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US-Bäume für Europas Stromerzeugung

Im US-amerikanischen Georgia hat der deutsche Energiekonzern RWE ein riesiges Holzpelletwerk eingeweiht. Der dort produzierte Brennstoff wird quer über den Atlantik nach Europa verschifft. Dass sich diese Konstruktion für RWE rechnet, erklärt sich aus dem internationalen Handel mit CO2-Zertifikaten.

Von Katja Ridderbusch |
    Den meisten Anwesenden sei wahrscheinlich nicht bewusst, welche Rolle RWE in Europa spiele, sagte Casey Cagle, Vize-Gouverneur des amerikanischen Bundesstaates Georgia. Das dürfte sich jetzt ändern. Denn der deutsche Energieriese eröffnete gestern im Süden des Blues- und Baumwollstaates das weltgrößte Werk für die Fertigung von Holzpellets.

    120 Millionen Euro hat RWE in die Fabrik investiert. Hier sollen pro Jahr 750.000 Tonnen Holzpellets hergestellt werden. Das sind kleine, gepresste Stäbchen aus Holzschnitzeln und Sägespänen.

    Die Pellets aus Georgia sind ausschließlich für den Export nach Europa bestimmt; sie sollen auf Frachtschiffen vom Tiefseehafen in Savannah in die Niederlande gebracht und dort in Kohlekraftwerken zusammen mit Steinkohle verbrannt werden - "co-firing", heißt dieser Prozess.

    Das neue Pelletwerk ist ein Baustein in der Gesamtstrategie von RWE, seine Kohlendioxid-Bilanz in Europa zu senken. Das Unterfangen drängt, denn: Der Essener Energiekonzern ist nicht nur Deutschlands größter Stromversorger, sondern auch Europas größter CO2-Emittent.

    Außerdem entfaltet im Jahr 2013 die EU-Richtlinie zum Emissionshandel ihre volle Wirkung. Dann muss RWE seine CO2-Zertifikate teuer bezahlen, und die Kosten dürften sich auf die Strompreise umschlagen. Auch ist seit dem Reaktorunfall von Fukushima die Zukunft der Nuklearenergie ungewiss, und alternative Ressourcen wie Biomasse gewinnen zusätzlich an Bedeutung. Allerdings bleibt man bei RWE realistisch.

    "Wir werden es mit Biomasse alleine nicht erfüllen","

    sagt Fritz Vahrenholt, Chef der für erneuerbare Energien zuständigen RWE-Tochter RWE Innogy.

    ""Insofern ist auch die Lösung, die europäischen Ziele zu erreichen, immer eine Addition von verschiedenen Instrumenten."

    Kritiker bemängeln jedoch: Die Rechnung mit den vermeintlich klimafreundlichen, CO2-neutralen Holzpellets sei trügerisch. Denn der Transportweg von den USA nach Europa ist lang - und der Treibstoffverbrauch der Schiffe beträchtlich. Vahrenholt widerspricht:

    "Jeder denkt zunächst mal: Meine Herren, von Georgia, Bahn, dann Schiff, die lügen sich doch was in die Tasche. Aber wir haben das alles einbezogen in die Gesamtbilanz."

    Die größte Holzpelletfabrik der Welt liegt inmitten von dichten Kiefernplantagen; ein silbrig schimmernder Koloss aus Röhren, Silos und Förderbändern tief im Sumpfland des Südens. Warum hat RWE sein Werk ausgerechnet in Georgia gebaut? Weil der Staat mit zehn Millionen Hektar nutzbarer Wälder Forstland im Überfluss hat - und mit dem Hafen von Savannah und einem umfassenden Eisenbahnnetz außerdem eine hochklassige Infrastruktur bietet.

    ""Wir haben de facto die ganze Welt abgesucht nach Plätzen, wo es alle diese Faktoren gibt, und sind dann am Ende hier in Georgia gelandet, weil sie hier am besten zusammengekommen sind","

    sagt RWE-Strategievorstand Leonhard Birnbaum.

    Und auch für Georgia ist die Ansiedlung von RWE ein gutes Geschäft: 80 Arbeitsplätze entstehen in der Fabrik selbst; hinzu kommen Aufträge für lokale Bau-, Logistik- und Zulieferfirmen. Ferner dürfte RWE nur der Vorreiter für einen neuen Trend sein. Derzeit nämlich erwägen mehrere amerikanische und ausländische Investoren den Bau weiterer Holzpellet-Werke in Georgia.

    Euer Erfolg ist unser Erfolg, sagt Georgias Vizegouverneur Casey Cagle. Und das ist - vielleicht - der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.