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US-Ausgabe wird eingestellt
Ein Versuch, den "Playboy" zu loben

Ein Nachruf: Nach 66 Jahren wird in den USA die gedruckte Ausgabe des "Playboy" eingestellt. Jahrzehntelang nahm er amerikanische Machos an die Hand - und lehrte das schöne Leben und gepflegten Sexismus. So sieht es Arno Orzessek in seiner Glosse.

Von Arno Orzessek | 26.03.2020
Ein "Playboy"-Heft in einem Zeitschriftenregal.
Bald wird der "Playboy" aus Zeitschriftenläden in den USA verschwunden sein (imago/ Richard B. Levine)
Der Playboy und die Barbie-Puppe – beide könnte man für ihr Schicksal bemitleiden, hat sie doch der Feminismus nie als Geschenk des Himmels gefeiert. Im Gegenteil: Die busenreiche Männertraumpuppe mit den lebensfeindlichen Maßen ist in Sachen Kinderspielzeug feministisches Feindbild Nr. 1. Dem Playboy wurde von gleicher Seite um die Ohren gehauen, Frauen wie Männerspielzeuge zu präsentieren. Selbige wiederum mit Maßen, die nur der Hunger gestalten kann – plus zwei satte Portionen Silikon.
Stimmt ja auch. Und auch wieder nicht. In den späten 50ern war Barbie nämlich eine fortschrittliche Emanze, die das waltende Herd- und Heimchen-Frauenbild durch coole Weltläufigkeit sabotierte. Und auch der Playboy war ein Lichtblick in sinnlich dürftiger Zeit. Damals, 1953, als Hugh Hefner, der Agent der Hautfreundlichkeit, das erste Heft mit Marilyn Monroe auf dem Cover herausbrachte.
Kulturell eingehegte Lüsternheit
Eine zukunftsweisende Tat. Jahrzehntelang nahm der Playboy amerikanische Machos an die Hand und lehrte sie beides: das schöne Leben so mit Rolex, Yacht und Aston Martin - und gepflegten Sexismus. Ja, richtig gehört: "gepflegter Sexismus".
"Ein Widerspruch in sich", zürnen Sie? Aus heutiger Sicht schon. Aber Hefners Genie lag gerade darin, Männern das Gefühl zu vermitteln, der Playboy würde ihre Lüsternheit zivilisatorisch-kulturell einhegen und Geilheit mit Niveau gewähren. Wofür sogar die Nackt-Fotos selbst standen.
Es gibt ja mehrere Sorten: Akt-Fotos mit dem Hautgout von Galerie; pornografische Fotos, die ruchlos die südliche Körpermitte attackieren; und auf dem halben Weg die erotischen Fotos, Appetitmacher ohne Handlungszwang – Playboys ureigenes Revier!
Außerdem: die Kurzgeschichten und Interviews. Der Playboy mischte gern die ganz großen Namen unter die Busenfotos: Vladimir Nabokov, Philipp Roth, John Updike - Schreibtisch-Erotomanen ersten Grades.
Inkarnation des westlichen Mythos
"Aber das waren doch nur durchsichtige Feigenblätter", schimpfen Sie? Okay, Sie sind wirklich standhaft kritisch. Dann loben wir den Playboy eben dafür, dass er eine mentale Fernlenkwaffe im Kalten Krieg war, die indessen nichts kaputt gemacht hat – außer den Glauben an den Kommunismus.
"Für uns, die sowjetische Jugend, war der Playboy die Inkarnation des westlichen Mythos. Unbekannt, anziehend, lasterhaft und brillant", bekannte der russische Mode-Kolumnist Alexey Belyakov, dessen sonstige Existenz in nicht-russischen Suchmaschinen leider schwer zu greifen ist. Toll klingt sein Spruch trotzdem.
Dass der gedruckte Playboy im Alter von 66 Jahren nun unter Corona-Einfluss dahinscheidet – Stichwort: Anzeigen-Rückgang –, klingt wie ein schlechter Scherz. Aber das Magazin wirkte zuletzt in der Tat altersschwach, was durch das Dauer-Lifting umso sichtbarer wurde.
Hugh Hefner, der Feminist
Irgendwann zogen sich auch Männer aus, die Frauen-Quote in der jugendlichen Redaktion stieg und stieg, Total-Entblößungen wurden gestoppt und wieder eingeführt, Frauen verteidigten ihr Playboy-Shooting als Neo-Feminismus. Kurz: Unter der angesagten Kosmetik immer runzeliger geworden und vom tabulosen Internet überrollt, rang der amerikanische Playboy vergeblich um eine zeitgemäße Identität. Während mehr als zwanzig Länder-Ausgaben durchaus die Stellung halten.
Und im Netz bleibt auch der US-Playboy agil. Der empfiehlt wegen Corona übrigens, was Donald "Endlich-wieder-arbeiten" Trump nicht gefallen dürfte: "Stay In, Get Off: 8 Sex Tips for Self-Isolation" - was Sie sich bitte selbst übersetzen.
Tja, und falls Sie unser Nachruf bis hierher geärgert hat – da geht noch mehr! Wir behaupten nicht, dass man sein Selbstbild teilen muss. Aber laut Frankfurter Rundschau hat Playboy-Vater Hugh Hefner einst gesagt: "Ich war genau genommen schon ein Feminist, bevor es das Wort überhaupt gab!"