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US-Auftragsforschung
Meeresforscher: "Ergebnisse gehören nicht dem Militär"

Auch das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven bekommt für ein Forschungsprojekt Geld vom US-Verteidigungsministerium. Die Ergebnisse, sagt der am Projekt beteiligte Wissenschaftler Olaf Boebel, kämen nicht bloß dem US-Militär zugute. Sondern: der Menschheit.

Olaf Boebel im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Gestern haben wir hier bei Campus & Karriere über Auftragsforschungen des amerikanischen Verteidigungsministeriums gesprochen, die deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute durchführen. Die Kontrolle scheint schwierig zu sein: Selbst Hochschulen wie die Uni Bremen, die eine Zivilklausel verabschiedet haben, sich also auf rein zivile Forschung verpflichtet haben, forschen für das Militär und können am Ende nur hoffen, so gestern der Rektor der Uni Bremen hier im Deutschlandfunk, dass die jeweils Forschenden sich daran halten. Auch das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven hat Geld bekommen, 200.000 Euro ungefähr, um für das US-Verteidigungsministerium zu forschen, und sagt, das ist aber rein zivile Forschung. Olaf Boebel ist einer der am Projekt beteiligten Wissenschaftler. Guten Tag, Herr Boebel!
    Olaf Boebel: Guten Tag!
    Biesler: In Ihrem Projekt geht es um Wale und menschlich verursachten Lärm, vor dem Sie die Wale schützen wollen. Wie?
    Boebel: Unser Projekt zielt darauf ab, ein System zu entwickeln, das automatisch die Wale in der Umgebung einer Lärmquelle, das kann ein Militärschiff oder kann eine Rammarbeit sein im Rahmen von Windenergie, das in der Umgebung dieser Lärmquelle Wale automatisch detektiert anhand ihres Walblases. Der Walblas ist ein relativ warmes Ausatmen des Wales, wenn er auftaucht, und der steht oft in einem thermisch starken Kontrast zu dem relativ kühleren Hintergrund des Meeres, sodass man den gut detektieren kann.
    Biesler: Das machen Sie mit Infrarot, und zwar interessanterweise - da liegt ja der Verdacht nahe, dass es sich nicht um zivile Dinge handelt - mit einem von Rheinmetall, wenn ich richtig informiert bin, eigentlich dazu entwickelten System, das Raketen erkennen soll, die auf Schiffe zufliegen.
    Boebel: Ja, das ist richtig. Wir missbrauchen dieses System. Die zivil erhältlichen Infrarotkameras, wie zum Beispiel "Flir," die, das kennen Sie sicherlich, dazu benutzt werden, den Wärmeverlust von Häusern zu untersuchen, die sind in ihrer Auflösung und vor allem in der Fähigkeit, rundum, ständig rundum zu schauen, nicht gut genug. Die können immer nur auf ganz kleine Bereiche des Meeres schauen. Und der Wal ist meistens nicht da, wo die Kamera gerade hinschaut. Das IR-System, was wir benutzen, schaut 360 Grad im Kreis, ständig, und kann somit praktisch den gesamten Umkreis des Schiffes beobachten.
    Biesler: Jetzt fragt sich ja der Laie doch schon, warum ist das dem US-Militär eigentlich 200.000 Euro wert, so um den Dreh war es ja. Warum fördern die das?
    Boebel: Erst mal, um das richtigzustellen, das sind 200.000 pro Jahr, also das ist ein Projekt, was über drei Jahre läuft. Das geht also so Richtung 800.000, 900.000 irgendwo. Das US-Militär ist ziemlich in die Bredouille gekommen dadurch, dass sie bei den Manövern, bei denen sie mit Sonar nach U-Booten suchen, unerwartet Walstrandungen aufgetreten sind.Vor etwa zehn Jahren begann das. Das hat natürlich zu einer sehr negativen Presse für das US-Militär oder auch das internationale Militär geführt, und seit diesen Strandungen steckt das US-Militär relativ viel Geld in die Erforschung der Wale an sich, der Ökologie der Wale - wie verhalten sie sich, wo sind sie? Und auch in Technologien, um sie zu detektieren, wenn sie in der Nähe von irgendwelchen Manövern sind.
    Biesler: Ist ja jetzt erst mal eine ganz positive Sache, kann man sagen. Das Schlimmste, was man daran erkennen kann, wäre, dass Sie jetzt Manöver von US-Militärs leichter möglich machen, weil es dagegen nicht so viel öffentlichen Widerstand gibt. Aber können Sie denn alles andere eigentlich ausschließen? Das Ding kann doch dann vielleicht auch was anderes erkennen, wenn es Walblas erkennen kann.
    Boebel: Also, was das Ding auch - also, die Kamera an sich kann was auch immer erkennen. Sie kommt ja aus dem militärischen Bereich, wie Sie schon gesagt hatten. Was wir entwickelt haben, ist eine Software, die den Walblas, das ist so eine thermische Signatur, die von unten nach oben steigt und sich so einige Meter über die Wasseroberfläche hinweg erhebt, von zum Beispiel brechenden Wellen, die thermisch ähnlich aussehen, unterscheiden kann. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass man aus dem Bildsignal herausfiltert, dass man die in irgendeiner Art und Weise für einen Kampfeinsatz verwenden kann. Unsere größere Sorge bei dem Ganzen war, dass eigentlich Walfänger das möglicherweise missbrauchen könnten. Und in dem Kontext haben wir in den Lizenzverträgen, die wir vorbereitet haben, explizit eine Klausel drin, die wörtlich heißt: "Der Lizenznehmer hat Nutzungsverbot der Software hinsichtlich anderweitiger Anwendungen als Walschutz."
    Biesler: Jetzt nehme ich Ihnen das natürlich ab, dass Sie als Forscher möglichst verhindern wollen, dass zum Beispiel damit Wale von Walfängern gefangen werden oder so. Aber aufgrund der Erfahrungen, die wir in den letzten Monaten alle gemacht haben - wie sicher können Sie denn eigentlich sein, dass das US-Militär sich an Verträge hält, dass die Dinge, die Sie erforscht haben, nicht missbraucht werden? Ist das nicht eine Krux, in der man trotzdem steckt als Forscher?
    Boebel: Ich glaube, die Krux, in der steckt man nicht nur, wenn man Forschung hat, die übers Department of Defense finanziert wird, sondern bei jeglicher Forschung. In der Anmoderation sagten Sie, das sei Auftragsforschung. Das ist nicht so; es ist Zuwendungsforschung, das ist für uns als Forscher ein großer Unterschied. Zuwendungsforschung bedeutet, dass die Ergebnisse nicht dem Militär oder dem Auftraggeber gehören, sondern lediglich in Publikationen öffentlich gemacht werden, in öffentlichen Vorträgen dargestellt werden. Das heißt, es wird nicht dem US-Militär zur Verfügung gestellt, sondern der Menschheit, allen gleichermaßen.
    Biesler: Können Sie denn die Aufregung verstehen, die entstanden ist in Deutschland, wenn man sieht, wie viel - und das ist ja doch, wenn man alles zusammenrechnet, ein erheblicher Umfang - vom amerikanischen Verteidigungsministerium in die deutsche Forschungslandschaft fließt?
    Boebel: Ja, also die Aufregung - sagen wir mal so: Es muss nicht unbedingt in einer Aufregung ausarten, aber die Frage ist gerechtfertigt, natürlich. Wenn man durch ausländisches Geld finanziert arbeitet, und in dem Fall dann auch noch über das Department of Defense finanziert arbeitet, muss man sich auf jeden Fall die Frage gefallen lassen, wie trägt das zu den verschiedenen Kriegen, die es in dieser Welt gibt, und ist das ethisch verantwortbar? Wichtig ist, denke ich nur, dass man da nicht eine pauschale Verurteilung der Projekte, die über DoD finanziert sind, macht, sondern sich differenziert anguckt, welchen Sinn und Zweck haben die. Also, da gibt es eine sehr, sehr große Bandbreite an Nähe zu Kampfeinsatz, Waffensystemen, Aufklärungssystemen und Grundlagenforschung, die eigentlich eher von gesellschaftlichem Interesse sind.
    Biesler: Olaf Boebel forscht am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven mit Geld des US-Verteidigungsministeriums an Walerkennungssystemen. Danke schön!
    Boebel: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.