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Urmel, Jim und Kater Mikesch

Wenn Augsburger heute irgendwo in Deutschland erscheinen, ist meist die erste Assoziation mit der Stadt "Augsburger Puppenkiste". Die kleinen Marionetten mit den großen Charakteren wie das Urmel, Lukas, Jim Knopf und Monty Spinneratz haben von Augsburg aus ihren Siegeszug in die Herzen der Theater- und Fernsehzuschauer angetreten.

Von Claudia Fried | 11.11.2007
    Von der prächtigen Maximilianstraße ist es nur ein Katzensprung hinunter in die Augsburger Altstadt mit ihren engen Gassen und den schmalen, spitzen Häusern. Während dort oben die großen Stadtväter verhandelt werden, sind es im Ulrichsviertel traditionell die kleinen Leute und die Handwerker, Menschen wie Walter Oehmichen, ein Schauspieler, den 1931 ein Engagement ans Augsburger Stadttheater führt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt der Soldat Oehmichen nach Augsburg zurück und gründet im ehemaligen Heilig-Geist-Spital sein eigenes Puppentheater. Dort ist es noch heute: die "Augsburger Puppenkiste".

    " Kleiner Muck, kleiner Muck, wohnst in einem großen Haus, gehst nur all viere Wochen aus, bist ein braver kleiner Zwerg, hast ein Köpflein wie ein Depp, schau dich nur einmal um, lauf und fang uns Kleiner Muck, ha, ha, ha.""

    Im Zuschauerraum starren knapp 200 Augenpaare auf die Bühne der Augsburger Puppenkiste. Zwischen den geöffneten weltberühmten Türchen der Kiste tippelt der der Kleine Muck über die Bühne. Gerade hat er die Zauberpantoffel entdeckt.

    "Hei wie das kribbelt in den Pantöffelchen, das Gehen macht mir Spaß, großen Spaß, Heidenspaß, immer schneller, was ist das denn? Die Pantöffelchen laufen von alleine, ich muss mit, ich muss mit, die Pantöffelchen laufen von alleine, und ich muss mit."

    Was für die Zuschauer so federleicht aussieht, ist hinter den Kulissen beinharte Arbeit. Auf der Spielbrücke stehen gebeugt vier Puppenspieler, die mit einem Fingerstreich die Glieder der Marionetten mit Leben füllen. Auf dem Boden sind noch mal so viele Leute unterwegs. In schwarze Kleider gehüllt bestücken sie Kulissenwagen, rollen sie zum nächsten Aufzug heran oder ziehen dem kleinen Muck seinen verlorenen Pantoffel wieder an. Dabei achten sie höllisch darauf, nicht über die weißen Linien am Fußboden zu treten, die den Sichtbereich der Zuschauer markieren. Sprechen müssen die Puppenspieler nicht, die Stimmen kommen vom Band.

    "In den Anfängen war es so, dass die Puppenspieler live gesprochen haben, ist aber schwierig, weil wenn man eine Puppe abgibt an jemand anders, wiederum eine Puppe von jemand anders bekommt, das heißt, man muss unter Umständen eine Puppe, die man gar nicht selber führt, sprechen und eine andere spielen, sehr schwierig."

    Deshalb, erzählt Hans Kautzmann, sei man dazu übergegangen Tonaufnahmen abzuspielen, was zwar kritisiert werde, aber auch den Vorteil habe, dass man alte Stücke in der Art und Weise spielen könne wie vor 50 Jahren.

    Hans Kautzmann ist seit zehn Jahren bei der "Puppenkiste". Nach langem Suchen hat der gelernte Bauingenieur seinen Traumberuf doch noch gefunden. Was ist an dieser Arbeit so faszinierend?

    "Also beim Puppenspiel an sich, dass man die Möglichkeit hat in die unterschiedlichsten Rollen zu schlüpfen. Ich bin nicht wie ein Schauspieler an meinen Körper gebunden und muss einen 39-jährigen dicken, was weiß ich, Augsburger spielen, sondern ich kann Hund, Katze, Maus, Prinzessin, Räuber alles spielen. Man muss das erst mal zulassen, dass man mit den Händen spielt wie ein Schauspieler. Man braucht das Gefühl, man muss das auch leben wollen. Toll."

    Und dieses Gefühl strahlen alle Mitarbeiter der "Puppenkiste" aus. Selbst Klaus Marschall, der Enkel Walter Oehmichens, der die "Puppenkiste" in dritter Generation führt, gibt auf dem Flur nach kurzem Nachdenken spontan den Kaspar aus dem Kabarett. Ein Nummerprogramm, das jedes Jahr neu aufgelegt wird, und Augsburger Lokalsatire zum Besten gibt.

    " Mei der Kasper ist halt a bissele a Kasper. A kloins bissale au Augschburger, weil i brauch ja au nix. Aber ansonsten I bin keu Politiker, obwohl i a Holzkopf bin, aber I sags euch, I hab mi gut ghalte, solang mer die Holzwürmer fern bleiben."

    Die größten Feinde der etwa 6000 Puppen, sind neben den Holzwürmern die Motten. Deshalb sind die Marionetten alle in Plastiktüten verpackt und hängen fein ordentlich sortiert an ihren Haken im Depot. Auf die Frage nach seinen Lieblingsrollen deutet Hans auf eine Puppe mit großem Schädel und grimmigem Gesicht:

    "Tags: Räuber Hotzenplotz und der Wolf von 'Wolf und sieben Geißlein'. Abends: Leonce von 'Leonce und Lena', sehr schön zu spielen, der Fuchs aus dem 'Keinen Prinzen'."

    Fast alle Marionetten hat Hannelore Marschall-Oehmichen geschnitzt. Sie war die Tochter des Gründers. Nach ihrem Tod übernahm ihr Sohn Jürgen, der Bruder des Theaterleiters Klaus Marschall, diese Aufgabe. Aber nicht nur geschnitzt wird in der "Puppenkiste" selbst. Auch Requisiten, Kulissen, Bühnenbilder stammen von den Mitarbeitern des Augsburger Marionettentheaters. Während auf der Hauptbühne der Kleine Muck noch läuft, entsteht auf der dahinterliegenden Probebühne schon das nächste Stück.

    "Das ist jetzt ebenfalls fürs Kabarett eine Stellprobe von verschiedenen Chinesinnen, die zu anmutiger Musik tanzen werden. Schön beleuchtet, sieht man zuerst nur die Silhouette von den Bergen, die sind den Guillin-Bergen nachempfunden, dann steht ein chinesischer Tempel drauf und dann noch ein Baum. Der Hintergrund ist türkisblau, wo von hinten die goldene Sonne aufgeht."

    Das kostet noch viel Arbeit, bis in einigen Wochen zur Premiere dieses Bild hinter den berühmten Türchen der "Augsburger Puppenkiste" auftaucht.