 Ferienprojekten teilnehmen.
    Der Erziehungswissenschaftler Roland Merten äußerte die Sorge, dass sich Städte und Kommunen zunehmend aus der Verantwortung ziehen: „Es ist ein Skandal, dass sich die mitteldeutschen Bundesländer kaum Gedanken machen, wie die Kommunen junge Menschen und junge Familien unterstützen können.“

    Familienferienstätten und Seniorenreisen

    Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienerholung bietet 81 gemeinnützige Familienferienstätten an, damit Familien mit kleinerem Einkommen und in herausfordernden Lebenssituationen Urlaub machen können. Diese werden vom Bundesfamilienministerium gefördert.
    Je nach Bundesland und Einkommen besteht zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung für einen Aufenthalt in einer Familienferienstätte zu erhalten oder von ermäßigten Preisen zu profitieren. Ob man einen Zuschuss bekommt, kann mit dem Zuschussrechner überprüft werden. Hilfsangebote gibt es zudem für armutsbetroffene Senioren.
    Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen hält es für eine der wichtigsten und dringlichsten Maßnahmen, die aktuelle Sozialpolitik stärker an den Bedarfen, an den Rechten und am Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen auszurichten. Es gebe bereits genug profunde Forschung, die zeige, was Kinder für ein gutes und sicheres Aufwachsen benötigten.
    Die Bundesregierung tue deshalb gut daran, die Kindergrundsicherung und in diesem Zusammenhang eine Grundberechnung des Existenzminimums voranzutreiben. Doch die Kindergrundsicherung wird frühestens 2025 starten.

    Wohin reisen die Deutschen am liebsten?

    Deutschland bleibt laut Tourismusanalyse dabei nach wie vor das beliebteste Reiseziel: 29 Prozent planen, den Haupturlaub 2025 im eigenen Land zu verbringen. Das sind deutlich mehr als die 22 Prozent 2024. Dementsprechend sind die Zahlen für geplante Reisen in die Lieblingsurlaubsländer Spanien, Italien und Türkei insgesamt auch etwas rückläufig.
    Insgesamt haben die Bundesbürger bis Ende April 2025 nach Zahlen des Datenanalysehauses TDA in Reisebüros und auf Online-Reiseportalen Sommerurlaube für mehr als 10 Milliarden Euro gebucht. TDA rechnet für die Sommersaison 2025 angesichts einer stabilen Nachfrage mit einem mit 2024 vergleichbaren Umsatzvolumen.

    ema, rja

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