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Urlaub in der Krise

Im 19. Jahrhundert entdeckten englische Italienliebhaber die Riviera für sich. Rapallo, San Remo oder Sestri Levante sind nur einige der Orte, die durch den Tourismus wach geküsst wurden. Kaum wach kamen auch die Deutschen, etwas weniger exklusiv, dafür zahlreicher. Doch inzwischen bleiben die ausländischen Touristen aus, zumindest in der Hochsaison.

Von Kirstin Hausen |
    Blauer Himmel, Sonne, 32 Grad und eine leichte Brise vom Meer her. Ideale Bedingungen für einen perfekten Strandurlaub. Aber viele der bunten Liegen am Strand von Alassio sind verwaist.

    "Die Krise betrifft alle: Hotels, Strandbäder, Geschäfte, einfach alle", sagt Marco, der eine Strandbar mit angeschlossenem Liegestuhlverleih betreibt.

    "Alassio hat viele seiner ausländischen Gäste verloren, Engländer, Deutsche, Holländer. Dafür kommen die Italiener zurück. Leute aus Turin und Mailand kommen wieder zu uns, nachdem sie 20 Jahre lang Urlaub in der Toskana oder auf Sardinien gemacht haben, wo es teurer ist. Jetzt in der Krise kürzen sie ihren Urlaub ab, kommen auch nur für ein Wochenende."

    Marco gefällt diese Entwicklung nicht. Statt wie früher seine Liegestühle für mehrere Wochen am Stück zu vermieten, geht es jetzt fast nur noch tageweise. Das bringt mehr Wechsel, mehr Arbeit, mehr Unruhe, klagt er. Überhaupt seien die italienischen Wochenendtouristen schwieriger als die ausländischen Langzeiturlauber von früher.

    "Nervös sind sie nach vier Stunden Autofahrt und Parkplatzsuche."

    Und sparsamer. Während die Urlauber von nördlich der Alpen mit einem großzügig bemessenen Urlaubsbudget anreisten, verkneifen sich die Italiener unnötige Ausgaben. Vor allem in diesem Sommer. Das bekommen zu allererst die Restaurants und Geschäfte entlang der Uferpromenade zu spüren. Aber auch Marco erlebt, wie sich fünfköpfige Familien mit einem Liegestuhl plus Sonnenschirm begnügen. Der braungebrannte Endvierziger hat in diesem Jahr eine Kellnerin weniger eingestellt. Die Preise sind die gleichen wie im vergangenen Jahr.
    "Meine Politik ist nicht die, auf Teufel komm raus die Preise zu senken, sondern guten Service zum vernünftigen Preis anzubieten. Wenn wir preislich unter die Kosten gehen, die ein guter Service mit sich bringt, dann hat das doch keinen Sinn."

    Marco schüttelt seine dunkelblonden Locken und schaut auf die Uhr. Fast eins. Der mittägliche Ansturm auf die mit Schinken und Mozzarella belegten "panini" und die vorbereiteten Salatteller zu 6,90 Euro lässt auf sich warten. Auf der Terrasse seiner Strandbar sitzen nur wenige Gäste, ein paar Kinder spielen Tischfußball.

    Die Väter der Kinder schielen verstohlen zu zwei blonden jungen Frauen hinüber, die sich mit Einkaufstüten beladen auf die Plastikstühle in der vordersten Reihe fallen lassen. Sie unterhalten sich auf Deutsch. Es sind die einzigen Ausländerinnen an diesem Strandabschnitt. Sie breiten ihre Beute vor sich aus: ein knallgelbes Kleid, Shorts, zwei T-Shirts. Trotz Krise geben sie Geld aus, Urlaub ist Urlaub.

    "Dass man darauf achtet, klar. Aber dass wir jetzt sagen müssen, jede Minute müssen wir aufs Geld achten, das ist eigentlich nicht so. Gerade weil ja so Stresszeiten sind, muss man auch mal bisschen Urlaub machen und sich erholen."

    Und wo könnte man das besser als in Italien am Meer? Marco hat die Antwort parat.

    "In Kroatien" sagt er, "weil da alles billiger ist als in Italien". Wenn es nach Marco ginge, würde sich in Alassio einiges ändern.

    "Wir hier in Ligurien müssen noch einiges lernen. Jeder wurstelt vor sich hin. Aber hier ist ja fast alles verboten."

    Zum Beispiel das Herumlärmen nach Mitternacht oder bestimmte Freizeitvergnügen wie Jet Ski fahren. Im Vergleich zur Adriaküste, wo Urlauber von einer gut geölten Unterhaltungsmaschinerie beschäftigt werden, wirken die ligurischen Badeorte tatsächlich beschaulich. Aber das muss ja nicht von Nachteil sein. Die italienischen Wochenendurlauber wollen vor allem eines: Ruhe und Erholung.