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Urteil gegen Ex-Compuserve-Chef scharf kritisiert

Mit massiver Kritik haben Öffentlichkeit und Betroffene auf den Urteilsspruch gegen den ehemaligen Chef des Online-Dienstes Compuserve reagiert. Durch den Entscheid seien neue Rechtsunsicherheiten für die Betreiber entstanden, erklärten die vier größten deutschen Anbieter in einer gemeinsamen Stellungnahme vom vergangenen Freitag.

Detlev Karg |
    Ex-Compuserve-Chef Felix Somm war am Donnerstag letzter Woche vom Münchner Amtsgericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 100.000 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Begründung: Der Angeklagte sei der Mittäterschaft bei der Verbreitung von Kinderpornographie schuldig, seine Behauptung, von den Inhalten nichts gewußt zu haben, eine "Zumutung", so Richter Wilhelm Hubbert. Das Urteil erscheint indes um so überraschender, da sowohl Verteidigung wie Anklage einen Freispruch Somms gefordert hatten. Nach Expertenmeinung befindet sich das Verdikt zudem in krassem Widerspruch zum Multimediagesetz, das die Verantwortlichkeit der Provider für strafrechtlich relevante Internet-Angebote regelt. Das zuständige BMBF will den Fall nach Angaben von Forschungsminister Jürgen Rüttgers nun eingehend prüfen.

    Die Online-Dienste T-Online, Compuserve, AOL Bertelsmann und germany.net bezeichneten das Urteil in einer Erklärung unterdessen als "unerträgliche Belastung für das Management". Es entstehe eine Situation der Rechtsunsicherheit, die die Entscheidung, in Deutschland einen Online-Dienst zu betreiben oder Zugang zum Internet zu vermitteln, grundsätzlich in Frage stelle. Während Somm und andere Geschäftsführer zu Sündenböcken gestempelt würden, könnten sich die wirklichen Kriminellen "in Sicherheit wiegen". Nach Ansicht von Patricia Primrose, Sprecherin der AOL-Zentrale in Dallas, Texas, spiegelt das Urteil ein "fundamentales Mißverständnis der dem Internet eigenen Gegebenheiten und der Rolle der Provider" wider. Primrose zeigte sich jedoch zuversichtlich, daß Somm im angekündigten Berufungsverfahren freigesprochen werde.