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US-Experten rechnen mit starken Hurrikans

Wetter.- Der Tropensturm Agatha kostete mehr als 100 Menschen in Mittelamerika das Leben. Pünktlich zum Beginn der Hurrikan-Saison legen Experten in den USA ihren Ausblick für 2010 vor. Der verheißt nichts Gutes: gerechnet wird mit einer "aktiven bis extrem aktiven Saison".

Von Volker Mrasek | 01.06.2010
    Fünf Jahre ist es her, dass Katrina New Orleans unter Wasser setzte. 2005 wurde am Ende die bisher intensivste Wirbelsturm-Saison im Atlantik seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Beobachter zählten 28 Hurrikans und Tropenstürme in den sechs Monaten zwischen Juni und November.

    In den Jahren danach ging es ruhiger zu. Doch diesmal könnte die Zahl von Wirbelstürmen im tropischen Atlantik wieder steigen. Die NOAA, die staatliche Behörde für Ozean und Atmosphäre in den USA, rechnet mit einer "aktiven bis extrem aktiven" Hurrikan-Saison. Der Meteorologe Richard Pasch aus dem Nationalen Hurrikanzentrum in Miami in Florida:

    "Nach der Vorhersage wird es in dieser Saison 8 bis 14 Hurrikans geben. Wenn ich Ihnen sage, dass der langjährige Durchschnitt bei etwas mehr als sechs Hurrikans liegt, dann ist klar: Die Saison dürfte auf jeden Fall aktiver als normal sein. Sollte es auf das obere Ende der Vorhersage hinauslaufen, dann werden wir sogar eine rekordverdächtige Hurrikan-Aktivität im Atlantik erleben."

    Pasch und seine Kollegen rechnen dabei mit bis zu sieben Hurrikans der stärksten Kategorien drei, vier oder fünf. Sie bringen es auf Windgeschwindigkeiten von 180 Kilometern pro Stunde und darüber und verursachen die meisten Schäden. Ihre Prognose stützen die Experten auf den Zustand von Ozean und Atmosphäre:

    "Die Meerestemperaturen zwischen Afrika und der Karibik sind derzeit besonders stark erhöht. Und wahrscheinlich werden sie es auch weiterhin bleiben. Dadurch verdunstet mehr Wasser an der Oberfläche, von dem sich Hurrikans speisen, und sie werden intensiver. Außerdem sind wir noch immer in einer natürlichen Phase mit erhöhter Sturmaktivität im Atlantik. Sie hält seit 1995 an. In einer solchen Phase hat man grundsätzlich wärmeres Wasser im tropischen Atlantik und kühleres südlich des Äquators. Das hat mit natürlichen Veränderungen der Ozean-Zirkulation zu tun."

    Selbst der Pazifik nimmt Einfluss auf die atlantische Hurrikan-Saison. In unregelmäßigen Abständen tritt dort bekanntlich El Nino in Erscheinung. Eine sogenannte Klima-Anomalie mit Fernwirkungen auf dem halben Globus. Im Atlantik sind sie durchaus positiv. Denn dort dämpft El Nino Wirbelstürme. Dazu Gerry Bell, der Leiter der Hurrikan-Saisonvorhersage in den USA:

    "El Nino verschiebt die Niederschlagsmuster im tropischen Pazifik. Das beeinflusst das Wind-Regime weiträumig. Über dem Atlantik entstehen dann stärkere Scherwinde in größeren Höhen. Sie neigen dazu, die Entstehung von Hurrikans zu unterdrücken."

    Genau das war im letzten Jahr der Fall. Doch inzwischen hat sich El Nino wieder verdrückt, und die Scherwinde über dem tropischen Atlantik schwächen sich ab. Auch das ist Richard Pasch zufolge ein Faktor, der die Entstehung von Hurrikans in dieser Saison begünstigt:

    "Die Wahrscheinlichkeit für unsere Vorhersage liegt bei 70 Prozent. Das heißt: Unter den Randbedingungen für diese Saison hätten wir in sieben von zehn Jahren mit einer erhöhten bis stark erhöhten Hurrikan-Aktivität zu rechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht so kommt, liegt nur bei 30 Prozent. Aber man muss auch sehen: Schon ein einziger verheerender Hurrikan kann die Bilanz einer Saison ruinieren."

    Nicht vorhersehbar ist dagegen, was mit dem Öl-Teppich im Golf von Mexiko geschieht, sollte ein Hurrikan bis dorthin vordringen. Je nach Zugbahn des rotierenden Sturms ist beides vorstellbar: dass das Öl an Land oder aufs Meer hinaus gespült wird. Nur in einem sind sich die Experten ziemlich sicher: Es wird kein Öl an der Küste regnen, sondern allenfalls Wasser aus den mächtigen Wolken.