Die besonderen klimatische Bedingungen der extrem trockenen Sandwüste im Tarimbecken, haben geradezu sensationell gut erhaltene Funde überliefert. Walnüsse und Hirseplätzchen, die aussehen, als hätte man sie eben erst als Grabbeigaben niedergelegt, Textilien, deren Farben kräftig leuchten, und mumifizierte Tote. Diese Funde werden - in dem Umfang einmalig - ab übermorgen (13.10.2007) im Martin-Gropius-Bau in Berlin und ab Januar dann in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zu sehen sein.
" Mein Lieblingsstück ist eigentlich ein Gesicht aus Holz, das wohl eine männliche Gestalt wiedergibt. Und diese männliche Gestalt trägt eine riesig lange Nase. Dieser Kopf, lag an der Stelle eines Kopfes zu einer begrabenen Person, der offensichtlich der richtige Kopf abhanden gekommen ist, aber man wusste wohl noch davon, dass es sich um eine Person mit recht langer Nase handelte, was auf eine Langnase hinweist, auch heute noch sprechen die Chinesen ja von den Langnasen, das sind die Europiden. "
So Professor Alfried Wieczorek, Direktor der Reiss-Engholm-Museen, Mannheim
" Das Lieblingsstück der Textilrestauratorin ist natürlich ein Gewand, und zwar handelt es sich um einen hellen Mantel aus Seide, der bemalt worden ist auf der Außenseite mit ganz unterschiedlichen Motiven, die zum einen so ein bisschen antike Themensprache aufgreifen, aber auch auf der Brust wohl eine Buddhadarstellung zeigt. Daneben zeigt sie auch noch ein wunderschönes Schadensbild, weil offensichtlich mit eisenhaltigen Farbmitteln gearbeitet worden ist, die auf der Seide auch sehr schöne Schäden verursachen. Natürlich, als Restaurator guckt man einfach auch immer auf bestimmte Vorgänge, versucht zu deuten, warum Stücke so aussehen, wie sie aussehen, wenn sie auf unseren Tisch kommen. "
Sylvia Mitschke, Textilrestauratorin.
" Zu meinen Lieblingsstücken, wenn ich es mal so sagen darf, zählt, ja eigentlich ein ganz zunächst unscheinbares kleines Etui, ein Etui mit einem Kamm und einen Spiegel drin, ein kleiner Bronzespiegel plus Kamm in einem Textiletui, das so aussieht, als hätte man es tatsächlich gerade liegen lassen, ist aber über 1500 Jahre alt, in einem unglaublichen Erhaltungszustand. "
Christoph Lind, Kurator der Ausstellung.
" Ich hab' eigentlich eher einen Lieblingsbefund: Und zwar ist das ein Grab, indem ein Mann lag auf einer Liege, neben ihm ein großer Ledersack, gefüllt mit Hanf, Körnern und Blättchen. Auf der anderen Seite lag eine Harfe und in der Ecke kauerte eine Frau. Diesen Befund mit Hanf und Harfe fand ich doch einfach umwerfend interessant. "
Jeannette Werning, erstellt gerade ein chinesisch/ deutsches Fachwörterbuch für Archäologen.
Werning: " Ich finde das deshalb sehr spannend, dieses Ensemble, was eigentlich auch so moderne Anmutungen hat. "
Wieszorek: " Groupie eines Harfensängers! "
Werning: " Das hab' ich mich jetzt nicht getraut. "
Erste Spuren lassen sich bis etwa 1800 v. Chr. zurückverfolgen: Die später nach ihrem kostbaren Gut benannte Handelsroute begann zunächst als kleinräumig gestaltetes Warenaustauschnetz. Zu ihrer Blütezeit umfasste die Seidenstraße fast 7000 Kilometer von Tyrus am Mittelmeer bis nach Luoyang in China.
Ein Mythos rankt sich inzwischen um diese Lebensader Asiens. Sie war ein unersetzliches Bindeglied zwischen China, Zentralasien, Persien und Europa. Kaufleute, Gelehrte und Armeen, aber auch Ideen, Religionen und Kulturen bewegten sich auf dieser Route. Die Reisenden durchquerten das Sandmeer der Wüste Taklamakan, erklommen die schneebedeckten Pässe des Pamirgebirges und machten Halt in Städten wie Kaschgar, Taschkent, Buchara oder Samarkant ....
Schwer bepackte Kamelkarawanen durchschritten die unermesslichen Weiten Zentralasiens. Kaufleute transportierten unter unglaublichen Strapazen feinste Stoffe und exotische Gewürze aus China nach Europa. Eindrücke von Oasen im Wüstensand boten sich ihnen, von schneebedeckten Pässen und orientalischen Basaren; tollkühne Händler, immer auch in der Angst lebend vor Überfällen von wilden Reiterhorden wie den Skythen.
Wie die Handelsroute entstanden ist, das zeigt die Ausstellung. Dabei konzentriert sie sich auf neue Funde aus dem Sand einer der größten Wüsten der Welt im äußersten Westen Chinas: Taklamakan. In dieser lebensfeindlichen und entlegenen Gegend schlummerten Jahrtausende alte Zeugnisse der Menschheitsgeschichte. In den letzten Jahren entdeckten Archäologen im trockenen Boden der Wüste Gräber mit außergewöhnlich gut erhaltenen Funden. Sie verraten viel über die Menschen, die an den Handelswegen rund um das Tarimbecken wohnten, lange bevor der Buddhismus seinen Weg nach China fand.
Die deutschen Wissenschaftler suchten den Kontakt zu ihren chinesischen Kollegen, um Näheres zu erfahren:
" Wir haben intensive Reisen durch die chinesische Nordwestprovinz durchgeführt. Wir haben Museen bereisen können mit den chinesischen Kollegen zusammengearbeitet. Es entstand schnell der Wunsch, dass wir die wichtigen neuen Grabungen der letzten fünfzehn Jahre einmal sichten dürfen und dokumentieren können. Da hat sich so viel Neues getan, so unendlich viele interessante Dinge, die einfach auch aus Zeitgründen noch nicht gezeigt werden konnten. Deshalb sind wirklich auch das erste Mal, wirklich sensationelle Funde, in Europa zu sehen. "
Alfried Wieczorek haben insbesondere die Grabfunde beeindruckt:
" Aus wichtigen Gräbern kennen wir traumhaft schöne Stoffe, die in ihrer Farbigkeit und in ihren Motiven, die sie zeigen, auch deutlich machen, dass sie nicht nur aus dieser Region stammen, sondern dass sie irgendwie aus dem Westen gekommen sind. Wir kennen kostbare Gläser, die aus dem Vorderen Orient stammen, die in diese Region gekommen sind. Wir kennen Bronzen. Da gibt es verwunderliche Dinge, die uns an die Gladiatoren erinnern des Westens. All diese Besonderheiten, diese Kostbarkeiten, sind im Austausch für Seide oder andere Kostbarkeiten des Ostens von Westen nach Osten gebracht worden und zeigen hier diese Besonderheit dieser Stationen auf, an denen eben halt das ein oder andere von den Kostbarkeiten auch eine Abnehmerschaft gefunden hat. "
Trotz des extremen Klimas und der Trockenheit schuf die organisierte Oasenwirtschaft die Versorgungsgrundlage sowohl für die dort sesshafte Bevölkerung als auch nomadisierende Gruppen wie Hirten. Zusätzlich konnten die Oasenbewohner sicherlich auch durchziehende Händler mit überlebenswichtigen Gütern versorgen. Die neuen Grabfunde lassen nun Rückschlüsse auf erstaunlich bevölkerungsreiche Siedlungen zu:
" Sie zeigen, dass diese Orte, die aus heutigem Verständnis, so abseitig erscheinen, das in keinster Weise waren, "
meint Christoph Lind.
" sondern sie waren extrem zentral. Ob sie jetzt eine wie auch immer geartete Ansiedlung waren mit Feldbau, Ackerbau oder ob es Militär- oder Handelsbastionen waren, egal. Die Funde zeigen, die Ausstellung zeigt, dass das keine Solitäre waren sondern dass es sehr wohl, sehr früh im Zusammenhang mit benachbarten, teilweise auch weiter entfernten Ansiedlungen, Kontakte gab, dass man, für unsere Augen heute sehr erstaunlich, beispielsweise das hellenistische Erbe Zentralasiens, dass das sehr präsent ist vor Ort in Stoffen, die in einer Qualität erhalten sind, die man zunächst für unglaublich hält. "
Zum Beispiel die Darstellung eines Kriegers.
" Auf einem Textilfragment, das diverse Male umgearbeitet worden ist. Dieser Krieger erscheint so exakt gezeichnet, dass man nicht glauben kann, dass er mindestens 1500 Jahre alt ist. Er gibt ein Bild von Menschen wieder, die ansonsten bestenfalls mit Mumienportraits zu vergleichen wären. "
Der Kulturtransfer lässt sich immer wieder an gefundenen Textilien dokumentieren. Annemarie Stauffer beschreibt dies im Katalog zur Ausstellung am Beispiel der Bekleidung einer Mumie aus dem Museum der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang:
" Es handelt sich um die Mumie eines reichen Bewohners von Yinpan. Seine Kleidung erinnert an die Mode westasiatischer Völker, das Muster seines Rockes ist der griechisch-römischen Formensprache entliehen, die Totenmaske zeigt Einflüsse aus dem nördlichen zentralasiatischen Raum oder Südsibirien. Die Gewänder bestehen aus Wolle und Seide. Sie sind mit Rapportmustern, Stickerei und Golddruck verziert. "
Kaum ein Objekt - so Stauffer weiter - reflektiert in ähnlich eindrucksvoller Weise bildliche, Traditionen und textile Technologien aus unterschiedlichen Kulturen.
" Die Stücke sind in den meisten Fällen gewebt. Es finden sich aber auch besondere Techniken, die Rückschlüsse zulassen auf den östlichen und auf den westlichen Raum. "
Das zeigt sich, meint Sylvia Mitschke, an der unterschiedlichen Machart der Stoffe:
" Die Chinesen hatten eine ganz eigene Webstuhltechnologie, die einzigartig ist zu dieser Zeit und auch bis heute einzigartig geblieben ist. ... Bei uns werden ja üblicherweise die Gewebe derart gemustert, dass über den Schuss das Gewebe gemustert wird, was eigentlich auch die einfachere Methode ist. Die Chinesen haben den etwas komplizierteren Weg über die Musterung mit der Kette gewählt, was für europäische Textiltechniker nicht nachzuvollziehen ist, zum Teil, wie das überhaupt gemacht worden ist. "
Kette bezeichnet dabei den Faden, der fest in dem Webstuhl gespannt ist. Mit dem Schuss - also dem lockeren Faden in der Hand - kann dann das Gewebe hergestellt werden. Traditionell entstehen bei uns gewebte Muster über den Schuss.
Neue Funde weisen auf schon frühe intensive Handelsbeziehungen nicht nur zwischen Ost und West.
Seit relativ kurzer Zeit ist bekannt, dass es auch intensive Verbindungen in Nord-Süd-Richtung gegeben hat, nämlich vom Tarim-Becken nach Sibirien oder in andere Richtung wechselweise, das heißt, im Südsibirischen Raum, wie wir ihn fassen von Nordkasachstan über das Altai-Gebiet und dann durchaus noch so ein bisschen weiter über die nördliche Mongolei, und dass auf vielen Wegen, Tröpfchenweise vielleicht, man muss sich das nicht vorstellen als eine etablierte Route mit festen Bastionen und Stationen, sondern auch als einen unkonventionellen Austausch in andere Regionen.
Der Handel brachte es mit sich, dass die unterschiedlichsten Menschentypen aufeinander trafen. Allerdings vermeidet Jeannette Werning, in dem Zusammenhang von Völkern zu sprechen. Sie vermutet, dass die äußere Erscheinungsform eines Menschen bei weitem nicht die Bedeutung hatte wie heute.
In den Gräbern haben wir ihre Reste. Es kommt uns entgegen, dass in dieser Zeit aus dieser Gegend Mumien erhalten sind, so dass man nicht nur die Skelette hat, also nicht nur die Knochen - da könnte man die Maße des Gesichts messen und so - aber wenn man nun direkt das Antlitz vor sich hat, und das ist uns mehrfach begegnet, dann sehen wir, die einen sehen eher asiatisch aus, also klassisch asiatisch mongolisch im Gesichtsschnitt, andere sind eher europid sagen wir, also ähneln eher den Europäern. Wobei man aber denken muss, dass europide Körpertypen, Gesichter vor allem, ja eigentlich natürlich in Zentralasien schon da sind, schauen wir uns mal zentralasiatische Politiker an wie Herrn Kasai, da sehen wir, das ist natürlich auch ein europider Gesichtstyp.
Von den körperlichen Merkmalen - so betont Jeannette Werning - lasse sich aber nicht auf die Zugehörigkeit zu einem Volk oder Stamm schließen. Zudem haben offenbar europide und asiatische Menschen zusammengelebt. Das beweise ein Grab, indem offensichtlich ein Ehepaar bestattet wurde, mit einem asiatischen Mann und einer europiden Frau. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass andere Merkmale als das Aussehen ein Volk kennzeichneten. Dazu könnte beispielsweise die Sprache oder eine bestimmte Tracht gehören. Doch wenig ist dazu überliefert:
" Was die Bevölkerung anbetrifft und ihre Einteilung in Völker, in Ethnien, davon wissen wir fast gar nichts. Wir konzentrieren uns deshalb eher auf die materiellen Kulturen, Hinterlassenschaften. Man hätte noch die Schriftquellen, weil ab und zu auch Chinesen dorthin kamen oder von Westen auch. Aber das ist problematisch, weil die Leute natürlich Durchreisende waren oder kurzfristig ihren Aufenthalt hatten. Sie haben nicht immer das Gefüge erfasst, und daher gibt es Verzerrungen. "
Für Reisende war es ein beschwerlicher Weg durch die Wüste des südlichen Tarimbeckens. Allerdings gab es im Norden eine Alternative: Flüsse, die heute längst ausgetrocknet sind, und an ihren Ufern weitläufige Flussoasen. Die Wasserwege konnten per Boot genutzt werden. Zwar gelang den Archäologen bislang kein Nachweis über Schiffe in dieser Region ...
" Aber man hat in den ältesten Fundplätzen beispielsweise bootsförmige Särge in großer Zahl ausgegraben. Das wäre eine Möglichkeit. ... Man kann sich auch vorstellen, dass in den damals noch existierenden Steppen oder Graslandschaftsgürteln, die Leute vielleicht auch ganz ohne Pferd sich bewegt haben, zu Fuß. Man hatte ja keine Kilometerzahl am Tag zurückzulegen, und wie man es von den Prärieindianern weiß, die haben sich auch vor der Einführung des Pferdes bewegt, indem sie beispielsweise einfach Schleifen, also solche leiterartigen Geräte an die Hunde gebunden haben, und die konnten die Lasten zerren, und man selbst lief zu Fuß hinterher. Oder aber die Rolle des Kamels, darüber wissen wir noch viel zu wenig. Wir wissen aber, an einigen Fundorten hat das Kamel eine ungeheure Rolle gespielt. Da hat man beispielsweise Kamele geopfert, den Adeligen mitgegeben. Die können als Reit- oder Lasttier gedient haben neben oder vor dem Pferd. Das weiß man nicht genau. Aber die Menschen waren immer einfallsreich. "
Was die Archäologen bei den Funden immer wieder verblüffte, war die Tatsache, dass manche Funde so aussahen, als wären sie gestern erst vergraben worden. Das schafft Nähe: zu den Menschen, die diese Dinge einstmals benutzt haben und zu den Menschen, die uns als Mumie überliefert sind.
Christoph Lind:
" Einer der Punkte, der die Ausstellung so interessant macht, durch diesen extrem guten Erhaltungszustand einzelner Objekte, ist die Distanz zu diesen Zeiten und den Benutzern einfach nicht mehr da. Sie muss sich bei jedem Objekt neu angelesen werden. "
" Mein Lieblingsstück ist eigentlich ein Gesicht aus Holz, das wohl eine männliche Gestalt wiedergibt. Und diese männliche Gestalt trägt eine riesig lange Nase. Dieser Kopf, lag an der Stelle eines Kopfes zu einer begrabenen Person, der offensichtlich der richtige Kopf abhanden gekommen ist, aber man wusste wohl noch davon, dass es sich um eine Person mit recht langer Nase handelte, was auf eine Langnase hinweist, auch heute noch sprechen die Chinesen ja von den Langnasen, das sind die Europiden. "
So Professor Alfried Wieczorek, Direktor der Reiss-Engholm-Museen, Mannheim
" Das Lieblingsstück der Textilrestauratorin ist natürlich ein Gewand, und zwar handelt es sich um einen hellen Mantel aus Seide, der bemalt worden ist auf der Außenseite mit ganz unterschiedlichen Motiven, die zum einen so ein bisschen antike Themensprache aufgreifen, aber auch auf der Brust wohl eine Buddhadarstellung zeigt. Daneben zeigt sie auch noch ein wunderschönes Schadensbild, weil offensichtlich mit eisenhaltigen Farbmitteln gearbeitet worden ist, die auf der Seide auch sehr schöne Schäden verursachen. Natürlich, als Restaurator guckt man einfach auch immer auf bestimmte Vorgänge, versucht zu deuten, warum Stücke so aussehen, wie sie aussehen, wenn sie auf unseren Tisch kommen. "
Sylvia Mitschke, Textilrestauratorin.
" Zu meinen Lieblingsstücken, wenn ich es mal so sagen darf, zählt, ja eigentlich ein ganz zunächst unscheinbares kleines Etui, ein Etui mit einem Kamm und einen Spiegel drin, ein kleiner Bronzespiegel plus Kamm in einem Textiletui, das so aussieht, als hätte man es tatsächlich gerade liegen lassen, ist aber über 1500 Jahre alt, in einem unglaublichen Erhaltungszustand. "
Christoph Lind, Kurator der Ausstellung.
" Ich hab' eigentlich eher einen Lieblingsbefund: Und zwar ist das ein Grab, indem ein Mann lag auf einer Liege, neben ihm ein großer Ledersack, gefüllt mit Hanf, Körnern und Blättchen. Auf der anderen Seite lag eine Harfe und in der Ecke kauerte eine Frau. Diesen Befund mit Hanf und Harfe fand ich doch einfach umwerfend interessant. "
Jeannette Werning, erstellt gerade ein chinesisch/ deutsches Fachwörterbuch für Archäologen.
Werning: " Ich finde das deshalb sehr spannend, dieses Ensemble, was eigentlich auch so moderne Anmutungen hat. "
Wieszorek: " Groupie eines Harfensängers! "
Werning: " Das hab' ich mich jetzt nicht getraut. "
Erste Spuren lassen sich bis etwa 1800 v. Chr. zurückverfolgen: Die später nach ihrem kostbaren Gut benannte Handelsroute begann zunächst als kleinräumig gestaltetes Warenaustauschnetz. Zu ihrer Blütezeit umfasste die Seidenstraße fast 7000 Kilometer von Tyrus am Mittelmeer bis nach Luoyang in China.
Ein Mythos rankt sich inzwischen um diese Lebensader Asiens. Sie war ein unersetzliches Bindeglied zwischen China, Zentralasien, Persien und Europa. Kaufleute, Gelehrte und Armeen, aber auch Ideen, Religionen und Kulturen bewegten sich auf dieser Route. Die Reisenden durchquerten das Sandmeer der Wüste Taklamakan, erklommen die schneebedeckten Pässe des Pamirgebirges und machten Halt in Städten wie Kaschgar, Taschkent, Buchara oder Samarkant ....
Schwer bepackte Kamelkarawanen durchschritten die unermesslichen Weiten Zentralasiens. Kaufleute transportierten unter unglaublichen Strapazen feinste Stoffe und exotische Gewürze aus China nach Europa. Eindrücke von Oasen im Wüstensand boten sich ihnen, von schneebedeckten Pässen und orientalischen Basaren; tollkühne Händler, immer auch in der Angst lebend vor Überfällen von wilden Reiterhorden wie den Skythen.
Wie die Handelsroute entstanden ist, das zeigt die Ausstellung. Dabei konzentriert sie sich auf neue Funde aus dem Sand einer der größten Wüsten der Welt im äußersten Westen Chinas: Taklamakan. In dieser lebensfeindlichen und entlegenen Gegend schlummerten Jahrtausende alte Zeugnisse der Menschheitsgeschichte. In den letzten Jahren entdeckten Archäologen im trockenen Boden der Wüste Gräber mit außergewöhnlich gut erhaltenen Funden. Sie verraten viel über die Menschen, die an den Handelswegen rund um das Tarimbecken wohnten, lange bevor der Buddhismus seinen Weg nach China fand.
Die deutschen Wissenschaftler suchten den Kontakt zu ihren chinesischen Kollegen, um Näheres zu erfahren:
" Wir haben intensive Reisen durch die chinesische Nordwestprovinz durchgeführt. Wir haben Museen bereisen können mit den chinesischen Kollegen zusammengearbeitet. Es entstand schnell der Wunsch, dass wir die wichtigen neuen Grabungen der letzten fünfzehn Jahre einmal sichten dürfen und dokumentieren können. Da hat sich so viel Neues getan, so unendlich viele interessante Dinge, die einfach auch aus Zeitgründen noch nicht gezeigt werden konnten. Deshalb sind wirklich auch das erste Mal, wirklich sensationelle Funde, in Europa zu sehen. "
Alfried Wieczorek haben insbesondere die Grabfunde beeindruckt:
" Aus wichtigen Gräbern kennen wir traumhaft schöne Stoffe, die in ihrer Farbigkeit und in ihren Motiven, die sie zeigen, auch deutlich machen, dass sie nicht nur aus dieser Region stammen, sondern dass sie irgendwie aus dem Westen gekommen sind. Wir kennen kostbare Gläser, die aus dem Vorderen Orient stammen, die in diese Region gekommen sind. Wir kennen Bronzen. Da gibt es verwunderliche Dinge, die uns an die Gladiatoren erinnern des Westens. All diese Besonderheiten, diese Kostbarkeiten, sind im Austausch für Seide oder andere Kostbarkeiten des Ostens von Westen nach Osten gebracht worden und zeigen hier diese Besonderheit dieser Stationen auf, an denen eben halt das ein oder andere von den Kostbarkeiten auch eine Abnehmerschaft gefunden hat. "
Trotz des extremen Klimas und der Trockenheit schuf die organisierte Oasenwirtschaft die Versorgungsgrundlage sowohl für die dort sesshafte Bevölkerung als auch nomadisierende Gruppen wie Hirten. Zusätzlich konnten die Oasenbewohner sicherlich auch durchziehende Händler mit überlebenswichtigen Gütern versorgen. Die neuen Grabfunde lassen nun Rückschlüsse auf erstaunlich bevölkerungsreiche Siedlungen zu:
" Sie zeigen, dass diese Orte, die aus heutigem Verständnis, so abseitig erscheinen, das in keinster Weise waren, "
meint Christoph Lind.
" sondern sie waren extrem zentral. Ob sie jetzt eine wie auch immer geartete Ansiedlung waren mit Feldbau, Ackerbau oder ob es Militär- oder Handelsbastionen waren, egal. Die Funde zeigen, die Ausstellung zeigt, dass das keine Solitäre waren sondern dass es sehr wohl, sehr früh im Zusammenhang mit benachbarten, teilweise auch weiter entfernten Ansiedlungen, Kontakte gab, dass man, für unsere Augen heute sehr erstaunlich, beispielsweise das hellenistische Erbe Zentralasiens, dass das sehr präsent ist vor Ort in Stoffen, die in einer Qualität erhalten sind, die man zunächst für unglaublich hält. "
Zum Beispiel die Darstellung eines Kriegers.
" Auf einem Textilfragment, das diverse Male umgearbeitet worden ist. Dieser Krieger erscheint so exakt gezeichnet, dass man nicht glauben kann, dass er mindestens 1500 Jahre alt ist. Er gibt ein Bild von Menschen wieder, die ansonsten bestenfalls mit Mumienportraits zu vergleichen wären. "
Der Kulturtransfer lässt sich immer wieder an gefundenen Textilien dokumentieren. Annemarie Stauffer beschreibt dies im Katalog zur Ausstellung am Beispiel der Bekleidung einer Mumie aus dem Museum der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang:
" Es handelt sich um die Mumie eines reichen Bewohners von Yinpan. Seine Kleidung erinnert an die Mode westasiatischer Völker, das Muster seines Rockes ist der griechisch-römischen Formensprache entliehen, die Totenmaske zeigt Einflüsse aus dem nördlichen zentralasiatischen Raum oder Südsibirien. Die Gewänder bestehen aus Wolle und Seide. Sie sind mit Rapportmustern, Stickerei und Golddruck verziert. "
Kaum ein Objekt - so Stauffer weiter - reflektiert in ähnlich eindrucksvoller Weise bildliche, Traditionen und textile Technologien aus unterschiedlichen Kulturen.
" Die Stücke sind in den meisten Fällen gewebt. Es finden sich aber auch besondere Techniken, die Rückschlüsse zulassen auf den östlichen und auf den westlichen Raum. "
Das zeigt sich, meint Sylvia Mitschke, an der unterschiedlichen Machart der Stoffe:
" Die Chinesen hatten eine ganz eigene Webstuhltechnologie, die einzigartig ist zu dieser Zeit und auch bis heute einzigartig geblieben ist. ... Bei uns werden ja üblicherweise die Gewebe derart gemustert, dass über den Schuss das Gewebe gemustert wird, was eigentlich auch die einfachere Methode ist. Die Chinesen haben den etwas komplizierteren Weg über die Musterung mit der Kette gewählt, was für europäische Textiltechniker nicht nachzuvollziehen ist, zum Teil, wie das überhaupt gemacht worden ist. "
Kette bezeichnet dabei den Faden, der fest in dem Webstuhl gespannt ist. Mit dem Schuss - also dem lockeren Faden in der Hand - kann dann das Gewebe hergestellt werden. Traditionell entstehen bei uns gewebte Muster über den Schuss.
Neue Funde weisen auf schon frühe intensive Handelsbeziehungen nicht nur zwischen Ost und West.
Seit relativ kurzer Zeit ist bekannt, dass es auch intensive Verbindungen in Nord-Süd-Richtung gegeben hat, nämlich vom Tarim-Becken nach Sibirien oder in andere Richtung wechselweise, das heißt, im Südsibirischen Raum, wie wir ihn fassen von Nordkasachstan über das Altai-Gebiet und dann durchaus noch so ein bisschen weiter über die nördliche Mongolei, und dass auf vielen Wegen, Tröpfchenweise vielleicht, man muss sich das nicht vorstellen als eine etablierte Route mit festen Bastionen und Stationen, sondern auch als einen unkonventionellen Austausch in andere Regionen.
Der Handel brachte es mit sich, dass die unterschiedlichsten Menschentypen aufeinander trafen. Allerdings vermeidet Jeannette Werning, in dem Zusammenhang von Völkern zu sprechen. Sie vermutet, dass die äußere Erscheinungsform eines Menschen bei weitem nicht die Bedeutung hatte wie heute.
In den Gräbern haben wir ihre Reste. Es kommt uns entgegen, dass in dieser Zeit aus dieser Gegend Mumien erhalten sind, so dass man nicht nur die Skelette hat, also nicht nur die Knochen - da könnte man die Maße des Gesichts messen und so - aber wenn man nun direkt das Antlitz vor sich hat, und das ist uns mehrfach begegnet, dann sehen wir, die einen sehen eher asiatisch aus, also klassisch asiatisch mongolisch im Gesichtsschnitt, andere sind eher europid sagen wir, also ähneln eher den Europäern. Wobei man aber denken muss, dass europide Körpertypen, Gesichter vor allem, ja eigentlich natürlich in Zentralasien schon da sind, schauen wir uns mal zentralasiatische Politiker an wie Herrn Kasai, da sehen wir, das ist natürlich auch ein europider Gesichtstyp.
Von den körperlichen Merkmalen - so betont Jeannette Werning - lasse sich aber nicht auf die Zugehörigkeit zu einem Volk oder Stamm schließen. Zudem haben offenbar europide und asiatische Menschen zusammengelebt. Das beweise ein Grab, indem offensichtlich ein Ehepaar bestattet wurde, mit einem asiatischen Mann und einer europiden Frau. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass andere Merkmale als das Aussehen ein Volk kennzeichneten. Dazu könnte beispielsweise die Sprache oder eine bestimmte Tracht gehören. Doch wenig ist dazu überliefert:
" Was die Bevölkerung anbetrifft und ihre Einteilung in Völker, in Ethnien, davon wissen wir fast gar nichts. Wir konzentrieren uns deshalb eher auf die materiellen Kulturen, Hinterlassenschaften. Man hätte noch die Schriftquellen, weil ab und zu auch Chinesen dorthin kamen oder von Westen auch. Aber das ist problematisch, weil die Leute natürlich Durchreisende waren oder kurzfristig ihren Aufenthalt hatten. Sie haben nicht immer das Gefüge erfasst, und daher gibt es Verzerrungen. "
Für Reisende war es ein beschwerlicher Weg durch die Wüste des südlichen Tarimbeckens. Allerdings gab es im Norden eine Alternative: Flüsse, die heute längst ausgetrocknet sind, und an ihren Ufern weitläufige Flussoasen. Die Wasserwege konnten per Boot genutzt werden. Zwar gelang den Archäologen bislang kein Nachweis über Schiffe in dieser Region ...
" Aber man hat in den ältesten Fundplätzen beispielsweise bootsförmige Särge in großer Zahl ausgegraben. Das wäre eine Möglichkeit. ... Man kann sich auch vorstellen, dass in den damals noch existierenden Steppen oder Graslandschaftsgürteln, die Leute vielleicht auch ganz ohne Pferd sich bewegt haben, zu Fuß. Man hatte ja keine Kilometerzahl am Tag zurückzulegen, und wie man es von den Prärieindianern weiß, die haben sich auch vor der Einführung des Pferdes bewegt, indem sie beispielsweise einfach Schleifen, also solche leiterartigen Geräte an die Hunde gebunden haben, und die konnten die Lasten zerren, und man selbst lief zu Fuß hinterher. Oder aber die Rolle des Kamels, darüber wissen wir noch viel zu wenig. Wir wissen aber, an einigen Fundorten hat das Kamel eine ungeheure Rolle gespielt. Da hat man beispielsweise Kamele geopfert, den Adeligen mitgegeben. Die können als Reit- oder Lasttier gedient haben neben oder vor dem Pferd. Das weiß man nicht genau. Aber die Menschen waren immer einfallsreich. "
Was die Archäologen bei den Funden immer wieder verblüffte, war die Tatsache, dass manche Funde so aussahen, als wären sie gestern erst vergraben worden. Das schafft Nähe: zu den Menschen, die diese Dinge einstmals benutzt haben und zu den Menschen, die uns als Mumie überliefert sind.
Christoph Lind:
" Einer der Punkte, der die Ausstellung so interessant macht, durch diesen extrem guten Erhaltungszustand einzelner Objekte, ist die Distanz zu diesen Zeiten und den Benutzern einfach nicht mehr da. Sie muss sich bei jedem Objekt neu angelesen werden. "