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Ursachen der Depression

Neurologie. - An einer Depression sind offenbar nicht nur die informationsverarbeitenden Nervenzellen im Gehirn beteiligt, sondern auch die sie umgebenden und stützenden Gliazellen. Wie das geschieht, wurde jetzt auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Berlin diskutiert.

Von Volkart Wildermuth | 27.11.2009
    Depression. Ein schwarzes Loch aus Verzweiflung und Ohnmacht, alle Energie ist erloschen, die Welt in unerreichbare Ferne gerückt. Das ist die Sicht von Innen, die Sicht der Kranken. Forscher schauen von außen auf die Depression, suchen nach ihren Ursachen im Gehirn. Sicher ist, das Gleichgewicht der Botenstoffe ist gestört, an dieser Stelle setzten auch die Medikamente an. Aber warum kommunizieren die Nerven nicht richtig? Im Jahr 2000 erschien ein Artikel, der darauf eine neue, verblüffende Antwort gab. In den Gehirnen verstorbener junger Menschen mit einer Depression waren die Nervenzellen selbst kaum verändert, aber es fanden sich deutlich weniger Gliazellen im Stirnhirn. Dieser neuen Spur ist Dr. Matthias Schroeter am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig nachgegangen. Im Blut von depressiven Patienten und gesunden Kontrollpersonen suchte er nach einem Eiweiß namens S100 beta, das von Gliazellen gebildet wird.

    "Was wir sehen können ist, dass die Veränderung im Serum mit den klinischen Veränderungen und auch mit der klinischen Symptomatik verknüpft sind. Also desto stärker die Depression, desto höher der S100-beta-Wert im Serum."

    Ein deutlicher Hinweis, dass mit den Gliazellen im depressiven Gehirn etwas nicht stimmt. Den Nervenzellen scheint es dagegen vergleichsweise gut zu gehen.

    "Wir haben auch gleichzeitig Marker für Nervenzellen uns angeschaut und gefunden, dass diese nicht verändert sind bei Patienten mit Depression im Gegensatz zu diesem glialen Marker S100beta. Und das stimmt auch mit diesen Untersuchungen, die eben zeigen können, dass die Glia vor allem geschädigt ist und nicht die Nervenzellen."

    Max-Planck-Forscher Matthias Schroeter konnte auch zeigen, dass eine wirksame Behandlung der Depression mit Psychopharmaka einen Einfluss auf die Gliazellen hat und damit auf das Eiweiß S100 beta.

    "Weitere klinische Studien haben gezeigt, dass ein guter Therapieerfolg mit einer Absenkung dieses S100-beta-Spiegels im Serum verbunden ist."

    Das alles spricht für eine wichtige Rolle der Gliazellen im Krankheitsprozess der Depression. Worin genau sie besteht ist noch unklar, aber es gibt plausible Hypothesen, bei denen mehrere verschiedene Unterformen der Gliazellen eine Rolle spielen. Da sind zum einen die Mikroglia, die Immunzellen des Gehirns. Entzündungsreaktionen scheinen bei der Depression entscheidend zu sein, sie aktivieren die Mikroglia, die daraufhin beginnen, vermehrt eine Vorstufe des wichtigen Botenstoffes Serotonin abzubauen. Genau dieser Botenstoff ist das Ziel vieler Antidepressiva. Er stellt offenbar auch eine wichtige Schnittstelle für die Funktion der Nerven- und der Gliazellen dar. Die zweite Schnittstelle heißt Glutamat, ebenfalls ein wichtiger Botenstoff. Glutamat hat ein doppeltes Gesicht, es ist unentbehrlich für die Kommunikation der Nerven, aber es ist auch giftig. Deshalb wird überschüssiges Glutamat von einer anderen Gruppe der Gliazellen, von den sternförmigen Astrozyten recycelt. Bei der Depression kommen die Astrozyten dieser wichtigen Aufgaben in einigen emotionalen Zentren des Gehirns aber nicht mehr nach.

    ""Die Störung der Glia kann natürlich dazu führen zu Veränderungen im Glutamat Stoffwechsel in Bezug auf die Neuronen. Das ist ja auch für die Neuronen ein wesentliches Substrat und ein Neurotransmitter im Gehirn, also, dadurch können diese Veränderungen stattfinden. Das kann zu einer Toxizität führen, das kennt man auch vom Schlaganfall zum Beispiel, dass erhöhte Glutamat-Konzentrationen zu Schädigungen von Neuronen und zum Absterben von Neuronen führen können","

    erläutert Matthias Schroeter. Der gestörte Glutamatstoffwechsel scheint gerade für die Anhedonie wichtig zu sein, für die Unfähigkeit depressiver Patienten, Freude zu empfinden. Auch wenn diese Zusammenhänge noch etwas spekulativ sind, eines steht fest. Eine Depression allein als Problem der Nerven zu sehen, greift zu kurz. Auch der vermeintliche Kleber im Gehirn spielt eine wichtige Rolle im Krankheitsgeschehen. Eine Schädigung der Gliazellen trägt bei zum Ungleichgewicht der Botenstoffe, das dann letztlich zu den negativen Emotionen und der Apathie der Depression führt.