Archiv


US-Forscher brechen WHI-Studie ab

Medizin. - Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Mitte Juli brachen US-Forscher nach fünf Jahren eine Studie der Womens Health Initiative zur Hormonersatztherapie vorzeitig ab. 16.600 Frauen im Alter zwischen 50 und 79 nahmen an der Studie teil, die klären sollte, welchen Nutzen und welche Risiken eine Hormontherapie im Klimakterium beziehungsweise in den Wechseljahren hat. Die Wissenschaftler staunten nicht schlecht über die ersten Zwischenergebnisse: Frauen, die das Hormonpräparat einnahmen, hatten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe 100 Prozent mehr Thrombosen, 41 Prozent mehr Schlaganfälle, 29 Prozent mehr Herzinfarkte und 26 Prozent mehr Brustkrebs. Angesichts dieses Zahlen, wurde die Studie sofort abgebrochen; angesichts dieser Zahlen stellt sich aber auch die Frage nach möglichen Konsequenzen in Deutschland und Europa.

    Von Mirko Smiljanic

    Das Klimakterium beginnt bei Frauen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr und dauert insgesamt etwa zehn bis fünfzehn Jahre. In der Anfangsphase - der Prämenopause - produzieren die Eierstöcke weniger Östrogene und Gestagene - hier vor allem das für Schwangerschaften entscheidende Progesteron. Mit der Zeit werden die Zyklen unregelmäßig bis etwa mit 52 Jahren die letzte natürliche Blutung einsetzt, die Menopause. Während der hormonellen Umstellung leiden zwischen 60 und 90 Prozent aller Frauen unter klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen, Herzrasen, Schlafstörungen und Haarausfall. Diese Beschwerden lassen sich mit der Gabe von Hormonen vergleichsweise effektiv lindern. Grundsätzlich unterscheiden Mediziner dabei zwei Therapien.

    Entweder man verabreicht nur Östrogene alleine, dann sprechen wir von einer Östrogen-Monotherapie, das darf man aber nur bei Frauen anwenden, die keine Gebärmutter mehr haben, das ist ganz wichtig, weil man sonst das Risiko für den Gebärmutterkörperkrebs erhöht. Die zweite Möglichkeit besteht darin, Östrogene und Gestagene zu verabreichen, das ist die Standardtherapie für die meisten Frauen.

    Prof. Horst Lübbert vom Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin. Den positiven Effekten stehen aber negative gegenüber. An erster Stelle steht eine Zunahme des Brustkrebsrisikos, ein Verdacht, der seit Jahren schon diskutiert wird. Weiterhin soll bei der Kombinationstherapie Östrogene plus Gestagene das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko steigen - das zumindest zeigen die Resultate der WHI-Studie. Auf Deutschland übertragbar ist vor allem das letzte Resultate aber nicht. Lübbert:

    In der Tat ist es so, dass die Amerikaner, was das Gestagen anbetrifft, ausschließlich, eine ganz bestimmt Substanz anwenden, und diese Substanz heißt MPA, leider auch in Deutschland ja durch den Hormon-Schweine-Skandal bekannt geworden - diese Substanz MPA oder pharmakologisch gesprochen Medroxyprogesteronacetat, die wird in Europa oder in Deutschland fast überhaupt nicht für solche Zwecke angewendet.

    Östrogene alleine verabreicht, erhöhen nicht das Infarktrisiko - weshalb übrigens dieser Teil der WHI-Studie nicht abgebrochen wurde. Zudem haben die US-Forscher nur eine Wirkstoffkombination untersucht: Konjugiertes Östrogen - es wird aus dem Urin trächtiger Stuten gewonnen - plus MPA. Über andere Östrogenarten liegen keine Erkenntnisse vor. Unklar ist zudem, ob eine niedrigere Dosierung das Schlaganfallrisiko senkt. Hinzu kommen Risikofaktoren bei den Frauen selbst. Lübbert:

    Wir müssen unsere Patientinnen in diesem Lebensabschnitt - das sind ja alles Frauen jenseits des 50. Lebensjahres - befragen, haben Sie schon mal einen Infarkt gehabt, haben Sie erhöhten Blutdruck, rauchen Sie, hatten Sie schon mal einen Schlaganfall, wie ist Ihr Cholesterin, und müssen uns ein Bild machen daraus, ob sie zu den Risikogruppen gehört für diese Erkrankung.

    Liegen diese oder andere Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, erhöhte Blutfette, Übergewicht und so weiter vor, kann eine Hormonersatztherapie durchaus das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko steigern. Entsprechende Verhaltensänderungen senken also die Risiken, ausschalten lassen sie sich aber nicht! Probleme bekommen die Mediziner auch auf einem anderen Feld: Die Hormonersatztherapie galt bisher als ideale Prophylaxe gegen die Osteoporose, den Knochenschwund. Klar ist für Horst Lübbert,...

    ...dass wir uns nun neu überlegen müssen, ob wir diese Substanzen, die wir relativ großzügig eingesetzt haben zur Verhinderung der Osteoporose, ob wir die noch mit einer solchen Freizügigkeit verschreiben dürfen.

    Die Antwort lautet "nein", es sei denn, die Osteoporose-Prophylaxe geht einher mit anderen Vorteilen. So haben manche Frauen massive Gelenkschmerzen sobald die Hormone abgesetzt werden; sie müssten mit ebenfalls schädlichen Antirheumatika behandelt werden. Fazit: Die Hormonersatztherapie gibt es auch weiterhin, bedarf aber schon im Vorfeld einer intensiven Beratung.