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Ursula Heinen-Esser
Wenn die CDU das Umweltministerium besetzt

Die CDU ist auf kaum einem Feld personell so ausgedünnt wie in der Umweltpolitik. Falls in der neuen Koalition in Sachsen die Grünen das Umweltministerium bekommen, wird Ursula Heinen-Esser in Nordrhein-Westfalen die einzige Umweltministerin ihrer Partei sein. Sie hat dort einen schweren Stand.

Von Moritz Küpper | 21.11.2019
Ursula Heinen-Esser spricht im April 2019 in Ennepetal
Ursula Heinen-Esser (CDU), Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz ist seit Mai 2018 im Amt (picture alliance / ZUMA Wire, Maik Boenisch)
Ursula Heinen-Esser hält ein Stück Rinde in der Hand: "Das ist der Weg, den der Borkenkäfer gegangen ist, hier drin." Ihr Finger fährt eine sichtbare Linie in der Baumrinde entlang, zeigt Armin Laschet, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten, die massenhafte Ausbreitung des Borkenkäfers, der in ganz Deutschland für ein Absterben der großen Fichtenbestände sorgt.
Armin Laschet: "Was macht der, der frisst sich hier durch?"
Ursula Heinen-Esser: "Der frisst sich hier durch, das kann man auch nochmal zeigen."
Massenhaft Kameras klicken. Der öffentlichkeitswirksame Termin im Königsforst - einem Wald nahe Köln - wird im Nachgang an den sogenannten Dürre-Sommer gut ankommen. Politiker im Wald: ein beliebtes Motiv in einer Zeit, in der Klima- und Umweltschutz Hochkonjunktur haben. Auch wenn ein Waldbesitzer die Inszenierung ein wenig stört: "Ich kann nur sagen, es hat wirklich ein Jahr gedauert, bis ich Frau Ministerin, Sie, dazu bewegt habe, dass sie so was anpackt. Das war hart, das war hart."
Defizite der CDU in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik
"Ich bin hier ihre größte Unterstützerin", ruft Ursula Heinen-Esser schließlich, CDU-Politikerin und Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, wie es offiziell heißt. Doch: Der spaßhaft vorgetragene Vorwurf hat durchaus Substanz - und bundesweite Gültigkeit. "Der CDU fehlen die Umweltpolitiker", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" in einer Analyse der schlechten Ergebnisse der CDU bei der Europa-Wahl. Fazit: Die Partei sei bei dieser Wahl auch wegen erheblicher Defizite in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik eingebrochen.
Fünf der bislang berufenen neun Bundesumweltminister waren zwar CDU-Mitglieder, darunter namhafte Personen wie der spätere Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, oder die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch: Auf kaum einem inhaltlichen Feld ist die jahrzehntelange Regierungspartei personell derart ausgedünnt.
Ursula Heinen-Esser sagt: "Also, das merke ich ganz klar. Also, auch in der Zusammenarbeit jetzt als Person mit der Bundespartei beispielsweise zur Vorbereitung der Klimabeschlüsse der Partei auch."
Monate nach ihrem Besuch im Königsforst steht Ursula Heinen-Esser auf dem Waldkongress ihres Ministeriums in Düsseldorf - und nutzt die Chance für ein wenig Name-Dropping: "Da gibt es natürlich Andreas Jung auf Bundesebene, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, der auch ein ganz starker Typ ist, sich mit Umwelt- und Klimaschutz-Politik beschäftigt. Ansonsten, in den Bundesländern, das hört sich so schön an: Ich bin die Sprecherin der B-Länder -, aber wenn Thomas Schmidt nicht Umweltminister in Sachsen bleibt, weil dort eben die Grünen auch dieses Amt haben möchten, dann bin ich die einzige CDU-Umweltministerin."
Kölsche Frohnatur
Wobei Ursula Heinen-Esser, eine kölsche Frohnatur, die den Karneval mag, durchaus - wenige Tage vor der Umweltministerkonferenz in Hamburg vergangene Woche - auch Humor beweist: "Und dann auch die Beschlussfindung vor allen Dingen. Ich muss mich mit keinem mehr auseinandersetzen. Aber ich finde es einfach schade, dass die CDU in den letzten Jahren nicht dieses Ressort für sich auch genommen hat und gesagt hat: Wir wollen Umweltpolitik gestalten."
Doch auch im Fall der heute 54-Jährigen war dies nicht unbedingt immer der Fall: Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre arbeitete sie erst als Journalistin, wechselte dann in die CDU-Bundesgeschäftsstelle, bevor sie 1998 in den Bundestag gewählt wurde. Bereits als Schülerin der CDU beigetreten, konzentrierte sie sich im Bundestag auf die Themen Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und wurde 2007 parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Im Jahr 2013 kandidierte die Mutter einer Tochter - aus familiären Gründen - nicht erneut für den Bundestag. Und erfuhr wenig später von ihrer Brustkrebs-Erkrankung, über die sie später im WDR offen sprach:
"Ich bin hin- und hergeschwankt zwischen völliger Depression, aber dann auch wieder voller Aktivitäten: Was kann ich jetzt alles machen? Und natürlich von dem Wunsch beseelt, im Internet alles zu lesen, was es zu dem Thema gibt."
"Umweltministerin muss Anwältin für Klima und Umwelt sein"
Die Therapie war erfolgreich. Im Jahr 2016 wurde sie dann Geschäftsführerin der Bundesgesellschaft für Endlagerung, sollte auch in der sogenannten Kohle-Kommission zum Ausstieg aus der Braunkohle mitarbeiten. Doch in Nordrhein-Westfalen musste Christina Schulze Föcking als Umweltministerin zurücktreten - und Armin Laschet brauchte die erfahrene Partei- und Bundespolitikerin Ursula Heinen-Esser in diesem Amt. Dennoch sagt diese rückwirkend: "Das war komplett neu. Ich musste mich auch wirklich einfinden, weil ich diese operative Verantwortung in der Politik so noch nicht erlebt habe."
Seit gut anderthalb Jahren führt die CDU-Frau nun das Umwelt-Ressort in der schwarz-gelben Landesregierung in Düsseldorf.
"Eine Umweltministerin in einer schwarz-gelben Landesregierung, der einzigen schwarz-gelben Landesregierung in Deutschland, hat zunächst einmal natürlich einen schweren Stand, weil diese Landesregierung angetreten ist für wirtschaftliche Entfesselung, und eine Umweltministerin muss immer Anwältin für Klima und Umwelt sein", sagt der Journalist Tobias Blasius, Vorsitzender der Landespressekonferenz.
Und auch Monika Düker, Fraktionschefin der NRW-Grünen, hat dieses Spannungsfeld bemerkt: "Ich persönlich glaube ihre Sensibilität für diese Themen im Bereich Tier-, Umwelt- und Naturschutz. Sie sieht die Probleme, sie erkennt sie, sie hört auch zu vor Ort. Nur: Leider fehlt ihr komplett die Lobby in den eigenen Reihen, diese Dinge dann auch umzusetzen."
BUND sieht keine nenneswerten Impule von Heinen-Esser
Denn nur weil die CDU ein Umweltministerium führt, muss dies noch nicht zwangsläufig gute Umweltpolitik sein, meint Dirk Jansen, Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND in NRW. Ihm zufolge gibt es keine nennenswerten umweltpolitischen Impulse von Ursula Heinen-Esser. Er meint: "Letztendlich hat sie einen Koalitionsvertrag vorgefunden, der unter dem Label stand, die Wirtschaft zu entfesseln. Natur-, Umweltschutz, Biodiversität, Agrarpolitik, so wie wir uns das vorstellen, spielt alles keine Rolle. Auch im Klimaschutz geht es bergab."
Für Dirk Jansen steht fest: CDU und Umweltpolitik passen momentan nicht zusammen: "Also, ich sehe das auch nicht, dass die CDU ansatzweise hier in Nordrhein-Westfalen ergrünt wäre, auch wenn sie immer in Richtung Grüne und neue Koalition schielt."
All das sieht die Ministerin – zwangsläufig – anders. Sie räumt zwar Startschwierigkeiten ein, sagt auch, dass die Umweltpolitik nicht ein originäres Politikfeld der Union sei. Dennoch habe die CDU die Bedeutung von Umweltpolitik nun erkannt:
"Nordrhein-Westfalen kann schon ein bisschen beispielgebend sein: einmal, dass die CDU eine Umweltministerin stellt. Das ist der eine Punkt. Das zeigt, dass die CDU hier in Nordrhein-Westfalen versucht, die Themen Industrie und Umwelt tatsächlich zusammenzudenken. Auf der anderen Seite ist gut hier in Nordrhein-Westfalen, das Zusammengehen von Umwelt und Landwirtschaft. Es gehört auch zusammen."
Das eher grüne Ressort Umwelt mit dem - eher unions-geprägten – Landwirtschaftsministerium auf Bundesebene zusammenzuführen, wäre jedenfalls ihr Rat an die Partei - neben der Tatsache, dass die CDU sich eben verstärkt darum kümmern müsse. Sollte es allerdings demnächst zu einer schwarz-grünen oder grün-schwarzen Regierung kommen, dann weiß auch Ursula Heinen-Esser: "Dann werden Landwirtschaft und Umwelt immer getrennt bleiben."